Der Naturfilmer Ruben Casas Oché (51) hat bereits an die 140 Dokumentationen gedreht, drei davon in Spielfilmlänge. Zuletzt beeindruckte er mit „El archipiélago indómito“ (Der unbezwingbare Archipel) über die Flora und Fauna von Mallorca und den Nachbarinseln. Nun beweist er, dass Bienen das Rädchen sind, das den Planeten am Laufen hält. Seit Donnerstag (30.6.) ist „El mecanismo invisible“ (Das unsichtbare Laufwerk) im Kino Sala Augusta in Palma de Mallorca zu sehen. Den Film drehte der auf Mallorca groß gewordene Katalane im Auftrag der Fundación Vida Silvestre del Mediterráneo, deren Leiterin Evelyn Tewes die Idee zum Projekt hatte und sich um die Finanzierung kümmerte. Die Protagonisten des Film sind die Bienen, aber auch der mallorquinische Bio-Imker Martí Mascaró, der mit seinem Ökohonig Mel Caramel schon internationale Preise gewann.

War das Thema Insekten neu für Sie?

Nicht so ganz. Bisher fotografierte ich im Auftrag der Forstbehörde Schädlinge, beispielsweise die Raupen des Prozessionspinners. Vor zwei Jahren wurde ich dann auf die Problematik der Bienen aufmerksam. Ich kannte Martí und Evelyn bereits, hatte Mönchsgeier fotografiert und ehrenamtlich in Ariant auf dem Anwesen der Stiftung mitgeholfen. Ihre Ideen gefielen mir. Und wir suchten die Bienen als Beispiel für das Insektensterben aus, denn die Beziehung von Biene und Mensch ist 10.000 Jahre alt, die Geschichte der modernen Imkerei hingegen nur 250 bis 300 Jahre.

Wie muss man sich die Dreharbeiten über das intimste Leben der Bienen vorstellen?

Wir bauten auf der Finca Son Pons in Campanet ein zehn Quadratmeter großes Gartenhaus und einen Bienenstock mit mobilen Rahmen. Dann filmte ich mit einem 150-Millimeter-Makro-Objektiv und bei Infrarotlicht, um die Bienen nicht zu stören.

Wie oft wurden Sie gestochen?

Ziemlich oft. Bienen steuern mit Vorliebe die Kamera an oder stechen durch den Gesichtsschutz hindurch in die Nase. Wenn eine sticht, kommen gleich drei oder vier nach. Wir hatten immer Medikamente parat, aber auch Spritzen, die wir zum Glück nicht brauchten. Ich habe das mit Fassung getragen, war auch während den 18-monatigen Dreharbeiten nie krank.

Warum sind Sie überhaupt mit der Kamera so nah an die Bienenvölker rangegangen?

Ich wollte Sympathie für sie zu wecken. Das geht mit Hunden und Katzen leichter, aber Bienen sind keine Kuscheltiere. Wenn die Zuschauer aus dem Kino rauskommen, nachdem sie die Honigsucher aus nächster Nähe kennengelernt haben, werden sie den Insekten vielleicht mehr Respekt entgegenbringen. Sie verstehen vielleicht auch, dass Insekten nicht mehr durch Gift sterben dürfen und leisten ihren Beitrag zur Umstellung der Landwirtschaft.

Wie entstand das Drehbuch?

Ich versuche stets, aus den Informationen, die ich sammeln kann, eine Geschichte zu machen, die sich erzählen lässt. Zunächst beschäftigte ich mich mit Fachliteratur über das Bienensterben. Ich hatte davon gehört, aber als ich das wahre Ausmaß der Katastrophe erfuhr, deprimierte mich das sehr. Seit 1989 ist die Masse der Insekten um im Schnitt 76 Prozent zurückgegangen. Schrecklich. Mir wurde klar, dass es absolut notwendig ist, einen Film darüber zu drehen.

Wie erzählen Sie vom Bienensterben?

Hätten wir nur das Bienensterben gezeigt, wären die Zuschauer genervt nach Hause gegangen. Deshalb zeigen wir, was möglich ist: die Mandelblüte auf ökologischen Inselplantagen mit eigens aufgestellten Bienenstöcken. Und als krassen Kontrast dazu Hummeln, die für die Blütezeit in einem Karton leben, um danach zu sterben, ohne sich vermehren zu können. Wenn bestäubende Insekten gekauft werden müssen, dann stimmt etwas nicht. Der einzige Ausweg ist eine auf das Tierwohl bedachte, ökologische Bienenzucht und eine Landwirtschaft, bei der nicht mehr mit Giften gearbeitet wird.

Wie kam es zu den Bildern in Asturien und im chinesischen Sichuan?

Martí und ich drehten in Asturien, wie ein Bienenvolk sich gegen die Asiatische Wespe wehrt. Es gibt eindrückliche Bilder, in denen die Bienen gemeinsam Front gegen das tötende Insekt machen. Der asturianische Imker verlegte dann die Bienenstöcke in höhere Bergregionen. Dort leben Bären, sie machen ihm weniger Angst als die Killerbienen. Die Sequenzen in China lieferte eine Produktionsfirma vor Ort. Sie zeigen ein Gebiet, in dem alle Insekten ausgerottet worden sind und Arbeiter auf Bäume steigen, um die Blüten mit Wattebäuschen zu bestäuben.

Wie sieht es in den Inselgärten aus?

In denen geht es nicht um Artenvielfalt, die den Insekten zum Überleben hilft. Seit Jahren planen die Gartenarchitekten Gewächse in ihre Entwürfe, die nicht von der Insel kommen. Keinen kümmert’s, wenn es den heimischen Insekten an Nahrung fehlt.

Hoffen Sie auf einen ähnlichen Erfolg wie den des Schweizer Films „More Than Honey“?

Das kann man schlecht vergleichen. Die Schweizer Kollegen hatten 2012 ein Budget von einer Million Euro, wir mussten mit einem Zehntel davon auskommen. Trotzdem spielen wir in der Liga der guten Filme zu Umweltthemen mit und sind stolz darauf. Wir werden den Film auf Festivals vorführen, ab Herbst auch in Schulen. Eine 50-Minuten-Version bieten wir TV-Sendern auch im Ausland an.

Der Film kommt zu einem Zeitpunkt ins Kino, an dem die Insel wieder voller Urlauber ist. Hofften Sie, dass es nach Covid besser wird?

Ja, ich dachte, dass die Pandemie zum Umdenken führt, denn die Zoonose war der Covid-Auslöser und bereits ein Zeichen für das gestörte Verhältnis von Mensch und Tier. Die Pandemie hätte da ein Wendepunkt sein können. Doch was seither geschieht, ist fürchterlich für alle, die sich um die Artenvielfalt sorgen. Der Massentourismus ist schlimmer als zuvor, und die Ressourcen reichen nicht aus, um so viele zu versorgen. Ich fühle mich wie die rothaarige Wissenschaftlerin im Film „Don’t Look Up“: Die Gefahr ist da, und alle schauen weg.