Wenn die Sonne brennt, geht auch auf Mallorca nichts über ein Eis – das ist heute genauso wie vor Hunderten von Jahren. Auch als Eisfach und Kühlwagen noch Zukunftsmusik waren, florierte auf der Insel schon das Geschäft mit den erfrischenden Leckereien.

Klar: Damals war die Erzeugung von Eis ein echter Knochenjob. Zur Hilfe nahmen die Vorfahren Schnee aus der Tramuntana, im Jahre 1564 wurde das Gewerbe erstmals schriftlich erwähnt. Noch heute zeugen davon die Überreste von etwa 40 cases de neu (Schneehäusern) im Gebirge, viele davon rund um den Puig d’en Galileu, auf der Teilstrecke des Wanderwegs GR 211, die vom Kloster Lluc zum Stausee Cúber führt. Das ist kein Zufall: Es waren die nevaters (Schneesammler) selbst, die den spektakulären Trockensteinweg Camí de ses voltes d’en Galileu bauten. Irgendwie mussten die Eisblöcke ja ins Tal nach Palma gebracht werden, wo die meisten Abnehmer für das Eis residierten.

Beim ersten Schnee zogen die nevaters in kleine Steinbaracken nahe der Schneehäuser. Dann hieß es zupacken. Oft wochenlang schaufelten sie die weiße Pracht in die hoch angelegten Öffnungen. Schicht für Schicht wurde aufgefüllt, dann verdichteten die nevaters den Schnee, indem sie ihn mit den Füßen festtraten. Bevor die nächste Lage aufgeschüttet wurde, legten sie Schilf darauf, um einzelne Blöcke voneinander abzutrennen. So ging es weiter, bis der ganze Bau gefüllt war.

Durch einen ebenerdigen Zugang konnten dann die einzelnen Eisblöcke herausgeholt und über den Serpentinenweg nach Lluc gebracht werden. Von dort aus ging die Reise mit Eselskarren weiter nach Palma. In der Stadt riss man sich um die Blöcke: als Grundlage für Speiseeis, aber auch für medizinische Zwecke. Eine behördliche Anordnung von 1656 drohte sogar mit Strafen für den Verkauf von Eis außerhalb von Palma, solange die Hauptstadt nicht versorgt war. Erst als Anfang des 20. Jahrhunderts die erste Eisfabrik in Inca entstand, verlor sich das Traditionshandwerk der nevaters. Jetzt ließ sich Eis leichter und günstiger herstellen.

Die Dessert-Tradition

„Eis war auf Mallorca schon immer unentbehrlich“, sagt Tomeu Arbona. Er muss es wissen. Der Meisterbäcker der vielfach prämierten Bäckerei Fornet de la Soca in Palma de Mallorca sammelt seit vielen Jahren in alten Klostern, Herrenhäusern und Familienarchiven Rezepte, die die kulinarische Vergangenheit der Insel dokumentieren. Auch in seinem Buch „Repostería tradicional de Mallorca“ (traditionelle Nachspeisen auf Mallorca) hat das Eis einen hohen Stellenwert.

In den herrschaftlichen Häusern sei vor allem Mandeleis selbst hergestellt worden. Es gilt bis heute als die Mallorca-Sorte schlechthin. In Restaurants mit mallorquinischer Küche wird es üblicherweise mit gató (Mandelkuchen) serviert, früher habe man es aber ebenso oft mit ensaimada oder cuarts (ein Biskuit ähnlicher mallorquinischer Kuchen mit Kartoffelstärke) gegessen. „Wichtig war die Kombination mit einer der Teigspeisen. Das gehörte zum Abschluss eines guten Essens im Sommer einfach dazu“, sagt Arbona.

Je nach Saison sei auch Aprikosen- oder Erdbeereis auf den Tisch gekommen – man griff auf das zurück, was die Natur bot. „Die ärmere Bevölkerung gönnte sich ab und an etwas vom Eiswagen, Eisdielen gab es vor dem Aufkommen des Massentourismus kaum.“

Blick zurück in die jüngere Eis-Tradition der Insel, hier auf einem Mosaik von Gelats Valls. | FOTO: GELATS VALLS Gelats Valls

Das Arbeiter-Sorbet

Statt teurem Mandeleis griffen die Arbeiter auf eine günstigere Abwandlung, bestehend aus Milch, Zimt und Zitronenschale zurück. In Sa Pobla ist diese sorbetartige Mischung noch heute als aigua amb neu (Wasser mit Schnee) bekannt und beliebt, in Felanitx als fresque.

Eine weitere Variante namens llet freda (Kalte Milch) wird seit Anfang des 19. Jahrhunderts in der urigen Kneipe Can Patilla in Capdepera hergestellt. Das Familienrezept, das von der ganzen Insel Stammkunden anlockt, will Wirt Francisco Vives nicht verraten. Nur so viel: „Man muss die richtige Mischung aus Milch, Zimt, Zucker und Zitronenschale finden.“ Und natürlich genau den Punkt, an dem das Getränk den perfekten Zustand zwischen flüssig und gefroren erreicht hat.

Die Eisdielen

Über die Insel verteilt gibt es eine Handvoll Traditions-Eisdielen. Es sind heladerías (gelateria, kat.), die allen Einheimischen ein Begriff sind, vor denen man auch längere Schlangen in Kauf nimmt und die man als Ziele eines Stadtbummels oder Strandausflugs mit einbaut. Die woh bekanntesten und auch von MZ-Testern für gut befundenen unter diesen Eisdielen sind:

  • Ca’n Joan de S’Aigo, Palma

Hier darf sogar behauptet werden, dass man einst das Eis noch von den nevaters bezog. In dem im Jahr 1700 gegründeten Lokal im Carrer de Can Sanç mit zwei weiteren neueren Filialen wird das selbst hergestellte Eis in kleinen Gläsern serviert. Es gibt genau sieben Sorten, sie sind alle ein wenig süß, wie halt Tradition manchmal schmeckt, und die Stammgäste lassen sich dazu – richtig – ensaimadas und cuarts servieren.

  • Ca’n Miquel, Palma

Noch längst nicht so lange dabei, aber auch schon 40 Jahre auf den Buckel hat die 1979 gegründete Eisdiele Ca’n Miquel. Zur Institution wurde sie mit ihrem ersten Laden, direkt an der Einkaufsstraße Jaume III. Vor einigen Jahren zog man um in ein ganz in der Nähe gelegenes, verstecktes Gässchen, genügend Stammkunden hat man ja. Große Auswahl an auch ausgefallenen Eissorten, hervorragende Qualität dank vieler Zutaten von der Insel, Sitzmöglichkeiten für ein tendenziell etwas feineres Publikum.

  • Heladería Colonial, Colònia de Sant Jordi

Kein Besuch in dem Urlaubsort ohne Schlange stehen an der Gelateria Colonial. Mittlerweile in dritter Generation produziert man in der an ein Hostel angeschlossenen und 1969 gegründeten Eisdiele ebenfalls eine große Bandbreite – von leckerem Cremeeis über handgemachtes Eis am Stil bis hin zu Eisgebäck, Eiskonfekt und gewagten Kreationen aus karamellisiertem Sesam.

  • Gelats Valls, Playa de Muro, Ca’n Butxaca, Pollença

Genauso Kult wie die Gelateria Colonial war über Jahrzehnte die schon seit 1929 bestehende Eisfabrikation Gelats Valls in Pollença. Neben dem Geschäft im Ort war vor allem ein Kiosk in Port de Pollença eine wahre Gelddruckmaschine. Dann schaffte es wohl die missliebige Konkurrenz, das Rathaus zur Schließung des Kioskes zu bewegen, und die Eigentümerfamilie zerstritt sich heillos. Heute gibt es zwei Nachfolge-Eisdielen. Eine ist mit dem Namensrechten Gelats Valls an die Playa de Muro umgezogen, die andere verblieb in Pollença, unter dem neuen Namen Ca’n Butxaca und dem neuen Standort direkt an der Plaza. Mit ausgezeichneten Eissorten sowie auch granizados – Crushed Ice mit Zitronen- oder Orangensirup – lohnen beide gleichermaßen einen Abstecher.

  • Gelats Jop, Campos

Nicht zur Einkehr, aber zur Begutachtung im Supermarkt-Kühlregal und danach daheim sei auch noch Gelats Jop erwähnt. Der 1947 gegründete Eisfabrikant ist neben Fet a Sòller des deutschen Unternehmers Franz Kraus der einzige große Hersteller der Insel. Das Sortiment, das das mittelständische Unternehmen Gastronomen, Handel und Endverbrauchern anbietet, ist groß, der Verkaufsschlager aber hat einen Namen: „Der Klassiker ist und bleibt Mandeleis“, so Inhaber Jaume Pomar.

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Das Rezept

„Es lohnt sich, das Eismachen auch mal selbst auszuprobieren“, so der passionierte Gastronom Arbona. Für ein typisch mallorquinisches Mandeleis brauche es einen Liter Milch, 350 Gramm rohe oder geröstete Mandeln, die Schale einer Zitrone, einen halben Teelöffel Zimt und 300 Gramm Zucker. Alles pürieren und anfrieren. „Je nach Geschmack kann man auch entweder zwei Eigelb oder zwei Eiweiß hinzufügen.“ Selbst abwandeln und nach eigenem Gusto bereichern – auch das sei typisch für die mallorquinische Küche.