Jeden Tag, wenn Sabine Cardinahl zu ihrem Arbeitsplatz an der Meerespromenade von Sa Ràpita auf Mallorca fährt, ist sie dankbar, dort arbeiten zu dürfen. „Ich kann den ganzen Tag direkt aufs Meer schauen“, schwärmt die Hamburgerin. Mit dem Segelboot hatte sie schon seit 1994 immer wieder in dem örtlichen Yachthafen angelegt. Irgendwann stellte sie fest: „Hier fehlt eine Eisdiele. Die gelernte Küchenverkäuferin nahm die Sache selbst in die Hand, absolvierte Eislehrgänge, schaffte sich Eismaschinen an und eröffnete 2010 an der Avinguda de Miramar die Gelateria Cardinelli. Die Eisdiele ist zu einer Institution im Ferienort geworden. Über hundert Eissorten hat Cardinahl in all den Jahren kreiert. Darunter auch unkonventionelle wie Joghurt-Eis mit Rosenwasser.

Vergangenes Jahr hielten vor allem die Einheimischen den Betrieb am Laufen, nun kommen auch wieder mehr ausländische Strandspaziergänger vom nahen Es Trenc herüber. In guten Jahren haben Cardinahl und ihre Tochter bis zu sechs Mitarbeiter. Es ist ein reines Sommergeschäft. Dafür könne sie es sich erlauben, die Eisdiele von November bis Februar ganz zu schließen und Urlaub zu machen, so Cardinahl. „Ich bin dann ziemlich müde, das liegt wohl an meinem Alter“, erzählt die 65-Jährige. Ans Aufhören denkt sie trotzdem nicht. Dafür habe sie zu viel Liebe in ihr einziges Eisgeschäft gesteckt. „Ohne die geht es nicht. Wer allerdings viel Geld verdienen will, sollte lieber etwas anderes machen“, sagt sie.

Von der Terrasse der Eisdiele Cardinelli Sa Rápita aus schaut man direkt aufs Meer. Privat

Eisdiele als Zweitprojekt

Dass man von einer kleinen Eisdiele nicht unbedingt eine vierköpfige Familie ernähren kann, hat auch die Kölnerin Nathalie Korcz erfahren. „Der Standort ist das A und O“, so Korcz, die nahe Campos auch die Finca Can Corem betreibt. Gemeinsam mit ihrem Partner baute sie 2010 eine alte Garage an der Ortskern-Umgehung Ronda de Jaume II in Campos zur Eisdiele um. Obwohl es damals vor Ort keine anderen Anbieter von selbst gemachtem Eis gab, hielt sich ihr „Cor d’Estiu“ (Sommerherz) nur vier Jahre. Dabei war auch ihr mit gebrauchten italienischen Eismaschinen gemachtes Eis etwas Besonderes. Das Obst bezog sie vom nur wenige Meter entfernt gelegenen Agromart, zusammen mit ihrem Partner schuf sie daraus neben einem Basisbestand immer neue Sorten. „Doch egal, wie gut das Eis ist, eine Eisdiele in Campos bringt zwar dem Dorf einen Mehrwert, Geld kann man damit, wenn man Personal anstellen muss, aber nicht verdienen. Es ist eher eine Nullrunde. Läge die Eisdiele direkt am Strand, sähe das wohl anders aus“, so Korcz. Sie beschloss, sich wieder ganz auf ihr Landhotel zu konzentrieren.

Nah dran an den Touristen

Zwar ebenfalls in einem Dorf, aber dafür in dem Touristen-Dorf schlechthin, in Valldemossa, betreibt Bettina Bruckschen seit 2010 ihre Eisdiele Gelati Mossa. Die gelernte Hotelfachfrau und frühere Inselradio-Moderatorin eröffnete 2019 noch eine weitere Eisdiele an der Promenade von Port de Pollença, wo das Traditionsunternehmen Gelats Valls gerade die Segel gestrichen hatte. Sie habe damals gereizt, mit einem Produkt zu arbeiten, das Freude verbreitet, sagt die 51-Jährige Kölnerin. „Die Menschen kommen mit einem Lächeln rein und gehen mit einem noch größeren wieder raus.“

Endlich nicht nur am Mikrofon kommunizieren, sondern von Angesicht zu Angesicht – das war es, wonach sie sich nach ihrer Radio-Zeit sehnte. Schon mit 19 Jahren hatte sie in einer Eisdiele gearbeitet, um sich etwas dazuzuverdienen. Später wollte sie eigentlich nach Italien auswandern. Nun verbreitet sie italienische Lebensfreude unter mallorquinischen Bedingungen, wie sie sagt. Im Angebot sind nur Sorten aus natürlichen, möglichst lokalen Zutaten, die ihr auch selbst schmecken. „Ich würde zum Beispiel kein Johannisbroteis machen“, sagt sie. Auch auf Deko auf dem Eis verzichtet sie bewusst. „Zudem verwende ich so wenig Zucker, wie es geht, und es gibt immer auch eine Variante mit Süßstoff.“

Eismachen ist für sie eine Herzensangelegenheit, aber auch ihre Existenz. „Normalerweise funktioniert das gut, außer es gibt Entscheidungen, auf die ich keinen Einfluss habe, wie in der Pandemie“, erzählt Bruckschen. Um den Umsatzrückgang auszugleichen und den Betrieb aufrechtzuerhalten, habe sie die Ersparnisse der vergangenen zehn Jahre investieren müssen.

Seit 2010 in Valldemossa: Gelati Mossa. Privat

Die Karte erweitert

Mit Corona zu kämpfen hat auch Thomas Kownatzki in seiner Eisdiele Oso Polar (Eisbär) an der Meerespromenade von Can Pastilla. Im Sommer beschäftigt er eigentlich zwei oder drei Aushilfen. Derzeit schmeißt er den Laden allein mit seiner Partnerin Türkan Örnek. „Das ist eigentlich Wahnsinn“, so der Berliner. Der finanzielle Gedanke habe bei der Eröffnung eines Eisgeschäfts für ihn aber nie im Vordergrund gestanden. Als Mitarbeiter eines internationalen Software-Consulting-Unternehmens habe er früher deutlich mehr verdient als jetzt. Doch irgendwann wollte er nicht mehr nur am Computer sitzen oder ständig reisen.

Mit der Eröffnung der Eisdiele vor 15 Jahren ist er zumindest in die Fußstapfen seines Vaters getreten. „Er hatte, bis er über 70 Jahre alt war, ein Eiscafé in Berlin“, so Kownatzki. Dass er besonders in den vergangenen Monaten vor allem auf mallorquinisches Publikum und nicht nur Touristen angewiesen war, zeigt sich noch immer in der Eisvitrine: Hier finden sich auch Sorten wie „Leche merengada“ oder „Crema catalana“. Deutsche Kunden würden oft über seine große Auswahl an Eisbechern staunen. Auch die Strategie, nicht nur Eis, sondern auch Deftiges wie hausgemachte Mini-Pizzen, Tapas, Nudelgerichte oder Hamburger anzubieten, habe sich über die Jahre bewährt. Das sei eben das, wonach hungrige Touristen in einem Lokal in Strandnähe auch fragen.

Deutsche Eisträume

Expansion in die Supermärkte

Die Pandemie genutzt, um sein Eis auch in die Supermärkte der Insel zu bringen, hat Carlos Enríquez Sánchez von Iceberg. 2003 hatte der 49-Jährige mit seinem damaligen Geschäftspartner Christoph Ziegler in der Altstadt von Palma (Carrer Palau Reial, 3) eine erste Eisdiele eröffnet. Die Marke wurde gerade unter Deutschen schnell bekannt. „Anfangs waren wir sehr stark darauf fokussiert, weitere Filialen aufzumachen und zu betreiben“, erzählt Enríquez Sánchez, der über 30 Jahre lang in Deutschland gelebt hat. Doch die Personalführung gestaltete sich schwierig. Die Geschäftspartner änderten ihre Pläne, trennten sich schließlich. Christoph Ziegler ist mittlerweile mit einem neuen Eis-Projekt namens Murmui am Start.

Carlos Enríquez Sánchez produziert nun Eis für die beiden verbliebenen eigenen Filialen von seiner Schwester und ihm sowie für über 30 Franchise- und Lizenznehmer. Bis zur Pandemie belieferte Iceberg auch zahlreiche Gastro-Betriebe, ein Geschäft, das dann einbrach. Nun setzt Sánchez zusätzlich auf den Vertrieb über kleine und große Supermärkte. An der Qualität ändere sich dabei allerdings nichts, Grundzutaten seien ausschließlich frische Milch und Sahne, es werden kein Palmöl oder andere pflanzliche Fette verwendet.

Die Iceberg-Filiale im Carrer Palau Reial, 3. Bendgens

Die Eisfabrik

Höchste Qualitätsansprüche – das ist auch das, was Franz Kraus immer wieder betont. Wobei sich der rheinische Unternehmer und seine Frau Gabi Menz gar nicht so gern bei den deutschen Eisdielen eingereiht sehen. Als „Eisfabrikanten“ spielten sie mit ihrer Firma Sa Fàbrica de Gelats in einer anderen Liga, in der sehr viel strengere Auflagen gelten würden als bei den „Handwerkern“, so Kraus. Sa Fàbrica vertreibt das Eis – die Spezialität ist Zitruseis, hergestellt mit Zitronen und Orangen aus dem Tal von Sóller – auch über die Gastronomie, einige Supermärkte, den Online-Handel und den Export.

Das könnte Sie interessieren:

Wobei die beiden Unternehmer natürlich von den Sorgen und Nöten der kleineren Betriebe wissen. Schließlich waren auch bei ihnen die ersten Jahre der 1994 gegründeten „Eisfabrik“ in Sóller „sehr, sehr schwierig“. Die noch bekanntere Lebensmittel-Marke Fet a Sòller kam 1996 flankierend hinzu. Mallorca habe sich damals erst an höherwertiges, teureres Eis gewöhnen müssen, so der 63-jährige Kraus. Zudem wendet sich auch Sa Fàbrica de Gelats über drei eigene Filialen in Palma, Port de Sóller und Sóller an „Impulskäufer“ und vor allem Urlauber, also an jene, die in der Pandemie zeitweise so rar waren. „Wenn das Geschäft läuft und viele Leute auf der Insel sind, kann man auf Mallorca vier, fünf Monate lang gutes Geld verdienen – danach kann es aber auch sehr schnell kritisch werden“, sagt der Lebensmittel-Betriebswirt.

Die Eisfabrik Sa Fàbrica de Gelats in Sóller. Joan Mora