Anekdoten von unliebsamen Funden im Essen kennt jeder, in diesem Fall gibt sie der Mallorca-Wirt Branko Marinkovic gleich selbst zum Besten. Eine Frau war zusammen mit Freundinnen im Lokal des Bosniers eingekehrt, dem Bicho raro im Carrer Fàbrica in Palma de Mallorca. Marinkovic versuchte ohne Erfolg, sie beim Aufnehmen der Bestellung zu überreden, eines seiner leckeren Gerichte mit Mehlwürmern, Grillen oder Heuschrecken zu probieren.

Die Kundin blieb hartnäckig und bestellte patatas gajo, Kartoffeln in einer Sauce aus Petersilie, Knoblauch und Thymian, in der Version ohne Insekten. Als sie in dem Gericht dann trotzdem einen Mehlwurm fand, schrie sie auf und dachte zunächst, die Köchin hätte ihn ihr absichtlich untergemischt. Marinkovic erklärte ihr daraufhin, dass es sich selbstverständlich nur um ein Versehen handelte. Wenig später habe die Frau dann auch über den Vorfall lachen können. „Und zwei ihrer Freunde wollten die Gerichte mit den Tierchen dann doch probieren“, erinnert sich Marinkovic.

Ein seltsamer Vogel

Der Name des Lokals ist ein Wortspiel: Bicho heißt eigentlich Viech oder kleines Tier, ein bicho raro wäre im Deutschen ein seltsamer Vogel. Eröffnet hat der Gastronom sein Lokal im Juli dieses Jahres in Palmas Trendviertel Santa Catalina. Kurzzeitig war es aus gesundheitlichen Gründen geschlossen.

Seit dem 20. April ist es nun wieder geöffnet. „Ich wollte etwas Besonderes machen. Insekten waren zu diesem Zeitpunkt als Zukunftsnahrung zwar schon in aller Munde, es gab aber kaum Restaurants mit einem solchen Angebot – nur etwa in Amsterdam oder London“, so der 60-Jährige zu seiner Geschäftsidee.

Mittlerweile habe er schon Übung mit der ständigen Überzeugungsarbeit, er finde es aber immer auch ein bisschen schade, dass er manche Kunden erst von den Vorteilen der gesunden Insekten-Gerichte überzeugen müsse. „Manche essen sie eher als Mutprobe oder um sagen zu können, dass sie es mal gemacht haben. Alle, die sie allerdings tatsächlich probiert haben, waren immer begeistert“, verspricht Marinkovic. Ekel und Scheu seien schließlich reine Kopfsache.

"Trau dich, sei Teil der Zukunft"

Vor allem Spanier nahmen bisher im Lokal Platz. Auch mit dem Spruch „Trau dich, sei Teil der Zukunft“, der auf Spanisch an der liebevoll bemalten Wand am Eingang steht, will der Bosnier sie in sein Lokal locken.

Nicht erst drinnen fällt auf, wie viel Mühe er sich mit der Dekoration und der Einrichtung gemacht hat. In der hinteren Ecke steht „A falta de amor, otra cerveza por favor“ (deutsch: Wegen fehlender Liebe, noch ein Bier bitte). Die Stühle sind bunt. Wer genau hinschaut, entdeckt in der Wanddekoration Abbildungen von Heuschrecken. Auch darauf, dass sein Restaurant LGBT-freundlich ist, macht der Gastronom, der im Übrigen fließend Deutsch spricht, mehrfach aufmerksam.

Branko Marinkovic. Nele Bendgens

Zehn Jahre in Bielefeld

Bevor Marinkovic 2001 nach Mallorca kam, lebte er zehn Jahre lang nahe Bielefeld. „Ich hatte damals, 1991, schon im Gefühl, dass in Bosnien bald etwas Schlimmes passieren würde“, erinnert er sich an die Zeit in seiner Heimat. Noch bevor dort der Krieg ausbrach, zog er zu einer Gastfamilie, in der zuvor seine Schwester gelebt hatte. „Ich war davor nur ein paar Mal in Deutschland. Es war eine verrückte Idee“, so Marinkovic.

Nach Kriegsende 1995 seien viele seiner Landsleute wieder nach Bosnien abgeschoben worden. Er konnte vorerst bleiben, machte sein Abitur auf einem ausländischen Studienkolleg in Münster nach und begann, in Bielefeld deutsche Literatur, Pädagogik und Geschichte zu studieren. Obwohl er Deutschland liebe, habe er keine Perspektive gehabt, in Deutschland bleiben zu können. „Ich hatte keine Probleme, mich an die Lebensweise zu gewöhnen. Im Gegenteil: Mir waren Ordnung, Korrektheit und Ehrlichkeit schon immer wichtig“, so Marinkovic. Letztendlich zog er ein weiteres Mal einer seiner Schwestern nach, die bereits auf Mallorca lebte.

Wenn ein deutscher Kunde kommt, freut er sich besonders

Zu Deutschen habe er hier kaum Kontakt. „Wenn aber doch mal ein deutscher Kunde hereinkommt, freue ich mich besonders“, meint er und grinst. Und auch bei seinen verschiedenen Jobs auf der Insel in den vergangenen Jahren konnte er von den Sprachkenntnissen profitieren: Ob als Kellner in Port d’Andratx und Palma, als Rezeptionist bei Sixt oder in einer Arztpraxis in Cala Murada. An einem privaten Studienkolleg in Sóller gab er sogar Deutschunterricht. Auch war er 13 Jahre lang in verschiedene Positionen bei Air Berlin. „Nach der Pleite im November 2017 bin ich zu Thomas Cook. Doch auch da war nach einem Jahr Schluss“, so Marinkovic.

Jetzt also die Gastronomie. „Es ist ein Wagnis, aber ich glaube auch nicht, dass ich dafür 100 Jahre Erfahrung benötige. Oder doch?“, scherzt Marinkovic. Eigentlich sollten noch mehr exotische Gerichte auf seiner Speisekarte stehen, etwa Krokodilfleisch. Doch er wolle die Gaumen seiner Kunden langsam an die ungewohnten Gerichte heranführen. Wer sich erst mal zu Hause herantasten will, kann sich auch Grillen-Protein-Snacks in den Geschmäckern „Zimt & Zucker“, „Zitronenpfeffer“ oder „Barbecue“ mitnehmen.

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Und hungrige Gäste, die sich doch nicht überwinden können, dürfen sich auch über Zünftiges aus Deutschland freuen, Nürnberger Bratwürste etwa oder Reibekuchen.

Carrer Fàbrica, 51, Palma, Di.–Do. 9.30 bis 22.30 Uhr, Fr. & Sa. 10 bis 23 Uhr, So. & Mo. 10 bis 16 Uhr, bichoraropalma.com, FB: Bicho Raro Palma de Mallorca, bichoraropmi@gmail.com