Das Sortiment für die Marketing-Initiative ist schon fast vollständig. Es gibt Sticker mit dem neuen Logo Som Pagesos (Wir sind Bauern) in verschiedenen Größen zum Bekleben von Früchten, es gibt corbatas (wörtlich: Krawatten), das sind Etiketten-Anhänger für Netze mit Zwiebeln oder Kartoffeln, es gibt Strohhüte für Verkäufer. Geliefert werden müssen noch gewölbte Sticker für die Wassermelonen, eines der saisonalen Vorzeigeprodukte von Mallorcas Landwirten. Auf den riesigen Früchten soll die stilisierte Bäuerin mit dem typischen Kopftuch, die für das Logo ausgewählt wurde, schließlich faltenfrei zu erkennen sein.

Gegen Konkurrenz behaupten

Som Pagesos, das ist nicht eine weitere Marke für regionale Produkte, sondern die neue Dachmarke für landwirtschaftliche Erzeugnisse von Mallorca, unter der sich die wichtigsten und in Zukunft möglichst alle Hersteller von der Insel versammeln. Das Ziel: Tomaten, Auberginen oder Pfirsiche aus mallorquinischem Anbau sollen im Sortiment zahlreicher und sichtbarer vertreten sein, neben der bislang marktbeherrschenden Konkurrenz der Importe vom spanischen Festland sowie aus der weiten Welt. Dabei ist auf den Balearen sehr viel Luft nach oben: Auf Menorca macht die lokale Produktion zwölf Prozent des Konsums aus, auf der früheren Bauerninsel Ibiza weniger als drei Prozent, auf Mallorca sind es rund acht Prozent.

Chefstratege für das Unterfangen ist Toni Monjo, der Manager empfängt in Palmas Großmarkt Mercapalma. Das Fenster seines Büros im ersten Stock gibt den Blick frei auf eine große Lagerhalle, in der sich Paletten mit Mallorca-Produkten aneinanderreihen. Monjo kennt das Geschäft, kommt aber von außen: Früher war er mal Leiter des Großmarkts, zuletzt Manager für Banken und Tourismuskonzerne.

Die Initiative

Vier große Betriebe haben sich unter der neuen Marke zusammengefunden, auf die zusammen rund 80 Prozent der Obst- und Gemüseproduktion Mallorcas entfallen. Sie waren bislang Konkurrenten. Dass Terracor (Raum Manacor), Es Merca (Raum Porreres), Agromallorca (Raum Inca) und Agroilla (u.a. Ariany) jetzt gemeinsame Sache machen, sei vor allem einer Initiative des balearischen Landwirtschaftsministeriums zu verdanken, sagt Monjo.

„Als während Corona viele Supermarktregale leer blieben, setzte ein Bewusstseinswandel ein“, so der Manager. Zuvor war man an dem Tiefpunkt einer jahrzehntelangen Entwicklung angelangt, in der Mallorcas Landwirtschaft im Schatten des Tourismus an wirtschaftlicher Attraktivität und infolge der Globalisierung an Rentabilität verloren hatte. In der Pandemie dagegen wuchs wieder die Wertschätzung für Made in Mallorca, und die Streiks der Lkw-Fahrer, der Ukraine-Krieg sowie die Lieferschwierigkeiten tun ihr Übriges.

Trotz dieses neuen Umfelds haben Mallorcas Bauern aber einen entscheidenden Wettbewerbsnachteil: Sie produzieren zum Teil deutlich teurer als großflächige Betriebe auf dem spanischen Festland oder beispielsweise in Marokko. Man könne deswegen in der Regel nicht über den Preis konkurrieren, sondern nur über Qualität und Image, erklärt Monjo. Und deswegen sei auch der neue Markenauftritt so wichtig, den die Landesregierung nun über einen Zeitraum von zwei Jahren mit einer Subvention von 183.000 Euro fördert: Die Verbraucher sollen sich bewusst für die Insel-Erzeugnisse entscheiden.

Strohhut von Som Pagesos.

Feministische Botschaft

Der Griff ins Regal als Frage der Haltung und gesellschaftlichen Verantwortung. Die Botschaft: Man zahlt vielleicht ein bisschen mehr, stärkt aber die lokale Wirtschaft, erhält die traditionellen Sorten, entscheidet sich für ein Produkt mit kurzen Transportwegen und geringerem ökologischen Fußabdruck. Sogar eine feministische Botschaft steckt in der neuen Marke: Das Bild der Bäuerin als Hommage an die oft vergessene Rolle der Frau in der mallorquinischen Landwirtschaft.

Derzeit trifft sich Monjo mit Vertretern von Wirtschaftsstiftungen, Branchenverbänden und Supermarktketten. In deren Filialen werden nun Degustationen organisiert, eine Influencerin kocht mit Gemüse der neuen Marke, auch ein Werbespot läuft mehrfach täglich im Inselfernsehen und -radio. „Mallorca soll für seine Erzeugnisse langfristig so bekannt werden wie die Kanaren für ihre Banane“, so der Manager. Es gebe derzeit auch keine Supermarktkette, die Nein sage zu Mallorca-Produkten. Damit sei der Ball im Spielfeld der Kunden im Laden, die nun ganz bewusst zwischen den Insel- und Nicht-Insel-Produkten wählen könnten.

Rein in die Hotels

Komplizierter ist die Sache mit Restaurants und vor allem Hotels auf der Insel, die beim Einkauf meist allein auf den Preis schauten und Produkte importierten, wie Mallorcas Bauern kritisieren. Das neue balearische Tourismusgesetz, das jetzt in Kraft getreten ist, verdonnert die Hotelbranche erstmals zu einem Mindestanteil balearischer Produkte zwischen drei und fünf Prozent.

„30 Prozent Mindestanteil, das wäre eine Ansage gewesen“, sagt Monjo. Die neuen Vorgaben seien zwar ein Anfang, die Zweifel bei der Anwendung aber groß. Mit einem Inselwein auf der Karte und etwas Sobrassada oder Käse am Hotelbuffet seien die Vorgaben womöglich schon erfüllt. Und wie sollen die Regeln überhaupt kontrolliert werden, wenn sich die Inspektoren des balearischen Tourismusministeriums schon an der illegalen Ferienvermietung die Zähne ausbeißen?

Doch auch die Landwirte Mallorcas müssen lernen, an einem Strang zu ziehen. Zwar entfallen auf die bislang vier Betriebe der neuen Vermarktungsgemeinschaft rund 1.000 Hektar Anbaufläche und mehr als 600 Angestellte. Der gemeinsame Jahresumsatz wird auf 17 Millionen Euro geschätzt. Doch es fehlen eben noch die restlichen 20 Prozent der Branche, zum Beispiel auch die Marke Agromart.

Es gebe derzeit in Teilen der Branche noch eine abwartende Haltung, sagt Monjo. Umso wichtiger sei es jetzt, dass das neue Logo Som Pagesos so viel Verbreitung wie möglich finde – sei es als Aufkleber, Werbeaufsteller oder Hutband.

Made in Mallorca auch am Hotel-Buffet

Das vor Kurzem verabschiedete neue Tourismusgesetz auf den Balearen schreibt neben vielen anderen Dingen einen Mindestanteil von drei Prozent balearischer Produkte in den Hotels vor. Diese Quote gilt für Obst, Gemüse, Fisch und Fleisch gleichermaßen. In Vier- und Fünf-Sterne-Hotels müssen es vier Prozent sein, in Landhotels (Agroturismes) fünf Prozent. Wer die Marke von zehn Prozent erreicht, erhält ein Gütesiegel, über das sich aber noch ein runder Tisch einig werden muss.