Im Sommer 2013 schrieben wir über das Parr in Cala Ratjada: „Überraschung ist das Stichwort für die Kreationen von Álvaro Salazar.“ Nicht ganz so überraschend war, dass der Touristenort nicht die passende Location für das ambitionierte Restaurant mit Salazars raffinierten modernen Kreationen war. Es hielt somit nur eine Saison. Im Sommer 2015 fragten wir die Leser im Artikel über das Argos in Port de Pollença: „Haben Sie schon einmal marinierte Sardinenfilets auf Sardineneis gegessen? Es schmeckt köstlich anders.“ Im Jahresrückblick konstatierten wir: die beste Neueröffnung 2015.

Nächste Station: der erste Michelin-Stern, der im November 2016 für die 2017er-Ausgabe ans Argos ging. 2018 folgte die Auszeichnung der balearischen Kritikervereinigung als „Koch des Jahres“, und Salazar gewann den spanienweiten Wettbewerb Cocinero del Año. 2019 startete er mit dem Restaurant Voro im Park Hyatt Hotel. Die MZ schrieb: „Salazar kreiert Geschmacksexplosionen.“ Den zurückgelassenen Stern – diese verbleiben stets beim Restaurant – erhielt er direkt auch fürs Voro. Und nicht nur das: Salazar bekam 2021 (für die 2022er-Ausgabe) sogar seinen zweiten Michelin-Stern, als einziges Lokal auf Mallorca.

Original-Geschmack mit gänzlich ungewohnten Texturen

Genau diese Zwei-Sterne-Küche gilt es nun zu probieren. Das kleinere Menü Voro enthält 17 Stationen und kostet 140 Euro, beim großen Menü Devoro sind es noch fünf Stationen mehr, also insgesamt 22, zum Preis von 175 Euro. Im weltweiten Vergleich mit anderen Zwei-Sterne-Restaurants ist das übrigens ein Schnäppchen.

Von kleinen rein pflanzlichen Happen bis hin zu Avantgarde-Kreationen mit Fisch (Thunfisch, Sardinen, Makrele, Kaviar, Tintenfisch, Petersfisch), Meeresfrüchten (Hummer, Garnelen, Muscheln) und Fleisch (Ente, schwarzes Schwein, Rebhuhn, Rind, Lamm) ist alles dabei. Aber anders. Beispielsweise in Bezug auf die Textur. Da kommt die Ente nur in Form einer Ente und besteht aus einem Maiskeks, einem Mousse, dem auch Innereien des Tiers beigemischt sind und Entenleber.

Álvaro Salazar und seine „rechten Hände“ Sela Priego (li.) und Maria Cano. Nele Bendgens

Für den Gang „Coral marino“ wird ein Algen-Puffer-Keks mit Makrelenstückchen und kleinen Sphärifikationskügelchen, gefüllt mit Fischbrühe, zusammengesetzt. Beim Thunfisch-Gang, natürlich Thunfisch aus Almadraba-Fang in Andalusien, ist es eine Kombination aus Merengue, Trockenalgen und hauchdünnen Thunfisch-Bauch-Scheiben.

Der als „Bollito de porc negre“ annoncierte Gang ist eine Art chinesisches Bao-Brötchen-Kugel, gefüllt mit einem Mix aus Schweinefuß und Schweinefleisch, obenauf ein wenig Camaiot (spezielle mallorquinische Schweine-Brühwurst) und Trüffel. Ebenfalls in Kugelform und in gänzlich anderer Textur, aber mit dem Original-Geschmack kommt der traditionelle Tintenfisch-Kartoffel-Eintopf „Sepia a la bruta“ daher, der als Buñuelo-Teigbällchen, überzogen mit pulverisierten Shiso-Blättern, überzeugt.

Zwei-Sterne-Restaurant Voro auf Mallorca: Seit Jahren ein eingeschworenes Team

Auch die Kombinationen verblüffen, wobei nichts um des Effekts willen kombiniert wird, sondern alles Sinn und Aromen ergibt, wie etwa beim Ajoblanco-Mandelmousse mit einem Hauch von Olivenöl und einer feinen obersten Schicht von Kaviar. Fast schon Klassiker sind der Meeresfrüchtesalat, parfümiert mit Palo-cortado-Sherry, und das Kalbsbries mit Roter Bete.

Insgesamt nutzen Salazar und sein Team für das große Menü über 120 verschiedene Kochtechniken. Das Ganze ist das Werk von lediglich vier Köchen plus einer Patissière samt einem Küchenhelfer, denen man beim Arbeiten dank einer offenen Küche zusehen kann. In vergleichbaren Restaurants sind es im Normalfall die doppelte Anzahl von Köchen. Das geht nur gut, wenn man als Team perfekt funktioniert – und das nahezu auf allen Positionen und schon jahrelang, wie im Falle seiner rechten Hand Maria Cano oder der Patissière Sela Priego. Es ist eine eingeschworene Familie.

Im Inneren des Restaurants Voro Nele Bendgens

„Wenn ich über die neue Zusammensetzung der Menüs nachdenke, habe ich ab und an eine bereits ausgereifte Idee, die ich ausprobiere, und so wird es dann gemacht“, sagt der 36-Jährige. „Meist entwickeln wir jedoch Gerichte auf Basis meiner Idee weiter im Team.“ Salazar feilt bereits an der Entwicklung der Gerichte für die 2023er-Menüs. „Manchmal geht es schnell, aber manchmal gärt eine Idee auch jahrelang bis sie fertig ist, wie es bei dem Mandel-Kaviar-Gericht der Fall war.“

Was im Laufe der Jahre immer stärker durchschlägt, ist Salazars andalusische Herkunft, sei es in Form dortiger Produkte oder auch als Erinnerungen an andalusische Gerichte. Eine besondere Erwähnung verdient auch die Weinkarte oder besser gesagt, die Arbeit des Sommeliers Aritz Alfageme, dessen Weinbegleitung (90 Euro bei Voro, 120 Euro bei Devoro) perfekt die Aromen der Gerichte symbiotisch oder kontrastierend ergänzt und dabei auch Ungewöhnliches serviert wie Sherry, Sake, Weine aus dem Libanon oder alte Schätzchen.

Das Fazit: Ein erstaunlicher Abend mit 22 höchst unterschiedlichen Kreationen und Raffinesse, der beim Genießer für wunderbare Überraschungen und Wow-Effekte sorgt. Nicht vergessen: Maximal gibt es 24–30 Plätze, deshalb sollte man rechtzeitig reservieren.