Mallorca Zeitung

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Inselspezialität: Was die Mallorca-Tomate "Ramallet" so besonders macht

Die typischen Inseltomaten Ramallet haben ein besonders lange haltbares Fruchtfleisch mit intensivem Aroma. Doch die Sorte hat es schwer, sich gegen Hybride mit ihren hohen Erträgen durch zu setzen.

Ramallet-Tomaten Nele Bendgens

Manchmal geht es nicht ohne den Blick zurück: In den 80er-Jahren streute der Nachbar nahe seiner Mandelfelder die Samen für die Ramallet-Tomate aus. Nur ganz selten verwöhnte er sie mit Wasser, im Herbst brachte er die köstlichsten Tomaten ins Haus.

Er lagerte sie in der Speisekammer bis zum nächsten Sommer und nutzte sie monatelang für seine kargen Speisen. Zuerst schien es befremdlich, dass der ansonsten so sparsame Mann die Haut seiner Tomaten an die Hühner verfütterte, doch sie war durch die lange Lagerzeit hart, zäh und ungenießbar geworden.

Umso besser schmeckte dafür das Fruchtfleisch: süß, hochkonzentriert, nicht sehr saftig, aber mit genau der Menge Saft, die ein pa amb oli braucht, um das Tomatenaroma anzunehmen. Ab dann wurde diese Sorte auch bei den Deutschen im Nachbarhaus eine wichtige Zutat. Statt des italienischen Tomatenmarks brachte ab jetzt diese Tomatensorte das sommerliche Aroma in die Saucen.

Ramallet-Sorten haben eine besonders lange Lagerzeit. Nele Bendgens

„Früher wurden die Ramallets en secano kultiviert, also mit wenig oder ganz ohne Wasser“, berichtet Aina Socies von der Vereinigung der Gemüsezüchter Mallorcas (Varietats Locals). Eines der Zentren für den Anbau war Banyalbufar. Bis zum Spanischen Bürgerkrieg wurden von dort zwei Mal die Woche die in Körbe gelegte Zöpfe mit den Trockentomaten auf 45 Eselskarren nach Palma transportiert.

Oft eher gelblich, dicke Haut: an Schnüren befestigte Ramallet-Tomaten einer alten Sorte.

Oft eher gelblich, dicke Haut: an Schnüren befestigte Ramallet-Tomaten einer alten Sorte. Nele Bendgens

Alte Sorten

Die Erntenmengen waren im Vergleich zu heute sehr bescheiden. Seither ist die Nachfrage, auch im Vergleich zu den Zeiten, in denen der Nachbar seine Trockentomaten züchtete, enorm gestiegen. „Die Erträge der ohne Bewässerung im secano gereiften Ramallets sind heute viel zu gering“, erklärt Jaume Pou vom Unternehmen Agromallorca.

Trotzdem zieht er auf den Feldern in der Nähe von Selva die traditionelle Sorte mit den Samen von Varietats Locals und wenig Wasser. Dies ist wesentlich aufwendiger als der konventionelle Anbau, der Kilogramm-Preis steigt dann im Winter noch einmal, weil bei der Lagerung einzelne Tomaten verderben können und alle durch das Trocknen an Gewicht verlieren. Doch genau dieser Flüssigkeitsverlust während der Lagerung macht das konzentrierte Aroma der Tomate aus, gepaart mit sparsamer Bewässerung der Pflanzen.

Für Landwirte, die Felder biologisch bestellen und zu deren Nachhaltigkeitskonzept der sparsame Umgang mit Wasser gehört, ist der Anbau der Trockentomate interessant. Varietats Locals hat insgesamt sieben Ramallet-Sorten mit kürzerer oder langer Lagerzeit im Programm. Bei Agromart, so Socies, säe man die Samen von Varietats Locals aus. Zöpfe oder einzelne Tomaten aus dem Trockenanbau könne man auf den Biomärkten der Insel oder auf den Biohöfen kaufen, beispielsweise bei Sa Teulera in Petra und Manacor.

Die Konkurrenz: Die hybriden Ramallet-Sorten

Intensives Rosa, zarte Haut: eine Hybrid-Sorte. Nele Bendgens

Zurück zu Jaume Pou, der neben den klassischen Ramallets für Agromallorca hybride Ramallet-Sorten züchtet, die hohe Erträge garantieren. Die Pflanzen sind an Bewässerungsanlagen angeschlossen, geerntet wird im Sommer im Freiland, im Winter in den Gewächshäusern. Sie sind so groß wie die traditionelle Ramallet, doch die Haut ist dünner und das Fruchtfleisch zwar aromatisch, aber etwas wässriger. Ihre Haltbarkeit ist überschaubar. „Vor allem junge Konsumenten wollen jederzeit verfügbare und preiswerte Ware“, meint Pou. Sein Unternehmen beliefert Supermärkte, wie beispielsweise Mercadona.

Große Mengen produziert ebenfalls das Unternehmen Agrime Sat in Ariany. Drei Frauen nähen hier in einer Halle ganztags das ganze Jahr über hybride Ramallet-Tomaten zu Zöpfen.

Isabel Adrover vernäht immer ein Kilogramm zu einem Zopf. Nele Bendgens

Eine von ihnen ist Isabel Adrover aus Ariany, sie ist mit Fingerhut, Nadel und dünnem Faden zu Gange. Denn das Verb ihrer Tätigkeit ist im katalanischen enfilar, was eng mit dem Wort fil für Faden zusammenhängt. Die größte Tomate wird immer zuunterst an ihrem Strunk an ein dickeres Seil genäht. Danach folgt ein Paar gleich großer Tomaten. Jede Schnur trägt rund ein Kilogramm. Die Hybridtomaten von Agrime Sat werden an die großen Supermarktketten Mallorcas verkauft, unter anderen Eroski, über die Haltbarkeit gibt es keine genauen Angaben.

Es sei schwer für den Konsumenten, die verschiedenen Sorten auseinanderzuhalten, sagt Socies. Varietats Locals habe EU-Gelder für den Schutz der alten Sorten beantragt, die Auszahlung stünde kurz bevor. Sie befürchte nicht so sehr das Aussterben der traditionellen Ramallet-Tomate, sondern das kollektive Vergessen der Inselkultur mitsamt ihren unverwechselbaren Aromen.

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