Die Gruppe stapft einen schmalen Pfad im Wald entlang, zerstreut sich zwischen den Bäumen, der eine oder andere kraucht ins Unterholz. Nach einer Weile erschallen die ersten begeisterten Rufe aus dem dichten Grün. „Da ist einer!“ Es ist Pilzzeit, und wir sind mit einem deutschen Experten in den Wäldern rund um Orient unterwegs.

Kaum giftige Pilze auf Mallorca

Der Pilzreichtum auf Mallorca ist groß, die Rede ist von circa 1.500 katalogisierten Arten, davon sind über 200 essbar. Relativ wenige sind wirklich giftig. „Die meisten Probleme mit Pilzen tauchen auf, weil die verzehrten Pilze alt und verdorben waren und nicht, weil der falsche Pilz gegessen wurde – das passiert eher selten“, erklärt der Guide der Pilztour, Michael Korn. Der 40-jährige Deutsche lebt seit 20 Jahren auf Mallorca und verpflegt als gelernter Koch hauptberuflich die Gäste der Yoga-Finca Son Mola Vell in Son Macià.

Pilze sammeln mit Michael Korn

Pilze sammeln mit Michael Korn Bettina Neumann

Seine Leidenschaft aber gilt den Pilzen. Auch als Züchter. Er zieht Heilpilze wie Austernseitlinge, Reishi, Cordyceps, Shiitake und Hericium, die er an Privatpersonen, übers Internet oder auf der Pilzmesse in Mancor de la Vall verkauft. Als Kind nahm ihn sein Großvater regelmäßig zum Pilzesammeln mit, doch zur Zucht kam er eher zufällig: „Ich las einen Beitrag darüber, und der brachte den Stein ins Rollen.“

Wer wissen möchte, wie die Pilzzucht funktioniert, kann nach Absprache Michael Korns „Funghi Farm“ in Consell besuchen. Jetzt, in der Pilzsaison, die auf Mallorca bis Ende Januar andauert, bietet er auf anschauliche und unterhaltsame Weise Touren durch die Wälder bei Orient an: „Die Saison begann in diesem Jahr wegen der starken Trockenzeit sehr spät, aber nun, nachdem es ordentlich geregnet hat, ist die Zeit perfekt, um nach Pilzen zu suchen.“

Schon die halbe Pizza

Bevor es losgeht, zeigt Michael Korn in einem bereits gut gefüllten Korb, was sich in den dichten Steineichenwäldern der Tramuntana alles finden lässt: Zu den beliebtesten, da schmackhaftesten Pilzen zählen Blutreizker (esclata-sangs), Taubentäublinge (bolets blaves), Pfifferlinge (picornells) und Steinpilze (pixacà). Hinzu kommen der Butterpilz (pinetell de calceta), der einem Krause Glucke ähnelnde Korallenpilz (peu de rata gris) oder der Gemeine Riesenschirmling (paraigües). Letzterer wird auch parasol (Sonnenschirm) genannt und ist ausgewachsen ein sehr großer, stattlicher Pilz.

Der flache Pilzhut lässt sich nicht nur wie ein Schnitzel braten, sondern kann auch, so der Tipp vom Koch, als Basis für eine Pilz-Pizza dienen, wobei die große runde Kappe als Boden fungiert und mit Tomaten und Käse in den Ofen geschoben wird. Michael Korn macht auch auf die gesundheitsfördernden Inhaltsstoffe der Pilze aufmerksam. Ein Beispiel: Die meist an Todholz wachsenden und hübsch anzusehenden Schmetterlingstrameten (Trametes versicolor) seien eine wahre Quelle an Vitamin D. Ein Gramm dieses Baumpilzes enthalte so viel Vitamin D wie 900 Gramm Fleisch.

Worauf bei der Pilzsuche zu achten ist

Eine gewisse Pilzkenntnis beim Sammeln ist schon deswegen wichtig, um nicht den erstbesten Pilz einfach abzubrechen oder aus der Erde zu ziehen. Eindringlich macht Michael Korn auf die Kriterien aufmerksam, die anzeigen, ob es sich bei dem Fundstück um einen bekömmlichen Pilz handelt – oder eben nicht. Insbesondere schaut er auf die Farbe der Kappe und des Stiels: Sind diese einheitlich, kann das in den meisten Fällen ein gutes Zeichen sein, bei unterschiedlichen Farben lieber die Finger vom Pilz lassen. Wichtig sei auch, ob die Unterseite der Kappe einen Schwamm (meistens essbar) oder Lamellen vorweist.

Bei Unsicherheit kann die Konsistenz des Stieles herangezogen werden. Lässt sich der Stiel glatt durchschneiden oder brechen, ist das tendenziell ein Merkmal eines Speisepilzes, ist der Stiel hingegen faserig, ist der Pilz eher ungenießbar. Auch wenn eine Knolle am Stielende wächst, sei Vorsicht geboten. In Ausnahmefällen rät der Mykologe zu einer sehr vorsichtigen Geschmacksprobe, denn meistens lässt der Pilz durch einen bitteren oder adstringierenden Geschmack sofort wissen, wenn er nicht zum Verzehr geeignet ist.

Keine leicht erkennbaren Fliegenpilze

Auch als die ersten Pilze bei den Teilnehmern im Korb landen, schaut Michael Korn genau hin, ob es sich bei dem Champignon nicht aus Versehen um einen Knollenblätterpilz oder bei dem Gemeinen Riesenschirmling um einen Pantherpilz handelt, einer der wenigen wirklich giftigen Pilze. Erstaunlicherweise wachsen auf Mallorca keine leichthin erkennbaren Fliegenpilze, auf Menorca hingegen schon.

Mit seinem Wissen vermittelt der Pilzkenner nicht zuletzt großen Respekt vor dieser besonderen Lebensform. Die Pilze sollten noch vor Ort gereinigt werden, um keine Erde aus dem Wald zu tragen und die Weidenkörbe durchlässig sein, damit sich die Pilzsporen beim Transport verteilen können. „Die deutsche Sprache ist etwas ungenau und wir bezeichnen das gesamte Wesen als Pilz“, erklärt Michael Korn. Da sei die spanische Sprache genauer und unterscheide die setas (gewissermaßen die Fruchtkörper) von den hongos (dem ganzen Gebilde). Das meiste Pilzleben findet nicht oberirdisch, sondern unterirdisch statt, und die Pilze sind nicht nur untereinander, sondern auch mit den Bäumen gut vernetzt und im gegenseitigen Austausch.

Pilze mögen es frisch und kühl

Glücklich und mit ordentlich frischer Waldluft angereichert, ziehen wir nach knapp zwei Stunden mit unseren selbst gesammelten Schätzen, die beim Abschied von Michael Korn nochmals genau begutachtet werden, von dannen. Beeindruckend, wie viele verschiedene Pilze es in den hiesigen Wäldern gibt und gut, das untrainierte Pilzsuch-Auge mit einem Sachverständigen geschärft zu haben. Auch sind wir nun schlauer, was in diesen Zeiten an Pilzen auf dem Markt und im Supermarkt angeboten wird.

Vor allem ein gleich zu Anfang erteilter Ratschlag prägt sich ein: Pilze sollten wie Fleisch behandelt werden und grundsätzlich kühl gelagert und frisch verzehrt werden. Das gilt auch für die gekauften Champignons, von deren Rohverzehr der Pilzzüchter dringend abrät. Wir beherzigen das und nach sorgfältiger und trockener Reinigung unserer ansehnlichen Ausbeute genießen wir unbeschwert eine köstliche Pilzpfanne zum Mittagessen.