Mallorca Zeitung

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Faszination Calçots: Warum die Menschen auf Mallorca so gerne verkohlte Zwiebeln vom Grill essen

Guiem Colomar kultiviert in seinem Garten bei Santa Maria „calçots“. Die Zwiebelstangen sind eine ursprünglich katalanische Spezialität

Die Stangen werden gegrillt, bis sie verkohlt und gar sind. | Barbara Pohle

Was ist das Besondere an den Zwiebelstangen, die Mallorquiner und Katalanen calçots nennen? Was der Reiz an den Treffen in Restaurants oder Gärten zu einer calçotada ? Guiem Colomar (54) aus Santa Maria weiß die Antwort auf diese Fragen. Er zieht 15.000 dieser Zwiebeln pro Jahr in seinem Garten und auf einem Feld in der Nähe groß. Die Stangen wachsen bei ihm neben Wintergemüse und Salaten. Kunden pflücken selbst, kaufen im Bio-Hofladen ein oder bestellen bei ihm. Denn Colomar liefert in die Umgebung von Santa Maria und bis nach Palma aus.

Gemüse und Stangenzwiebeln wachsen ohne chemische Mittel, die Nährstoffe liefert der hauseigene Kompost. Der Mallorquiner arbeitete früher in anderen Berufen. Um dem Stress zu entgehen, stieg er auf den Bioanbau um. Seit zwei Jahren besitzt sein Betrieb S’Hort d’en Guiem das Ökosiegel des Inselrats.

Die Zwiebelsorte

„Calçots sind eine spezielle Zwiebelsorte“, erklärt er. Sie gehören zur botanischen Familie Allium cepa, die Samen stammen von der Sorte Blanca Tardana de Lleida. Bekannt für ihren Anbau sind der katalanische Ort Valls sowie die Umgebung von Tarragona, dort schützt sie die Europäische Union mit der geografischen Herkunftsbezeichnung IGP.

Was sie zudem von anderen Zwiebeln unterscheidet, ist der Umstand, dass die Sorte zwei Mal in die Erde kommt. In Santa Maria geht das so: An der Mauer des Gemüsegartens ist jetzt eine Kinderstube eingerichtet. Dicht an dicht stehen die Setzlinge nebeneinander, Colomar zieht einen aus der Erde, der wie eine Miniausgabe der Frühlingszwiebel aussieht. Sind die Setzlinge groß genug, kommen sie in die Beete und bilden in der Erde längliche weiße Zwiebeln. Bis zur Ernte vergehen zwei Monate. Nur einige wenige Zwiebelstangen bleiben für Blüte und Samengewinnung stehen. Die restlichen lagern im Sommer unter Dach.

Guiem Colomar bei der Arbeit. Nele Bendgens

Im September kommen die Mutterzwiebeln wieder in die Erde. Zunächst sitzen sie unbedeckt in ihren Pflanzgruben und werden bewässert, bis Niederschläge sie mit Feuchtigkeit versorgen. Und es passiert das, was sonst eher in Speisekammern zu sehen ist: Je nach Größe der Zwiebel bilden sie zwischen vier und zwölf Sprösslinge: die calçots.

Ab jetzt beginnt die Kultivierung, wie sie vom Spargelanbau bekannt ist. Sobald sich Triebe zeigen, wird darüber Erde aufgehäuft, was im Katalanischen calçar genannt wird und der Zwiebel ihren Namen gab. Die Pflanze muss möglichst lange im Dunkeln wachsen, denn so bleiben 15 bis 25 Zentimeter der Stange am unteren Ende hell, was die Süße und das Zarte beim Genuss der katalanischen Spezialität garantiert. „Früher wurden die Zwiebeln vor allem im Frühjahr verzehrt, heute ernten wir von November bis April“, sagt Colomar. In diesen Monaten finden auch die calçotades bei ihm im Garten statt.

Am offenen Feuer

Nach dem Besuch der Beete zeigt der Ökogärtner, wie er die calçots für Gruppen zubereitet. Traditionell wird das Zwiebelgericht häufig von Bodegas oder in ihrer Nähe zubereitet, deshalb verfeuert man den Rückschnitt der Rebstöcke. Hier im Garten stehen die trockenen Äste in handlichen Bündeln bereit. Jetzt gibt Colomar eines davon in ein Metallfass, das auf einem Gestell steht, wie man es von den Sant-Sebastià- und Sant-Antoni-Festen kennt. Die sofort lodernden Flammen werden mit einem Metallrost abgedeckt, auf ihn die Zwiebelstangen gelegt.

Da sich bei der calçotada viele Menschen um das Feuer versammeln, fädelt man die Stangen manchmal auf einen Draht oder bindet sie zu Bündeln zusammen. „Wenn ich sie aber einzeln aufs Feuer lege, gart jede so lang, wie sie es braucht“, sagt der Mallorquiner. Denn je dicker die Stange, desto länger brauche sie, bis sie gut schmeckt.

Nach kurzer Zeit ist die untere Hälfte der Stangen total verkohlt. Dann nimmt der Gemüsebauer mit den behandschuhten Händen die dünnste vom Rost und zeigt die Kunst des Calçot-Essens: Er prüft am unteren Ende, ob die Stange gar ist. Ist ein satter Schmatzer zu hören, ist es so weit, und Colomar zieht am grünen oberen Ende der Stange das Innere nach außen, hält aber weiterhin das verkohlte Ende fest in der Hand.

Die Sauce

Die Sauce: Tomaten, Paprika, Knoblauch, Mandeln und Haselnüsse. |

Die Sauce, auf Katalanisch salvitxada genannt, steht schon bereit. Zubereitet wurde sie aus gerösteten Tomaten, Tap-de-cortí-Paprikaschoten, Knoblauch, Mandeln, Haselnüssen und Olivenöl. Das dampfende Innere der Stange riecht verführerisch nach Rauch und Zwiebel. In die Sauce getunkt schmeckt es süß, die Konsistenz ist zart und erinnert an Spargel. Jetzt fehlen nur noch ein paar Menschen, die einen Latz umgebunden haben und mit Rotwein anstoßen. Doch dann fällt Colomar plötzlich ein, dass er glatt vergessen hat, die calçots, damit sie heiß bleiben, in mehrere Schichten Zeitungspapier zu wickeln und sie auf einem Dachziegel aus Ton zu servieren.

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