Mallorca Zeitung

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Als der Wein auf Mallorca noch Lebens- und nicht Genussmittel war

Es Sindicat in Felanitx ist Teil der Industriegeschichte Mallorcas. Luis Armero heuerte mit nur 22 Jahren bei der Genossenschaft an. Erinnerungen an eine Zeit, als der Wein noch Lebens- und nicht Genussmittel war

Luis Armero arbeitet immer noch als Önologe, inzwischen allerdings für seine eigene Bodega namens Armero i Adrover. | FOTO: PERE JOAN OLIVER

Als Luis Armero 1982 das Gebäude der Weinkellerei-Genossenschaft in Felanitx betrat, fühlte er sich wie in einem Traum. Es Sindicat war 1922 eröffnet worden, aber auch in den 80ern noch seiner Zeit voraus. „Wer heute viel Geld hat, baut komplizierte Installationen, um Weintrauben und Maische mit natürlicher Schwerkraft von einem Behälter in den nächsten zu befördern“, erklärt der Önologe. „Es Sindicat hatte schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein solches System.“ Die Genossenschaft (auf Katalanisch: sindicat) war 1913 gegründet worden, es war die ehrgeizige Idee des Agraringenieurs Ernesto Mestre. Weinbauern aus der gesamten Gegend brachten ihre Trauben in die Genossenschafts-Kellerei, wo sie zu Wein verarbeitet und verkauft wurden.

Inzwischen ist Es Sindicat schon lange Geschichte, das gewaltige Gebäude eine Ruine. Als Luis Armero 1982 dort als Önologe zu arbeiten begann, waren die Probleme der Genossenschaft schon offensichtlich. Es fehlte an Geld, die Ausrüstung war veraltet. Manche Weinbauern wollten investieren, andere kein Geld ausgeben. „Ich war erst 22 Jahre alt, merkte aber sofort, dass hier eine riesige Herausforderung auf mich wartete“, erzählt Armero.

System bei Es Sindat umgekrempelt

Als er ankam, hatte keiner eine Übersicht darüber, wie viel Wein wo gelagert war. Also machte sich Armero daran, zu verkosten und zu katalogisieren. Das Ergebnis war ernüchternd: Sehr viel Wein hatte eine schlechte Qualität, musste teils sogar entsorgt werden. Armero entschloss sich, das System umzukrempeln. Statt dass die Winzer ihre Trauben jederzeit bringen konnten, führte er während der folgenden Erntesaison Obergrenzen pro Tag und Lieferzeiten ein. So lagen die Trauben nicht zu lange ungekühlt im Sindicat-Gebäude. Außerdem sollten die Weinbauern je nach Tag Trauben mit spezifischem Zuckergehalt liefern. Auch das trug zu einer gewissen Ordnung bei. „Wir mussten ziemlich erfinderisch sein“, erinnert sich Armero.

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Das Ergebnis war schnell zu sehen: In den vier Jahren, in denen er in der Genossenschaft arbeitete, steigerten sich die Verkaufszahlen von 300.000 auf bis zu zwei Millionen Flaschen. Auch die Qualität des Weines wurde besser. „Wobei Wein damals ein Nahrungsmittel war, nicht wie heute ein Genussmittel“, sagt Armero. 1986 verließ er Es Sindicat für eine andere Arbeit. Keiner der Nachfolger blieb lange. Die Probleme der Genossenschaft wurden immer schlimmer und mündeten in der Insolvenz. 1991 war der Traum von der gemeinsamen Bodega vorbei, Es Sindicat schloss seine Pforten. Eine Wiedereröffnung als Kunstzentrum ist seit Jahren geplant, kommt aber kaum voran.

Seit 1992 eine eigene Bodega auf Mallorca

Ein Jahr nach dem Ende von Es Sindicat eröffnete Luis Armero mit seiner Frau eine eigene Bodega, Armero i Adrover, ebenfalls in Felanitx. Hier geht er bis heute seiner Arbeit als Önologe nach. Statt sieben Millionen Kilo Trauben, die er in Es Sindicat verarbeitete, nutzt der 62-Jährige nun 90.000 Kilo von den 15 Hektar, die sein Sohn Lluis für ihn bewirtschaftet. Auf den Feldern baut Armero die Rebsorten Callet, Cabernet, Merlot und Syrah für Rotwein sowie Vinyet, Chardonnay, Prensal, Giró und Macabeo für Weißwein an. Zusätzlich kauft die Bodega Trauben hinzu. Das soll sich in einigen Jahren erübrigen, wenn die Reben auf weiteren fünf Hektar Früchte tragen.

Armeros Tochter Xisca arbeitet in der Bodega und unterstützt ihren Vater. Vielleicht wegen seiner Erfahrung mit dem Chaos der Genossenschaft hat Luis Armero die Angewohnheit, seinen Wein sehr genau zu protokollieren. Jedes Fass mit französischer Eiche, in denen die Rebsorten getrennt voneinander reifen, hat eine eigene Datei. Darin werden die Eigenschaften des Weines festgehalten.

Das Ergebnis sind Weine, denen man Perfektionismus anmerkt. Armero i Adrover hat drei Rotweine, einen Rosé und einen Weißwein im Angebot. Luis und seine Tochter experimentieren aber gerne, sodass sich die Auswahl stets ändert. Zu kaufen gibt es die Weine (9–25 Euro) bei der Bodega selbst und bei mehreren Weinhandlungen auf der Insel.

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