Rechts das Hostal Gami, links der ausladende Pinienplatz. Bänke sind zu sehen, die Stämme der Schatten spendenden Aleppo-Kiefern, sogar die Markisen der Bar auf der anderen Straßenseite und die gelbe Markierung für Taxifahrer auf dem Asphalt. Das Zentrum von Cala Ratjadaauf Mallorca mag ein wenig grobpixelig erscheinen in der virtuellen Ansicht. Doch hinter dem digitalen Nachbau steckt ein enormer Aufwand. Jens Paul überschlägt im Kopf. „Wir kommen wohl auf 4.000 Stunden Bauzeit", sagt der 49-jährige Wolfsburger. Und das ist erst der Anfang.

Denn Corona hat es nicht geschafft, den eingefleischten Cala-Ratjada-Fan und seinen elfjährigen Neffen Leandro von ihrem Lieblingsurlaubsort fernzuhalten. „Wenn wir schon nicht hinfliegen können, bauen wir uns Cala Ratjada eben nach", dachten sich die ­beiden im November vergangenen Jahres. Seitdem kommen sie online immer wieder zusammen, um den Urlaubsort im Kreativ­modus des Videospiels Minecraft auszubauen. "Map" nennt man die dort erstellten Welten. Im Internet finden sich gewaltige Nachbauten von Manhattan oder Paris. „Aber eine Cala-Ratjada-Map gab es bisher meines Wissens noch nicht", sagt Paul.

Der VW-Mitarbeiter ist seit 2002 mindestens zwei oder drei Mal jährlich als Urlauber in Mallorcas nordöstlichstem Küstenort anzutreffen. Teils allein, teils mit seinem Sohn Miguel (22), der sich seinem Vater und seinem Cousin beim Minecraft angeschlossen hat. „Minecraft funktioniert wie ein alter Lego-Baukasten. Man braucht keine Programmier-Kenntnisse, es ist kinderleicht", sagt Jens Paul.

Zumindest in der Theorie. Denn das Spiel - bei dem man neben dem Kreativmodus auch in den Überlebensmodus wechseln und sich dann in vorgegebenen Welten mit kleinen ­grünen Monstern herumplagen kann - bietet ungezählte Möglichkeiten, um eine neue Welt zu schaffen. „Man kann Sand anhäufen, Wasserflächen anlegen, es gibt Stahl-, Holz-, und Betonblöcke...", beginnt Jens Paul aufzuzählen. Wobei, wer etwas Reales abbilden möchte all dies dann richtig proportionieren muss. „Leider haben wir den Pinienplatz ein wenig zu lang angelegt", ärgert sich Jens Paul etwas.

Wenn man so perfektionistisch ist wie die drei Mallorca-Fans, dann wollen auch die kleinsten Details nachgeahmt werden. Jedes Zäunchen, jedes Fenster und jede noch so kleine Luke wird auf der Cala-Ratjada-Map der Deutschen abgebildet. So realitätsgetreu, wie es das Programm erlaubt. „Letztlich ist dann doch fast alles Handarbeit, und man kommt sich irgendwann vor wie ein Bauarbeiter", scherzt Jens Paul.

Jens, Leandro und Miguel orientieren sich an Fotos von Google-Streetview - wobei diese Bilder nicht immer ausreichen. „Mein Neffe hat schon angemerkt, dass man einige Details nicht so genau erkennen kann, vor allem in der Gegend um den Hafen." Leandro wolle beim nächsten Urlaub selbst Umgebungsfotos machen, die später als Vorlage dienen können.

Die drei arbeiten jeweils mit zwei Bildschirmen und sind beim Minecraft stets über ein Videokonferenzprogramm und Headsets miteinander verbunden. Dass dabei jeder in seiner eigenen Wohnung sitzt, vergesse man schnell, sagt Jens Paul. Ende Juli ist es hoffentlich wieder so weit, dass sie auch in echt zusammenkommen. Auf Mallorca.

„Wenn man sich so lange digital mit dem Ort beschäftigt, bekommt man irgendwann einen ganz anderen Blick darauf", erzählt Jens Paul. Sattsehen werde er sich daran aber wohl nie. „Klar zieht es einen mit den Jahren auch mal an andere Urlaubsziele, aber Cala Ratjada gehört einfach zur Jahresplanung dazu."

Erste Eindrücke der noch unfertigen Cala-Ratjada-Map gibt?s auf bit.ly/Nachbildung