Mallorca ist eben doch ein Teil von Deutschland. Was für viele Ballermann-Urlauber ohnehin schon lange feststeht, ist auch erdgeschichtlich nicht von der Hand zu weisen. Gesteinsschichten etwa, die man in der Schwäbischen Alb oder im Nordschwarzwald antrifft, finden sich auch auf der Mittelmeerinsel wieder, wie die beiden deutschen Geologen Monika Huch und ihr inzwischen verstorbener Mann Franz Tessensohn 2013 in ihrem Buch „Wanderungen in die Erdgeschichte. Mallorca“ festgestellt haben. Demnach unterscheidet sich die Insel geologisch nur in Details von Südwestdeutschland. 

Die Erklärung dafür ist simpel: Die heutige Insel lag ursprünglich auf der Verlängerung der Betischen Kordillere, die in der Trias (vor etwa 250 bis 200 Millionen Jahren) mit Mitteleuropa verbunden war. Von der gemeinsamen Zeit zeugt auf Mallorca heute noch die sogenannte germanische Triasabfolge mit Buntsandstein, Muschelkalk und Keuper.

Zum 10. Jahrestag der Ernennung der Tramuntana zum Welterbe hat sich die MZ näher angeschaut, wie das Gebirge an der Nordseite der Insel mit einer Breite von rund 15 Kilometern und einer Länge von 89 Kilometern entstanden ist und welche Gesteine vorrangig auffindbar sind. Monika Huch hat darauf eine eindeutige Antwort: „Vereinfacht ausgedrückt besteht nahezu das gesamte Gebirge aus Kalkstein, vor allem sind es Karbonatgesteine aus der Trias- und der Jura-Zeit.“ Wobei Karbonatgestein nicht zwingend Kalkstein sein muss, es ist vielmehr ein Überbegriff für Gesteine, die durch Mineralisierung entstanden sind. Buntsandstein und Keuper hingegen, die anderen beiden Bestandteile der germanischen Triasabfolge, kommen weder im Gebirge noch im Rest der Insel besonders häufig vor. 

Obwohl es für uns heute den Anschein hat, ist die Gesteinsbildung keineswegs abgeschlossen - die Schichten sind in Bewegung. Immerhin liegt Mallorca im Spannungsfeld der afrikanischen und der europäischen Platte. Vor etwa 24 bis 15 Millionen Jahren schob sich die afrikanische Platte unter die europäische und drückte die abgelagertenSedimente in die Höhe. Dadurch wurde die Tethys, die Urahnin des heutigen Mittelmeers, zusammengestaucht, die Gesteinsschichten türmten sich übereinander auf. Das Tramuntana-Gebirge begann sich bereits unter dem Meeresspiegel zu bilden. Es erreichte zwischenzeitlich Höhen, von denen es heute weit entfernt ist. Bis zu 2.000 Meter hoch waren die Berge derTramuntana zeitweise. Heute misst der Puig Major als höchster Gipfel 1.445 Meter. Die Erosion sorgte dann dafür, dass die heutigen Gipfel deutlich niedriger sind. Sie war es auch, die das scharfkantige Relief der Gebirgslandschaft mitformte. 

Doch wie kam es überhaupt zur Bildung der Landmasse? Der Kalkstein entstand über Jahrmillionen vor allem aus den Ablagerungen der Reste toter Meerestiere, erklärt Pedro Robledo, der Chef des spanischen Geologie-Instituts auf den Balearen und promovierter Geograf. „Und nach und nach verwandelten sich diese Reste von Muscheln und anderen Schalentieren mithilfe von Bakterien in Gestein“, sagt Robledo. Auf Mallorca wurden zahlreiche Meeresfossilien, wie etwa auch Ammoniten, gefunden. Unter anderem auch auf den Gipfeln der Tramuntana, weil über Millionen von Jahren immer wieder Hebe- und Senkbewegungen das Gebiet des heutigen Mallorca mal über, mal unter den Meeresspiegel drückten. Zu dieser Zeit gab es die Insel nämlich noch nicht. Sie nahm erst vor rund zehn Millionen Jahren ihre Form an. 

Die Serra de Tramuntana setzt sich laut Robledo aus zwei Teilen zusammen: einem südlichen und einem nördlichen. Im Norden rund um Formentor und im Zentrum in der Gegend von Lluc sei die Struktur sehr viel vertikaler als im Süden. „Es gibt sehr steile Wände, im Süden sind die Felswände deutlich weniger akzentuiert, mit Ausnahmen wie dem Puig de Galatzó oder auch den Bergen von Alaró.“ 

Eine Besonderheit des Gebirges seien die torrents, die Sturzbäche, die das Regenwasser aus dem Gebirge ins Mittelmeer befördern. Auch diese seien aufgrund der Beschaffenheit der Berge im Nordteil der Tramuntana deutlich steiler als im Süden und deshalb bei Sportlern bekannter, so etwa der Torrent de Pareis oder der Torrent de Mortitx. Weil sich das Kalkgestein bei Kontakt mit Wasser schnell zersetzt, gibt es im Gebirge zahlreiche Höhlen, so Robledo. Beeindruckend sei vor allem die Sima del Mamut nahe dem Puig Major. „In einer Höhe von tausend Metern über dem Meeresspiegel reicht diese vertikale Höhle bis zu 200 Meter in die Tiefe.“ 

Obwohl das Gebirge vom Kalkstein dominiert wird, gibt es auch Ausnahmen, wie Monika Huch und Franz Tessensohn in ihrem Buch erklären. So entdeckte das Ehepaar etwa bei einer ihrer Exkursionen auf einer Insel nahe des Coll dels Reis an der Abfahrt nach Sa Calobra Kalkfelsen, die gar nicht wirklich aus Kalk bestanden, sondern aus „einem Konglomerat, dicht gepackt aus braunen Sandstein- und grauen Kalkgeröllen in einer kalkigen Grundmasse“. Und vereinzelt ist sehr wohl auch Buntsandstein zu finden. 

Und noch eine Besonderheit weisen die Gipfel der Serra de Tramuntana auf, so beispielsweise der Puig Major. Seine Erhebung ist aus verschiedenen Schichten aufgebaut, die schräg übereinanderliegen, aber nicht chronologisch in ihrer Abfolge sind. So türmen sich am Gipfel von Mallorcas höchstem Berg insgesamt fünf Schichten aus dem Lias, immer wieder durchsetzt von drei Schichten aus dem Rhät. Pedro Robledo macht beimVersuch, dieses Phänomen zu erklären, einen Exkurs in die Küche. „Das ist wie bei einem Hackfleischbällchen, das sie in die Pfanne legen und dann wenden.Plötzlich liegt die untere Schicht oben.“ Auch im Gebirge sei es durch die Bewegung der Erdplatten zu derartigen Umwälzungen gekommen, sodass schließlich eine ältere Schicht über einer jüngeren lag.