Eine leichte Brise umspielt die langen, blonden Haare, dann Bilder der Wellen, die ans Ufer plätschern und eine Nahaufnahme der blauen Augen. Es fällt schwer, sich nicht in Maria Hein zu verlieben, wenn man sie in den Musikvideos in den sozialen Netzwerken sieht. Sie strahlt natürliche Schönheit aus, ungeschminkt, authentisch, unaufgeregt. So ganz anders als viele andere ihrer Generation, die auf Youtube, Instagram und Co. mit Prunk und Krach um die Gunst der Nutzer buhlen. Und dann ist da ihre Musik: einfühlsam, ruhig, intensiv. „Mediterraner Pop“, nennt Maria Hein das Genre. Überhaupt ist die Künstlerin aufs Engste mit Mallorca verbunden. Und Mallorca mit ihr. In den vergangenen Monaten hat die Deutsch-Mallorquinerin einen beachtenswerten Aufstieg in der lokalen Musikszene hingelegt. Dabei ist sie doch erst 17.

Ein persönliches Treffen mit der Künstlerin zeigt: Die Kameras haben nicht gelogen. Maria Hein ist live nicht weniger interessant. Sie ist keine Diva, und auch kein unentwegt plappernder Teenager. Sie ist eine junge Frau, die dabei ist, ihren Traum zu verwirklichen. Zurückhaltend, aber zielstrebig. Einen Traum, den sie schon lange hegt. „Ich wollte bereits mit fünf Jahren Popstar werden. Musik hat mein Leben bestimmt“, sagt sie im MZ-Interview in Portocolom. Hier ist sie aufgewachsen, hier lernte sie erst Klavier, dann Gitarre. Und hier begann sie vor zwei Jahren, selbst Songs zu komponieren.

Früher Schicksalsschlag

„Mein Vater war Deutscher“, sagt Maria Hein. Sie war elf, als er starb. In ihrer Kindheit redete er mit ihr Deutsch. Sie verstehe die Sprache noch immer, habe aber keine Übung darin. Mehr will sie über ihn nicht preisgeben. Doch die Verbundenheit ist greifbar. So sehr sie sich als Mallorquinerin fühlt: Ihr deutscher Nachname rundet den Künstlernamen ab. Puig, den zweiten Nachnamen – den ihrer mallorquinischen Mutter – lässt sie weg, wenn sie auf der Bühne steht. Die Musik habe ihr auch damals, in der ersten Trauer, geholfen. Und tut es bis heute. „Die Texte meiner Lieder sind nicht zu hundert Prozent autobiografisch, aber in ihnen verarbeite ich doch viele Erfahrungen und Gefühle.“ Unsicherheiten, Begegnungen mit Menschen, Trennungen.

Gar nicht so leicht, sich mit solch persönlichen Inhalten auf die große Bühne zu wagen. „Reden liegt mir weniger, aber wenn ich spiele und singe, vergesse ich das Publikum“, sagt Maria Hein. Das durfte sie in den vergangenen Monaten immer wieder erleben. Ihr erstes Konzert gab sie 2019 im kleinen Rahmen in Felanitx. Nach dem Corona-Jahr 2020 ging es 2021 rasant weiter. Auf dem Mallorca Live Festival spielte die frisch gebackene Abiturientin im Juni vor 2.000 Menschen. Auch auf dem Mobo Fest und bei Palmas Fira del Llibre kamen Hunderte Zuschauer zusammen. Nicht zu vergessen zahlreiche Auftritte auf Dorffeiern und örtlichen Kulturveranstaltungen. Immer wieder bekäme sie neue Anfragen. Wohl auch weil lokale Radiosender die Newcomerin für sich entdeckt haben. Dabei ist ihr erstes Album noch gar nicht auf dem Markt.

Auch das mit dem Plattenvertrag war so ein Selbstläufer. Bis dato versuchte Hein, über die sozialen Medien und Spotify ihre Musik zu verbreiten. „Vergangenes Jahr reichte ich dann zwei Songs bei einem Liederwettbewerb ein.“ Sie gewann nicht, dafür kontaktierten sie aber Mitarbeiterinnen der Agentur Pértiga Music, eine ausschließlich von Frauen betriebene Plattenfirma in Barcelona. Sie boten an, sie unter dem Label Hidden Track Records zu vermarkten. „Wir verliebten uns umgehend in sie, sie ist der Traum eines jeden Managers, sie hat Kompositionstalent, eine göttliche Stimme und vor allem sehr viel Spaß an der Musik“, begründet die Verantwortliche Louise Sansom auf MZ-Anfrage. Natürlich willigte Maria Hein ein. „Sie gehen sehr gut mit mir um, machen Vorschläge, aber lassen mich bei allem mitentscheiden“, so Hein.

Das Musikvideo zur Single „Es teus ulls davant la mar“ wurde – anders als bei den ersten Clips „Idò un cafè“ und „No te veig“, die ein Freund produzierte – denn auch gleich mit Profis vom Festland gedreht. Diesmal mit Schminke, aber wieder in Portocolom, mit Mallorca als würdiger Kulisse. „Ich habe das Glück, dass es keinen Konflikt gibt zwischen meinem künstlerischen Bestreben und dem, was sich verkaufen lässt.“

Und das ist irgendwie verwunderlich, irgendwie aber auch nicht. Ihre Musik baut Brücken zwischen den Generationen. Von Heins Cousins im Grundschulalter bis hin zur Großmutter kann jeder etwas mit der Musik anfangen. Sie ist klar, nicht zu schrill, nicht zu schräg und fast ausschließlich auf Katalanisch verfasst. „Musik, die man beim Autofahren hören kann, und die einen irgendwie aufbaut“, findet Hein selbst. Auch ihre eigenen Altersgenossen spricht sie an. Zumindest jene, die wie sie an Mallorca und seinen Traditionen hängen. Und das sind nicht wenige.

Nur in einem Lied auf dem Album, das im Oktober endlich erscheinen soll, singe sie teilweise auf Deutsch. „Es ist für meinen Vater“, sagt sie schlicht. Für den deutschen Teil in ihr, den sie zwar nicht richtig beschreiben kann, der aber doch immer da sein werde. Der auch ihr Aussehen bestimmt, und wegen dem sie schon mehrmals von Einheimischen plump als guiri abgestempelt wurde. „Diese Verschlossenheit der Mallorquiner ist das Einzige, was ich an ihnen wirklich nicht mag.“

Bald wird sie all das hinter sich lassen. Ab September beginnt Hein ihr Musikstudium in Barcelona. Im Oktober wird sie volljährig, das Leben steht ihr offen. „Barcelona gehört ja auch zum Mittelmeerraum“, betont Hein. „In Madrid zu leben wäre für mich unvorstellbar.“ Das WG-Zimmer ist schon gemietet, die Uni-Zusage eingetroffen, sogar ein paar Auftritte in der großen Stadt sind bereits organisiert.

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Natürlich habe ich Angst. Davor, dass ich es doch nicht schaffe, von der Musik leben zu können. Dass ich mich dort nicht durchsetzen werde. Aber ich will es auf jeden Fall versuchen“, sagt Maria Hein. Auch ihre Mutter mache sich Sorgen, unterstütze sie aber. Immerhin ist ihre Plattenfirma dann ganz nah bei, und an der Hochschule will Hein ihr Können professionalisieren, vor allem im Genre Jazzmusik. Nicht gerade die schlechtesten Voraussetzungen. Und sonst ist da ja immer noch Mallorca.

Ihr vorerst letzter Auftritt auf der Insel steht am Sonntag (22.8.) beim Festival d’Estiu Bunyola amb Veu de Dona in Bunyola an. Ein Abschied. Zumindest vorerst.