Da war der Verwaltungsmitarbeiter, der auf Mallorca von zu Hause aus arbeitete. Jede Stunde verließ er für etwa 20 Minuten sein Haus, scheinbar, um seinen Hund auszuführen. Dabei ging er immer wieder in den Park und rauchte einen Joint, während er eigentlich zu Hause am Computer sitzen sollte. „Er hat mir schon fast ein bisschen leidgetan, da er immer allein unterwegs war“, erzählt Juan V. Cruz, der seit 15 Jahren als Privatdetektiv bei Detectives Garbo arbeitet.

Juan Carlos Delgado, Detektiv bei der Detektei Detectib und Mitglied im Verband der Privatdetektive in Spanien (Apdpe), erinnert sich an einen Angestellten im Homeoffice, der sich in der Arbeitszeit als Kellner etwas dazuverdiente. Seinen Laptop hatte er zu seinem zweiten Arbeitsplatz mitgenommen, um sich von dort aus immer wieder einzuloggen. „Ihm konnte das Unternehmen kündigen, ohne auch nur einen Euro zahlen zu müssen“, so Delgado. Durch die Beschattung war die Beweislage klar.

Freizeit statt Quarantäne

Mit Beginn der Ausgangssperre im Frühjahr 2020 waren die Aufträge bei vielen Privatdetektiven zunächst massiv eingebrochen. Zum einen war kaum jemand draußen unterwegs, den sie hätten beschatten können, zum anderen durften sie selbst anfangs nicht vor die Türe, da ihr Beruf nicht als essenziell angesehen wurde. Als aber immer mehr Firmen Mitarbeiter in Kurzarbeit schickten oder von zu Hause aus arbeiten ließen, wurden die Karten neu gemischt.

„Die Aufträge vervielfachten sich plötzlich. Hatten vorher nur etwa 35 Prozent unserer Fälle mit Arbeitsrecht wie falschen Krankschreibungen zu tun, waren es auf einmal 90 Prozent“, so Cruz. So einige Arbeitnehmer kassierten das Kurzarbeitergeld ein, verdienten sich aber nebenbei etwas dazu. Ein Mann aus der Elektronikbranche nutzte die Zeit sogar, um auf Kosten des Unternehmens sein eigenes zu gründen. „Er kontaktierte die Kunden und gab ihnen Bescheid, dass sie ihn bald anderweitig erreichen könnten“, erinnert sich Cruz.

Noch eine weitere Betrugsart kam neu hinzu: Einige Insulaner gaben laut den Detektiven fälschlicherweise vor, in Kontakt mit einem Covid-19-Positiven gewesen zu sein. Statt sich, wie es das Protokoll in solchen Fällen vorsieht, in Quarantäne zu begeben, sahen Cruz und seine Kollegen oft schon in den ersten fünf Minuten der Beschattung, wie sie stattdessen das Haus verließen. „Solche Fälle sind fast immer besonders schnell geklärt“, so der Detektiv.

Die üblichen Verdächtigen

Homeoffice war bis zur Pandemie in Spanien nicht weit verbreitet, so mancher Arbeitgeber meldete Bedenken an. Erleichtert die Arbeit zu Hause nun das Blaumachen im großen Stil? Die befragten Detektive sehen das anders: Probleme gebe es in der Regel mit genau den Mitarbeitern, die schon zuvor an ihrer Arbeitsstätte aufgefallen und mit ihren Vorgesetzten aneinandergeraten seien. Durch die Pandemie hätten sich die bestehenden Konflikte verstärkt.

Man dürfe das Arbeiten im Homeoffice nicht pauschal kriminalisieren, mahnt Delgado. Auch wenn viele Unternehmen noch misstrauisch gegenüber der neuen Arbeitsform sind, nutze letztlich nur ein kleiner Teil der Angestellten die Umstände aus. Das Problem sieht der Detektiv und Kriminologe derzeit vor allem darin, dass die Fälle kein Strafverfahren zur Folge hätten: „Müssten die Betrüger ins Gefängnis, würden sie sicherlich geläutert.“

Ob gemächlich einkaufen, sich mit Freunden in der Bar treffen oder sich gar an den Strand legen: „Wenn uns eine Firma kontaktiert, haben die Verantwortlichen meist einen ganz konkreten Verdacht, dass der Mitarbeiter seine Tätigkeit nicht ordnungsgemäß ausführt“, berichtet Cruz. Privatdetektive zu engagieren, sei schließlich eine kostspielige Angelegenheit. Um die 2.000 Euro kostet der Einsatz bei arbeitsrechtlichen Angelegenheiten, je nach Dauer und den Umständen können die Preise schnell in die Höhe schnellen. Trotzdem spare das Unternehmen letztlich viel Geld, wenn der Fall durch die Privatdetektive eindeutig zugunsten der Firma aufgeklärt werden kann – es entfällt bei der Kündigung die oft hohe Abfindung. Und in den meisten Fällen bestätige sich schließlich der Verdacht der Arbeitgeber.

Ausführliches Briefing

Jeder Auftrag beginnt damit, dass der Kunde den Detektiven detaillierte Daten über die zu beschattende Person zur Verfügung stellt. „Wissen ist Macht“, so Cruz. So können die Detektive besser abschätzen, ob mehrere Personen eingesetzt werden müssen oder sie ein Auto benötigen. „Manchmal hat das Wohngebäude des Verdächtigen mehrere Ein- und Ausgänge. Da reicht ein Detektiv dann nicht“, so Delgado. Auch die Dauer der Beschattung wird genau geplant, ein Kostenvoranschlag erstellt.

Im Normalfall beginnt der Einsatz dann am Wohnsitz der zu beschattenden Person. Ob ein Mitarbeiter im Homeoffice schläft oder auf dem Sofa liegt, können die Detektive natürlich nur schwer kontrollieren. „Wir dürfen zwar in die Gemeinschaftsbereiche von Gebäuden, aber niemals in eine Wohnung“, so Cruz. Meistens bleiben sie aber ohnehin draußen. „Spätestens nach fünf Minuten würden sich wohl die ersten Bewohner fragen, was wir dort machen.“

Manchmal passiert erst einmal stundenlang nichts. „Mein Rekord liegt bei 18 Stunden warten am Stück, Gott sei Dank im Auto. Ich konnte Radio hören und hatte mein Handy bei mir“, so Cruz. Interessant wird es, sobald die zu beschattende Person ihr Haus verlässt. Während die Detektive dem Opfer folgen, filmen sie mittels Mini-Camcordern aus der Hand heraus oder fotografieren mit versteckte Kamera, um Beweise zu sammeln. Fest installierte Kameras sind tabu, weil illegal.

Bloß nicht auffallen

Wichtig ist auch die Tarnung. „Ich habe in meinem Auto drei Koffer mit verschiedenen Outfits deponiert. In einem ist Strand- und Sportkleidung, im anderen informelle Kleidung, mit der ich als Tourist durchgehen könnte. Und mit der aus dem dritten könnte ich zu einem Geschäftstreffen oder in ein Luxushotel gehen“, erzählt Cruz. Das Touristenoutfit nutze er besonders oft. Da falle schließlich auch die Kamera am wenigsten auf. „Ich könnte von meinem natürlichen Aussehen her zudem auch gut als Deutscher durchgehen.“

Ertappt vom Beschatteten

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Nur ein einziges Mal sei es ihm passiert, dass die beschattete Person ihn bemerkt und hinters Licht geführt habe, genauer gesagt in eine Sackgasse. „Dort stellte sie mich dann zur Rede, machte ein Foto von mir und verständigte die Polizei“, so Cruz. Natürlich hatte der Privatdetektiv nichts Illegales getan. Blöd fühlte es sich trotzdem an, ertappt worden zu sein. Auch weil man dem Kunden dann Bescheid sagen muss. Wenn er das Gefühl habe, die beschattete Person könnte ihn bemerkt haben, breche er die Beschattung ab und mache an einem anderen Tag weiter. Ohnehin erschwere die Pandemie die Arbeit zusätzlich: „Um viele Orte betreten zu können, braucht man momentan einen Vorabtermin“, so Cruz.

In der Regel erfahren die Verdächtigen erst im Nachhinein von der Beschattung. „Viele fangen dann an zu weinen“, so Delgado. Die Betroffenen fühlten wohl eine Mischung aus Scham und Ärger. In manche Fällen drohen sie auch den Privatdetektiven. „Dabei sind wir nur Zeugen, erzwingen aber keine Situation“, meint der Detektiv. Und ob sich ein Mitarbeiter letztlich nicht korrekt verhalten hat, entscheidet allein der Arbeitgeber. Die Detektive liefern lediglich einen Bericht mit ihren Beobachtungen. „Es kann etwa sein, dass wir eine beschattete Person von einem öffentlichen Ort aus im Bikini auf ihrem Balkon sehen. Das schreiben wir dann so in den Bericht, ohne Schlussfolgerungen zu ziehen. Es kann ja sein, dass sie im Bikini arbeitet und das auch darf.“