Jeder Buchstabe steht für eine Besonderheit Mallorcas. So führt das Lernheft Buchstabe für Buchstabe über die Insel, das T schließlich zu einer Tour in die Tramuntana. Illustriert sind dazu nicht nur die Berge – auch eine Kuh fliegt durchs Bild. Eine Kuh? Sind nicht vielmehr Ziegen typisch für die Tramuntana?

Als die Autorin des Lernhefts, Nadine Bornewasser, zusammen mit ihrem Mann Philip und Tochter Néhémie einmal in der Gebirgslandschaft wanderte, seien sie tatsächlich Kühen begegnet, erzählt sie. Und so zählen eben nun auch diese dort eher seltenen Tiere zu den Tramuntana-Bewohnern. Ohnehin gaben die Erfahrungen und Interessen der Vierjährigen den Ausschlag für die Entwicklung und Gestaltung des jetzt erschienenen Lernheftes. Es bringt jungen Lesern das deutsche Alphabet bei, aber eben am Beispiel Mallorcas. Eine Marktnische für auf der Insel aufwachsende Kinder von deutschsprachigen Residenten. Auch die Mallorca Zeitung ist im Lernheft vertreten, sie steht für den Buchstaben Z.

Die Buchstaben können mit einem Stift nachgemalt. So wird das Schreiben spielerisch geübt. Nadine Bornewasser

Eigentlich sind die Bornewassers in der Immobilienbranche tätig, im Jahr 2015 kamen sie aus der Bodensee-Gegend nach Mallorca und betreiben eine Immobilienagentur in Llucmajor. Néhémie dagegen ist in Haiti geboren. Das Paar hat sie adoptiert – ein langwieriges Verfahren, das bereits im Jahr 2012 begonnen hatte. Aber erst seit Mai 2020 lebt das Mädchen mit ihnen zusammen auf Mallorca.

Langwierige Adoption

Statt ein Lernheft hätte Nadine Bornewasser auch ein Buch über den nervenaufreibenden Prozess der Adoption schreiben können. Nach dem Antrag vor fast zehn Jahren zogen zunächst mehr als vier Jahre ins Land, bis dem Paar ein Kind zur Adoption angeboten wurde. Der Adoptionsprozess von Kindern aus Haiti ist so langwierig, dass Spanien die Kooperation mit dem Land inzwischen sogar abgebrochen hat. Ihre jetzige Tochter kennenlernen konnten sie erst im September 2019, als sie für zwei Wochen nach Haiti flogen.

In diesen Wochen lernten sie das Heimatland Néhémies auch von seiner schlimmsten Seite kennen. Sie wurden Zeuge, wie am hellichten Tag die Insassen eines Autos, das vor ihnen fuhr, überfallen wurden. „Das Land ist auf der einen Seite so brutal gefährlich, andererseits das Heimatland unserer Tochter, also herrscht da eine gewisse Hass-Liebe“, meint Philip Bornewasser.

Beim Rückflug Anfang Oktober 2019 mussten die Bornewassers ihre Tochter zunächst in Haiti zurücklassen, da der Adoptionsbeschluss nach haitianischem Gesetz noch nicht vollständig genehmigt war. Das nächste Wiedersehen war ungewiss, nur selten bekam das Paar Fotos von Néhémie, die die Sehnsucht noch mehr anstachelten. „Das war eine Tortur“, erinnert sich Philip Bornewasser.

Nadine und Philip Bornewasser präsentieren stolz das Lernheft Nele Bendgens

Und dann kam Corona. Im März 2020 erklärte Haiti Deutschland zum Risikogebiet. Das verhinderte, dass die Bornewassers Néhémie wie geplant selbst abholen konnten. Im März flogen sie von Mallorca nach Deutschland, um dort für einen Flug ihrer Tochter zu kämpfen. „Wir haben uns damals gedacht, wenn die Regierung uns nicht hilft, dann müssen wir das selbst in die Hand nehmen“, erzählt Philip Bornewasser.

Kinder mit einem privaten Charterflug abgeholt

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Also tat sich das Paar mit fünf weiteren Familien zusammen, die ihre Adoptivkinder aus Haiti abholen wollten. Sie starteten eine Spendenaktion und sammelten 150.000 Euro für einen privaten Charterflug. „Bis zu dem Zeitpunkt, als das Flugzeug in Deutschland gelandet ist, hat niemand geglaubt, dass das klappt“, erinnert sich Nadine Bornewasser. Doch schließlich setzte Néhémie am 9. Mai vergangenen Jahres gemeinsam mit 19 weiteren Adoptionskindern in Karlsruhe auf. Man kann die Gänsehaut auf ihrem Arm deutlich sehen, als die Mutter von dem Moment des Wiedersehens erzählt.

Mittlerweile lernt Néhémie fleißig das deutsche Alphabet. Sie zeichnet in der Abc-Fibel Buchstaben und Zahlen nach oder malt die zugehörigen Bilder aus. Und der Verkauf des Lernhefts hilft hoffentlich auch anderen Kindern in Haiti: Ein Euro gehe jeweils ans Kinderheim Maison d’Espoir, erklärt Nadine Bornewasser. Dort musste Néhémie so lange auf den Flug zu ihren Eltern warten.