Was ist typisch mallorquinisch? Wo fühlst du deine Wurzeln zu Mallorca? Was ist deine schönste Kindheitserinnerung? Diese drei Fragen wollten Stephanie Schulz und Mark Julian Edwards all ihren Interviewpartnern stellen. Doch häufig kamen diese schon nach der ersten Frage sofort ins Erzählen, und der weitere Fragenkatalog war gar nicht mehr notwendig. „Einige haben uns sehr intime Dinge über sich berichtet, haben geweint oder waren sehr gerührt“, erinnert sich Schulz, die zusammen mit ihrem Fotografen-Freund jetzt das Buch „Faces of Mallorca – Gesichter einer Insel“ herausgebracht hat. Es ist sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch, Spanisch und Mallorquinisch im Handel. Darin abgelichtet sind – neben einer Handvoll Festlandspanier – bekannte und weniger bekannte Mallorquiner, die ihre Geschichte erzählen.

Antònia Muntaner vom Restaurant Es Verger. Faces of Mallorca

Die Einheimischen verstehen, herausfinden, was sie so besonders macht. Das war die Idee hinter dem sehr visuellen Buch, an dem die beiden drei Jahre lange gearbeitet haben. „Wir haben versucht, so viele verschiedene Aspekte der hiesigen Gesellschaft wie möglich und auch ganz verschiedene Elemente wie Feuer oder Wasser abzubilden“, erzählt Schulz, die schon seit 2004 auf Mallorca lebt. Um ihre Gesprächspartner direkt in ihrem gewöhnlichen Umfeld zu porträtieren und zu interviewen, sind die beiden unter anderem in einen Helikopter, einen Heißluftballon, ein Fischerboot oder auf den Leuchtturm von Ses Salines gestiegen. „Auf dem Weg zu so manchem Treffpunkt haben wir uns ganz schön verfahren. Aber wir haben stets viel gelacht“, so Schulz.

Ursprünglich geplant war, nur etwa 25 Mallorquiner in Szene zu setzen. Am Ende sind es 59 Fotoporträts geworden. Darauf, dass sie tatsächlich so viele der eher als schüchtern geltenden Mallorquiner ins Boot holen konnten, ist Schulz besonders stolz. Miquel Segura, ein mallorquinischer Autor, der selbst im Buch vorkommt, war wohl nicht der Einzige, der die Umsetzung des Projekts mit seinen Landsleuten anfangs nur schwer für möglich gehalten hatte. Es würde einem Briten und einer Deutschen nicht gelingen, dass ihnen viele Einheimische für so ein Projekt zusagen, gibt Schulz dessen anfängliche Bedenken wider. Aber „von allen, die wir fragten, haben tatsächlich nur drei oder vier ‚nein‘ gesagt“.

Julià Vidal ist einer der letzten Leuchtturmwärter Mallorcas. Schulz

Der Fotograf und die Autorin haben in erster Linie nach Menschen gesucht, die sie selbst interessierten. „Wir haben mit einer Person angefangen und sie gefragt, wen sie wiederum interessant findet. Daraus hat sich eine Kette ergeben.“ Zuerst ging Schulz auf Baltasar Picornell zu. Picornell ist Mitglied der linken Partei Podemos und wurde 2017 zum Präsidenten des Parlaments der Balearen gewählt. Ihm war sie in ihrer Zeit in Cas Concos öfters über den Weg gelaufen. „Das war natürlich auch Glück, schon zu Beginn jemanden zu haben, der so gut auf der Insel vernetzt und gleichzeitig so hilfsbereit ist“, so die 48-Jährige, die sich mittlerweile von Palma aus hauptberuflich um das Online-Image einer Hotelkette in Cala d’Or kümmert.

Stephanie Schulz. Nele Bendgens

Und so werden auf den 288 Seiten auch Menschen aus ganz unterschiedlichen Berufsgruppen bewusst gegenübergestellt. Auf die Radsportlerin Mavi García, die erst mit über 30 ihre Karriere begann, folgt das Porträt der schon 83 Jahre alten Antònia Muntaner. Sie arbeitete lange als Köchin im bekannten Lammrestaurant Es Verger unterhalb des Castell Alaró. Hinter den LGBT-Aktivisten Jordi Maranges haben Schulz und Edwards ebenfalls nicht rein zufällig die Nonnen vom Kloster Santa Clara gesetzt. „Ihre Geschichte ging mir mit am nächsten“, verrät Schulz. Die Berufung zu fühlen, Nonne werden zu wollen, fühle sich wie Verliebtsein an, habe ihr eine der Nonnen erzählt – und sei dabei rot geworden. „Nach dem Gespräch hatte ich das Gefühl, die Nonnen sind viel freier und ruhiger als wir.“

Zu den Persönlichkeiten, die auch außerhalb der Insel bekannt sind, gehört etwa Toni Nadal, der Onkel und ehemalige Tennistrainer von Rafael Nadal. Auf den ihm gewidmeten Seiten verrät er unter anderem, wieso er mit seinem Neffen immer so streng war. Maria Gilbert, die viele als „Youtube-Oma“ kennen, schildert anekdotisch, wie sie ihre ersten Nudeln total versalzte. Street-Art-Künstler Joan Aguiló ziert nach einem besonders aufwendigen Fotoshooting, bei dem laut Schulz „viele Liter Farbe geflogen sind“, nicht nur prominent das Cover. Der Mallorquiner erzählt unter anderem auch, wie er in Berlin zur Kunst gekommen ist.

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Zwischen die „Mallorca-Promis“ haben sich noch einige eher unbekannte, dafür umso interessantere Persönlichkeiten gemischt. „Den Pilzsammler Felip Esteva etwa kennt wohl kaum jemand. Aber Pilzesammeln ist ein großes Thema auf Mallorca, also wollten wir auch dazu etwas im Buch haben“, so Schulz. Mit Amador Bernat Poquet hingegen dürfte wohl vor allem ein Großteil der Touristen schon einmal unbewusst Kontakt gehabt haben: Er arbeitet seit neun Jahren als Lokführer des „Roten Blitzes“.

„Faces of Mallorca – Gesichter einer Insel“

26 Euro, 288 Seiten, Triangle Books, unter anderem bei Agapea, Casa del Libro, Rata Corner, 

Rialto und Amazon, IG: facesofmallorca, FB: Faces of Mallorca, www.facesofmallorca.com