Tiere gelten ab sofort auf Mallorca und im Rest von Spanien als Wesen mit Gefühlen. Ja, Sie haben richtig gelesen. Seres sintientes sind die Zauberwörter, die jetzt in der spanischen Rechtsprechung im Zusammenhang mit Tieren verwendet werden. Sollten Sie selbst ein Tierfreund sein, werden Sie nun ausrufen: „Was? Und das wird erst jetzt offiziell?“ Denn jeder, der mit ein bisschen Empathie ausgestattet ist, weiß das Offensichtliche ohnehin. Sollten Sie hingegen zu jenen gehören, die mit Tieren so gar nichts anfangen können und ohnehin mit metaphorischen Scheuklappen durch die Gegend laufen, so werden Sie sich vermutlich fragen, was diese Wortklauberei soll, mit der sich die Richter da nun wieder beschäftigt haben.

So oder so: Der Vorstoß wirkt sich auf verschiedene Bereiche der spanischen Rechtsprechung direkt aus. Die Änderung tritt ab sofort in Kraft und betrifft vor allem drei Bereiche: Da ist einmal das Zivilgesetzbuch (Código Civil), auf dessen Grundlage auch Scheidungen und Trennungen vor Gericht abgewickelt werden, sollte es zu Unstimmigkeiten zwischen den beiden Parteien kommen. Stichworte wie Unterhaltszahlungen und Sorgerecht kamen bisher nur in Zusammenhang mit gemeinsamen Kindern ins Spiel, jetzt werden sie aber auch für die Haustiere wichtig. Sollten sich die Ex-Partner nicht einigen können, bei wem Hund, Katze, Kaninchen und Co. zukünftig leben werden, können die Richter fortan entscheiden und auch geteiltes Sorgerecht veranlassen – stets im Sinne des Tierwohls. Auch kann Herrchen oder Frauchen zu Alimentenzahlungen aufgefordert werden, sollte es selbst nicht die Betreuung des Tieres übernehmen.

Auch auf die Rechtsprechung zum Kreditgesetz (ley hipotecaria) hat die Einstufung der Tiere als fühlende Wesen Auswirkungen. Beispielsweise dürfen Pferde oder Rinder aus großen Zuchtbetrieben fortan nicht mehr als Wertgegenstände mit in die Hypothekenrechnungen einbezogen werden. Und anders als bisher im Zivilprozessgesetz (ley de enjuicimiento civil) vorgesehen, dürfen Haustiere von nun an auch nicht mehr beschlagnahmt oder gepfändet werden.

Wirklich rühmen kann sich mit diesem „Vorstoß“ wohl kein spanischer Politiker – irgendwie ist dafür die Änderungsgrundlage einfach zu anachronistisch und hätte schon vor Ewigkeiten angepasst werden müssen; wir sind schließlich im Jahr 2022.

Fortschrittlicher wirkt da der von der Linkspartei Unidas Podemos erarbeitete Entwurf für ein neues nationales Tierschutzgesetz, das in den kommenden Monaten vom spanischen Parlament verabschiedet werden soll, so es denn eine Mehrheit findet. In dem Entwurf ist festgeschrieben, dass Tiere nur noch aus vertretbaren Gründen eingeschläfert werden dürfen (ob das Einschläfern in Tierheimen aus Platzmangel dazugehört, ist zweifelhaft), und dass die animales nicht mehr in Läden verkauft werden dürfen, in denen sie wie Ware den Blicken der Kunden, der Hektik und der Lautstärke ausgesetzt sind.

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Auch soll es gesetzlich verboten werden, einen Hund länger als 24 Stunden allein zu lassen – etwas, was auf ländlichen Fincas auf Mallorca häufiger vorkommt. Zudem sollen wilde Tiere nicht mehr in Zirkussen auftreten dürfen und auch die Liste potenziell gefährlicher Hunde (umgangssprachlich: Kampfhunde) soll fallen. Strafen für Tiermisshandlung sollen überdies deutlich verschärft werden.

All das wären tatsächlich einmal Fortschritte, die sich auch im internationalen Vergleich sehen ließen. Doch noch ist das Gesetz Zukunftsmusik. Aber manchmal geht es in Spanien eben nur poco a poco. Bis dahin freuen wir Tierfreunde uns also über den neuen Status quo: Unsere Lieblinge haben höchstoffiziell Gefühle und sind weder Wertgegenstände noch Pfändungsmittel. Klasse!