Die Salzblume wird nicht nur handgepflückt, sie wird auch handverpackt. Wer ganz nah an das Fenster der Betriebshalle neben den Salzbecken tritt und die Wintersonne mit der Hand abhält, kann den Angestellten bei der Arbeit zusehen. Sie positionieren die Tütchen, die inzwischen aus Zellulose statt aus Plastik sind, einzeln auf eine Küchenwaage. Dann füllen sie mit einer Mehlschaufel das Salz ein, fügen ein bisschen hinzu, nehmen wieder etwas weg, picken einzelne, zu große Körner heraus. Tütchen zufalten, zukleben, in die Kartondose packen, Sicherheitsetikett anbringen.

Die Salzberge sind weithin sichtbar.

„Im Schnitt schafft ein Mitarbeiter am Tag 165 Einheiten“, sagt Direktor Wolfgang Antonio Gutmeyer. Wobei die Angestellten die Salzblume nicht nur verpacken, sondern die weißen Kristalle zuvor auch auf dem Tisch ausbreiten und – nach einer vorhergehenden Prüfung per Metalldetektor – sorgfältig auf mögliche verbliebene Unreinheiten durchsehen. Man denke derzeit zwar darüber nach, den Verpackungsprozess durch ein Portionierungsgerät zumindest teilweise zu mechanisieren, so Gutmeyer. „Aber es gibt keinerlei Pläne zum Personalabbau, uns gefällt das so.“

Im Sortiment von Flor de Sal gibt es immer wieder neue Produkte.

Die Salzblume, die hier in den Salinen am Naturschutzgebiet des Es-Trenc-Strands an der Südküste geerntet wird, ist ein ganz besonderer Exportschlager Mallorcas. Historische Produktionsstätte, gelobtes Gourmet-Erzeugnis, Siegel für internationale Öko-Standards – die im Jahr 2003 begonnene Produktion von Flor de Sal ist eine Erfolgsgeschichte. Und dass sie auch in Zukunft fortgeschrieben wird, dafür will nun ein deutscher Investor sorgen: Die Unternehmensgruppe Corvis, die sich nachhaltigen Investitionen verschrieben hat, ist seit Ende 2019 Eigentümerin von Gusto Mundial Balearides S.L., wie die Firma hinter Flor de Sal heißt. Und jetzt, nach inzwischen zwei Jahren Pandemie, sollen die weitreichenden Pläne für Mallorcas Salzblume endlich auch nach und nach umgesetzt werden.

Die neuen Eigentümer

Der Investor ist ein Family Office, also eine Gesellschaft, deren Zweck die Verwaltung des privaten Großvermögens einer Eigentümerfamilie ist. Der Name Corvis leitet sich her von Herz (lat.: cor) und Kraft (lat.: vis), man verbinde „gesunden unternehmerischen Menschenverstand mit langjähriger operativer Führungsverantwortung und enormem Fachwissen“, heißt es in der Selbstbeschreibung. Konkreten Nachfragen zu den Eigentümern – einer Unternehmerfamilie aus Essen – weicht man in der Geschäftsführung ebenso geschickt wie diskret aus und verrät nur, dass man eine enge emotionale Bindung zu Mallorca habe und auch deshalb das Thema Nachhaltigkeit bei allen Projekten sehr ernst nehme.

So engagiert sich das Family Office über die Sparte Corvis Green in der Bio-Lebensmittelbranche. Flor de Sal reiht sich jetzt ein zwischen großen deutschen Namen der Branche wie zum Beispiel Lubs (Öko-Süßwaren), Stark (Bio-Sportlernahrung) oder auch Marbacher Ölmühle (Bio-Pflanzenöle). Die Strategie dahinter: Man erwerbe mittelständische Hersteller von Bio- Lebensmitteln mit möglichst langjähriger Erfahrung im Markt, um sie dabei zu „unterstützen, erfolgreich zu wachsen“.

Der „Schnee“ Mallorcas

Langjährige Erfahrung mit der Gewinnung von Salz hat man in den Lagunen direkt hinter Mallorcas bekanntestem Naturstrand zweifellos. Bereits Phönizier und Römer fanden hier ideale Bedingungen, um Meersalz abzubauen. Das Prinzip hat sich seitdem nicht verändert: Der Rohstoff ist das Meerwasser, das mit einem Salzgehalt von rund 35 Gramm pro Liter durch einen rund zwei Kilometer langen Kanal und dann von Becken zu Becken fließt. Es verdunstet, das Salz kann auskristallisieren. Die Ernte türmt sich zu hohen Bergen und sieht selbst bei näherem Hinsehen aus wie Schnee, der in der Sonne glitzert.

Als Betreibergesellschaft der konventionellen Salzgewinnung für Industrie und Gastronomie fungiert hier seit 1958 Salinas de Levante S.A. Davon zu unterscheiden sind die Salzblumen von Flor de Sal. Deren Ernte auch auf Mallorca war vor inzwischen knapp 20 Jahren eine Idee der Deutsch-Schweizerin Katja Wöhr: Feine Kristalle sammeln sich im Sommer tagsüber auf der Wasseroberfläche. Diese Salzblumen werden dann abgeschöpft und in der Sonne getrocknet. Ein aufwendiger Prozess, der auf dem Gelände mit den 700 Becken auf Schautafeln dokumentiert ist und bei Führungen erklärt wird (salinasdestrenc.com). In Vor-Pandemie-Zeiten kamen zuletzt rund 16.000 Besucher im Jahr.

Von der Salzblume zu den Chips

Die Ernte der noch feuchten Flor de Sal beläuft sich derzeit auf rund 80 bis 90 Tonnen pro Jahr, wie Marketingleiterin Laura Calvo erklärt. Die Salzblumen vom Es Trenc gibt es in immer neuen Gewürzmischungen, von mediterran über blumig bis asiatisch. Hinzu kommen nun neue Produkte, wie etwa Mandeln, Kartoffelchips oder Schokoladen mit Flor de Sal.

Neben der Marke baut Corvis auch die Vertriebskanäle aus. Eine zentrale Rolle spiele der Direktverkauf, betont Direktor Gutmeyer. Zuletzt gab es vier eigene Geschäfte auf der Insel – direkt vor Ort neben dem Betrieb, zudem in Ses Salines, in Santanyí sowie in Artà. Hinzu kommen nun vier weitere Standorte. Ein erster wurde gerade eröffnet: Die Salzblume gibt es jetzt auch auf Palmas gleichermaßen traditionellen wie trendigen Mercat de l’Olivar (MZ berichtete). Hinzukommen sollen ein Shop in Valldemossa am 14. Februar sowie zwei weitere an der Playa de Palma und in Palmas Innenstadt, für deren geplante Eröffnung derzeit noch die Details geklärt werden.

Einzug in die Supermärkte

Auch wenn Flor de Sal heute in rund 30 Ländern weltweit vertreten und sogar in Feinkostläden in Japan zu finden ist, spielt vor allem Deutschland eine zentrale Rolle für den Vertrieb. Dort ist die Salzblume vom Es Trenc inzwischen neben Wein und Olivenöl der wichtigste Gourmetexport Mallorcas. Der Vertrieb ruht auf drei Säulen, wie der Leiter des Büros in Berlin, Marcus Lind, im Gespräch mit der MZ erklärt: Einen festen Platz habe Flor de Sal in Feinkost- und Gourmetläden wie Käfer oder Frischeparadies. Hinzu komme der Bio-Fachhandel, darunter verstärkt sogenannte Concept Stores. Und an Bedeutung gewonnen hätten zuletzt auch die massiv ausgebauten Feinkostabteilungen von Edeka- und Rewe-Supermärkten.

Während der Direktverkauf auf Mallorca unter Corona litt, hätten sich gerade die Kunden in Deutschland in den vergangenen zwei Jahren verstärkt das Gourmetprodukt von der Insel gegönnt, so Lind: „Wir wachsen im hohen zweistelligen Bereich.“ Anteil daran hat inzwischen auch der Onlineshop, der nach anfänglichen Schwierigkeiten vergangenes Jahr durchgestartet sei und dank der Corvis-Marketing-Unterstützung nun rund ein Drittel des Absatzes in Deutschland ausmache.

Nicht nur für Deutsche

Die weitere Strategie: Die Marke soll neben einer verstärkten Präsenz auf dem spanischen Festland auch international noch bekannter werden – Vertriebsleiter Lind nennt konkret Skandinavien und die Benelux-Länder – und noch intensiver als Lifestyle-Produkt wahrgenommen werden, etwa durch die Entwicklung von Merchandising-Produkten oder auch die verstärkte Kooperation mit Markenbotschaftern. Bislang mit dabei ist Sternekoch Nelson Müller. Immer wieder gibt es auch Kooperationen mit Non-Profit-Organisationen. So wurde zuletzt eine limitierte Edition zugunsten von Hope Mallorca aufgelegt. „Help“, „Hope“ und „Love“ heißt es auf den farbenfrohen Salzdosen, von deren Verkauf eine Spende an die Hilfsorganisation geht.

Alles auf den Prüfstand

Der neue Eigentümer will darüber hinaus aber auch dafür sorgen, dass das Ziel der Nachhaltigkeit in all seinen Aspekten umgesetzt und von unabhängiger Seite zertifiziert wird. „Wir wollen uns ganz klar von Green Washing abgrenzen und andere Unternehmen inspirieren, einen ähnlichen Weg zu gehen“, so Alexander Knauer, Sustainability-Beauftragter der Corvis Green GmbH.

Im Mai werde man vor Ort auf Mallorca eine umfassende Strategie ausarbeiten, die weit über das Thema CO2-Emissionen hinausgehe – auch Liefer- und Transportkette, Unternehmenskommunikation oder die Mitarbeiterverantwortung kämen auf den Prüfstand. Grundlage dafür sind Nachhaltigkeitskriterien, die das ZNU ausgearbeitet hat, ein Forschungsinstitut der Universität Witten/Herdecke. In gut zwei Jahren und nach der Investition einer „sechsstelligen Euro-Summe“ in Nachhaltigkeitsmaßnahmen soll dann das Zertifikat, deren Einhaltung fortlaufend überprüft wird, auch für Flor de Sal vergeben werden. Knauer kündigt zudem Umweltengagement vor Ort an, etwa Aktionen, bei denen man den Es Trenc vom Müll befreien wolle.

Herausforderung Mikroplastik

Die Produktion am Naturstrand kommt im Vergleich zu anderen Industrien mit wenig Energie aus. In Zukunft soll diese vollständig aus erneuerbaren Quellen kommen. Neben der Produktionshalle betrifft das die Pumpe, die Meerwasser nach oben pumpt, damit es bis zu den Becken fließt. Man wolle prüfen, in welcher Form dafür Solarenergie zum Einsatz kommen könne, so Gutmeyer. Eine Anlage habe auf dem Dach Platz, zum anderen nehme Fotovoltaik heute ohnehin weniger Raum ein als früher.

Und auch das Thema Mikroplastik steht auf der Agenda: Da die Kunststoffteilchen mit einem Durchmesser von teils weit unter fünf Millimetern das Salz verunreinigen könnten, habe man vergangenes Jahr bei der Universität Oldenburg eine Analyse des bei der Gewinnung von Flor de Sal genutzten Meerwassers in Auftrag gegeben, sagt Wolfgang Antonio Gutmeyer. Die ersten Ergebnisse sollen bald vorliegen. Dann werde man sehen, ob auch hier Investitionen nötig werden.