Jordi Sargatal ist mit schwerem Gepäck angereist: „Es wiegt vier Kilo, wie ein echtes Menschenbaby!“, sagt der Ornithologe, der mit seinem überschwänglichen Wesen ab der ersten Sekunde den Raum dominiert. Er hält empor, was er zum Vortrag Anfang Februar im Kulturzentrum Espai Passatemps in Santa Maria mitgebracht hat: den 1992 erschienenen Wälzer „Ostrich to Ducks“ aus dem „Handbook of the Birds of the World“. „Dieses Buch auf eine Expedition mitzuschleppen, wäre lebensgefährlich“, scherzt Sargatal. Ein Nachschlagewerk, mit dem man jemanden erschlagen könnte.

Die Reihe, die sich vor allem an die Fachwelt und an Hobby-Ornithologen richtet, umfasst 16 Bände plus einen Zusatzband für neu entdeckte Arten. Im Schnitt wurden pro Band bereits 19.000 Exemplare verkauft. Die Umweltschutzgruppe SEO-Virot Balears ließ jetzt für ihren Lesekreis auf Mallorca den Co-Herausgeber einfliegen, um die Geschichte dieses schon an Größenwahn grenzenden Projekts mit eigenen Ohren zu hören.

Das "Handbook of the birds of the world" Lynx edicions

Bei allen Verlagen gescheitert

Ursprünglich stammte die Idee von Sargatals Freund, dem Arzt und Ornithologen Josep del Hoyo: „Wir beide sammelten Feldführer zu den Vögeln dieser Welt. Und oft sagten wir uns: ,Schade, dass in diesem Buch nur vier Störche sind und nicht alle Störche zusammen‘“, erzählt der Vogelkundler. „Er sagte mir: ‚Wir sollten eine Enzyklopädie nach Familien machen.‘ Und ich sagte: ‚Du bist verrückt.‘“ Del Hoyo ließ jedoch nicht locker und steckte Sargatal schließlich mit seinem Enthusiasmus an. Die beiden klapperten erfolglos einen spanischen Verlag nach dem anderen ab. „Dann versuchten wir es bei einem englischen Verlag, das war noch schlimmer. Sie sagten uns: Wenn das noch kein Brite geschafft hat, dann ist es unmöglich.“

Bei ihrer Rückkehr kamen del Hoyo und Sargatal zum einzig logischen Schluss: Dann gründen wir eben unseren eigenen Verlag. Das verbleibende kleine Problem: Sie hatten kein Geld. Als Deus ex Machina erschien da ein Campingplatzbesitzer namens Ramon Mascort. „Er war ein phänomenaler Mann, der sich sehr für die Natur interessierte – wir unterhielten uns immer nur über Vögel, Otter und Fische“, erzählt Jordi Sargatal. „Wir waren so zu guten Freunden geworden. Deshalb rief ich ihn in dieser Situation an, um ihn um Geld zu bitten. Nur zwei Wochen später stieg er als Geschäftspartner mit ein und wir gründeten 1989 gemeinsam den Verlag Lynx Edicions.“

Ganz ohne die Briten ging es dann doch nicht: Sargatal und seine Freunde holten noch den Schotten Andrew Elliot ins Boot, der sowohl Ornithologe als auch Linguist war: „Er sorgte dafür, dass das Buch sprachlich mehr als korrekt war und uns am Ende keiner vorwerfen konnte, dass wir Küchenenglisch schreiben“, so Sargatal. Und natürlich waren die Herausgeber nicht allein: Insgesamt wirkten über 200 Ornithologen, führende Experten für die jeweilige Vogelfamilie, 35 Illustratoren aus 40 Ländern und 834 Fotografen aus aller Welt an der Reihe mit. Schwarmintelligenz in ihrer besten Form. „Das große Verdienst dieses Kataloges ist, dass man Vergleiche ziehen kann, Basisinformationen findet und dazu handgemachte Illustrationen von wirklich allen Vögeln dieser Welt“, so Sargatal.

Vom Aktivisten zum Naturpark-Direktor

Sein eigener Werdegang indes ist auch über das Buchprojekt hinaus bemerkenswert: Beim Angeln mit dem Großvater entdeckte er als Vierzehnjähriger seine Leidenschaft für Vögel im Parc Natural dels Aiguamolls de l’Empordà nahe der französischen Grenze. Als er hörte, dass das Feuchtgebiet in Katalonien einem Yachthafen weichen sollte, stellte er sich 1976 an die Spitze der Protestbewegung zu dessen Rettung. Die Kampagne war ein Erfolg, Aiguamolls wurde als Naturpark unter Schutz gestellt – und Sargatal mit gerade einmal 26 Jahren zum Direktor ernannt. Er leitete den Park von 1984 bis 1998.

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In dieser Zeit lernte Sargatal: Man muss Menschen begeistern, um sie zum Umweltschutz zu bewegen. „Ich nenne das seducción ambiental (Umweltverführung)“, sagt er. „Das brachte mir eine Storchendame bei, die ich von Hand aufgezogen hatte. Sie hielt sich für einen Menschen und folgte mir überallhin.“ Kinder habe das schwer beeindruckt. „Wenn man erreicht, dass ihnen vor Staunen der Mund offen bleibt, dann kann man ihnen wichtige Botschaften hineinwerfen“, erklärt Sargatal, der bis heute ein besonders großes Herz für Störche hat. Dazu macht er eine Geste, als würde er einen Vogel füttern.