„Angela“ steht in weißen Großbuchstaben auf dem grünen Schild über der Tür der Mercería Ca Donya Àngela unterhalb der Plaça Major in Palma. Unten rechts das Gründungsjahr: 1685. Es ist das älteste Geschäft in Palma. „Unsere Kurzwarenhandlung gibt es bereits seit 337 Jahren“, rechnet der Betreiber Miguel Aguiló vor. „Ich bin die elfte Generation, die hier arbeitet“, sagt er.

Ob es eine zwölfte geben wird, ist ungewiss. Miguel Aguiló will bis zur Pensionierung ausharren, dabei steht er hier schon seit 45 Jahren hinter dem Tresen. Er hat zwei Kinder, die sich zumindest bislang kaum für den Verkauf von Knöpfen und Nähgarn interessieren. Vielleicht ändern sie ihre Meinung noch, vielleicht auch nicht, vielleicht findet sich ein Pächter.

Miguel Aguiló führt in der elften Generation die Mercería Ca Donya Àngela Nele Bendgens

Schwierige Zeiten für Palmas mercerías

Bei anderen mercerías sieht es nicht viel besser aus. Die Gran Mercería Detalls im verkehrsberuhigten Carrer Blanquerna wird schon bald endgültig schließen. Angeles Viada, die Inhaberin des Nähbedarf- und Stoffgeschäfts, geht nach 34 Berufsjahren in Rente. Ihre Näh-, Strick- und Patchworkkurse will sie aber weiterführen. „Die Menschen brauchen ein Hobby, eine Ablenkung von den Sorgen und Problemen des stressigen Alltags“, erzählt sie. „Im Lockdown hat man sehen können, dass diejenigen, die ein Hobby hatten, die Zeit besser überstanden haben und sich zu beschäftigen wussten.“

Die Geschäfte laufen nicht gut. Angeles Viada zählt die Gründe auf: Coronapandemie, der Boom des Onlinehandels und die Konkurrenz durch die Ein-Euro-Shops mit China-Ware. Dabei könne man deren Qualität nicht mit der ihrer Kurzwaren vergleichen. „Diejenigen, die Qualität zu schätzen wissen, sind doch nicht blöd“, fügt sie mit einem Zwinkern hinzu.

Eine Krise folgt der nächsten

Die Pandemie ist für Antonia Planas von der Mercería Jutipiris im Carrer Guillem Galmés hingegen nur zweitrangig. „Verluste machten wir bereits in der Wirtschaftskrise, die 2008 begann. Auf eine Krise folgte jetzt lediglich die zweite“, sagt sie. Beim Einstieg ins Geschäft vor 33 Jahren war das noch anders. Als ihre Mutter sie eines Tages anrief und ihr erzählte, dass eine mercería zum Verkauf stünde, zögerte sie nicht lange. „Ich liebe den direkten Kontakt zu Menschen. Niemals könnte ich den ganzen Tag alleine vor einem Computer sitzen“, sagt sie. Neben Nähzeug verkauft sie vor allen Dingen Unterwäsche.

Ein Geschäft, das verbindet

Über die Zeit hat sie mit vielen Kunden Freundschaft geschlossen, einige schauen tagtäglich vorbei, nur um zu grüßen. Ob Mütter mit Kindern, Rentner oder junge Leute von der Schule nebenan, alle aus ihrem Viertel Arxiduc im Norden der Stadt kennen sie. Ihre mercería sei einer der wenigen sozialen Treffpunkte des Stadtviertels, sagt Antonia Planas.

Auch sie beobachtet die Schließung anderer mercerías mit Sorge, findet sie aber nachvollziehbar. „Es ist nicht einfach, die Türen offen zu halten. Damit sind viele Kosten verbunden, etwa für Strom oder Steuern. Das können sich nicht alle leisten“, sagt Planas.

Antonia in ihrer Mercería Jutipiris Hannah Turlach

Modernisierung ist das A und O

Andrea Torlaschi, die nahe der Einkaufsstraße Carrer Sant Miquel La Tienda Taller – La mercería betreibt, sieht noch einen anderen Grund für die Probleme der Kurzwarenhandlungen. „Die meisten von ihnen wissen sich nicht zu modernisieren. Heute zählt, immer das Neueste vom Neuesten vorrätig zu haben und das am besten sofort“, sagt sie. Das heiße auch, geringere Mengen einzukaufen. Anders ginge es nicht, wie man an den vielen Schließungen sehe.

Während der zweimonatigen Ausgangssperre hat Torlaschi sich mit dem Nähen von Masken über Wasser gehalten. In ihrer La tienda taller gibt es ein großes Angebot an Wolle und Garn. Derzeit versucht die Uruguayerin es mit Nähkursen, die sie für Klassen mit bis zu sechs Personen anbietet. Nach elf Jahren im Geschäft käme sie momentan gerade so über die Runden. „Aber es gibt ein wenig Hoffnung”, sagt Torlaschi. Anders als in anderen mercerías seien viele ihrer Kunden nicht Einheimische, sondern Ausländer. Mit der heiß erwarteten Wiederkehr vieler Urlauber in dieser Sommersaison hofft sie wieder auf mehr Kundschaft. Vollstes Vertrauen hat sie darin jedoch nicht.

Nähkurse in der Tienda Taller Hannah Turlach

Tradition seit 1939

An Kunden scheint es zumindest an diesem Freitagmorgen in der Mercería La Veneciana nicht zu mangeln. Alle zwei Minuten betritt jemand das Geschäft im Carrer Ample de la Mercé, grüßt freundlich und schaut sich nach einem blauen Baumwollpyjama, schwarzen Socken oder roten Knöpfen um. „Es ist keine eintönige Arbeit, das gefällt mir besonders“, verrät der Betreiber Pere Arbona. Sein Großvater gründete die Kurzwarenhandlung 1939.

Auch seine mercería habe natürlich unter dem Lockdown leiden müssen. Dennoch sei derzeit ein Aufschwung zu verzeichnen. „Langsam erreichen wir wieder unsere normale Anzahl an Kunden“, erklärt Pere Arbona. Einfach sei die Situation aber trotzdem nicht, denn bei den Verkäufen im Geschäft handele es sich meist nur um kleinere Beträge. Ein Vermögen könne man damit nicht verdienen. „Vielleicht ist das mit ein Grund für die vielen Schließungen“, vermutet Pere Arbona.

Der feste Kundenstamm macht den Traditionsläden in Palma de Mallorca Mut

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Was alle mercerías verbindet, ist das Vertrauen, das sie in die Treue ihres festen Kundenstamms setzen. Ob jung oder alt, mittlerweile ist die Kundschaft der Kurzwarenhandlungen auf keine Altersgruppe zu beschränken. „Nähen schien über lange Zeit eine Art Bestrafung. Heute ist das anders. Auch immer mehr junge Leute kaufen jetzt bei uns ein”, sagt Miguel Aguiló. Der Grund: Während des Lockdowns hätten auch junge Menschen mit dem Nähen angefangen, um sich die Zeit zu vertreiben. „Das sind Menschen, die sich für Mode begeistern und sie personalisieren wollen“, sagt Pere Arbona.

„Auf meine treuen Kunden ist Verlass“, betont Antonia Planas von der Mercería Jutipiris. Momentan könne sie sich gut über Wasser halten. Wie lange allerdings noch, das kann sie nicht genau sagen. Wie die anderen hofft Antonia Planas ihr Geschäft bis zur Rente offen halten zu können. 46 Berufsjahre wären es dann insgesamt. „Toda la vida“, sagt sie und lacht. Das ganze Leben.