Wer aus einer ländlichen, katholischen Gegend in Deutschland stammt, kennt die Tradition: In der Karwoche schweigen die Glocken der Kirchtürme, stattdessen ziehen Kinder und Jugendliche in Gruppen durch die Straßen und kurbeln an hölzernen Apparaten, die ordentlich Krach machen, um auf die Gebetsstunden und die Gottesdienste aufmerksam zu machen. Dazwischen rufen oder singen die Klapperbuben und heute auch -mädchen sich reimende Verse und sammeln dann am Karsamstag an den Haustüren ihren „Klapperlohn“ in Form von Ostereiern, Geld oder Süßigkeiten ein. 

Ratschen – je nach Gegend heißt die Tradition in Deutschland und Österreich auch Klappern, Rätschen oder Rappeln – gab es auch auf Mallorca. Zumindest in den kleinen Dörfern der Insel seien bis in die 1960er und 1970er die Kinder mit den "maçoles" unterwegs gewesen, sagt Alfredo Claret, Geschäftsführer des Restaurierungsbetriebs Xicaranda in Palma zur MZ.

Erst einmal wieder herrichten

Heute sind die Lärminstrumente auf der Insel in erster Linie Restaurierungsobjekte. Bei Xicaranda wird gerade eine Ratsche hergerichtet, die auf dem Dachboden der Kirche Sant Nicolau in Palma gefunden worden war. Feuchtigkeit und Schädlinge haben dem fast vergessenen Holzinstrument arg zugesetzt. Vor Kurzem wurden in der Werkstatt zudem auch maçoles aus Sineu restauriert, deutlich größere Apparate. 

Im Gegensatz zu Deutschland hatten die Klappern zur Semana Santa nämlich hier noch mehr Funktionen. Neben den handlichen Apparaten für die Straße – rund fünf Kilo Gewicht, ausgestattet mit Lederriemen zum Tragen auf der Schulter – gab es auch Versionen für den Glockenturm, die von Kindern betätigt wurden. Eine spezielle Rolle spielten die Apparate bei der Karmette, dem „Oficio de Tinieblas“: Die Kerzen wurden gelöscht, und im Dunkel der Kirche ahmte der Krach der maçoles ein Erdbeben nach, das laut biblischer Überlieferung im Moment des Todes Jesu Christu am Kreuz die Erde erschütterte. Es war wohl ein eindrucksvolles Spektakel: In ebenfalls gefundenen Manuskripten vergleicht ein Chronist das Getöse mit dem Treiben in einer Stierkampfarena. „Das wirkte wie eine Plaza de Toros“, schreibt Agustín Buades. 

Eine mallorquinische Ratsche - "maçola" - aus der Nähe. Der Apparat vermag ordentlich Krach zu machen. MARÍA PEDRAZ

Die Tradition verschwand auf Mallorca nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil zu Beginn der 1960er-Jahre – nicht weil sie verboten worden wäre, sondern weil der Gottesdienst reformiert und vereinfacht wurde, wie Claret betont. Und so verschwanden die Ratschen auf der Insel sowie in ganz Spanien auch aus dem Straßenbild, wo mit den Prozessionen und Heiligenfiguren ohnehin eine aufwendige Tradition viel Aufmerksamkeit auf sich zieht.

So funktionieren die Krachmacher

Erst jetzt werden die "maçoles" auf Mallorca wiederentdeckt, wobei die Apparate weniger wegen ihres künstlerischen als wegen ihres ethnologischen Wertes Interesse wecken. Ihre Funktionsweise ist denkbar schlicht: Eine Handkurbel setzt eine Walze mit Nocken in Bewegung. Diese heben eine Reihe von Holzschlägeln an, die dann beim Zurückschnellen auf den massiven Resonanzkörper ordentlich knallen.  

Einer dieser Schlägel musste bei dem in der Kirche Sant Nicolau gefundenen Exemplar ganz ersetzt werden. Ansonsten wurde die Ratsche in der Werkstatt Xicaranda umfassend gereinigt, desinfiziert und versiegelt. Das wohl mehr als hundert Jahre alte Instrument soll nun während der Ostertage in der Kirche ausgestellt werden, aber vielleicht nicht nur das, wie Claret erklärt: Es gäbe auch die Idee, die "maçoles" am Gründonnerstag erneut erklingen zu lassen – erstmals wieder nach mehr als 50 Jahren.