„Das Fenster ist wie ein Gemälde“, sagt Antoni Bennasar, „das ist mein Lieblingsort hier.“ Der Bürgermeister von Lloret de Vistalegre steht im obersten Stock des ehemaligen Klosters, der weithin sichtbar über dem Ort thront, und blickt durch zwei Fenster hinaus nach Osten und Süden auf die Landschaft des Pla. Da die Region in der Inselmitte flach ist – so auch die wörtliche Übersetzung –, reicht die Sicht weit über Häuser, Felder und sanfte, heute nebelverhangene Hügel. Ganz klar, hier wäre ein idealer Ort für eine Suite. Dann, wenn hier irgendwann ein herrschaftliches Hotel eingerichtet ist.

Die Begeisterung des Bürgermeisters ist überbordend, sein Stolz nur zu verständlich. Die Gemeinde mit rund 1.600 Bewohnern hat von dem historischen Komplex gerettet, was zu retten war, und die knapp 1,1 Millionen Euro teuren Restaurierungsarbeiten jetzt so gut wie beendet. Und weil die Kommune für eigene Räumlichkeiten nicht mal die Hälfte der insgesamt rund 4.000 Quadratmeter benötigt, soll das historische Gemäuer zum Wirtschaftsmotor für das Dorf werden – als Veranstaltungsort, vor allem aber als Luxushotel. Die spanische Nationalstiftung hat zwar den Vorschlag der Gemeinde verworfen, hier einen „Parador“ einzurichten, wie die exklusiven Hotels mit historischer Bausubstanz in Staatsbesitz genannt werden. Doch diesen Rückschlag nimmt der Politiker der Lokalpartei Endavant Lloret sportlich. Es wird sich schon eine Lösung finden.

Der ehemalige Essenssaal der Mönche. | FOTO: BENDGENS

Franziskaner und Dominikaner

Bennasar nimmt die MZ mit auf eine Führung durch den Komplex, aber auch durch verschiedene Epochen. Da wäre einmal die Gegenwart: Besucher können bei jedem Gebäudeteil leicht ausmachen, was von früher stammt und was im Rahmen der Instandsetzungsarbeiten vervollständigt oder gar rekonstruiert werden musste. Da wären zurückliegende Jahrhunderte, als hier ab dem Jahr 1551 zunächst franziskanische, dann ab 1583 dominikanische Mönche lebten – letztere erbauten die angrenzende Pfarrkirche sowie den heute erhaltenen Komplex, der zeitweise Platz für mehr als hundert Mönche bot. Und da wäre die jüngste Vergangenheit, als zuletzt im Osttrakt franziskanische Nonnen wirkten und hier eine Vorschule untergebracht war – bis zum Weggang der Schwestern vor rund 20 Jahren, danach herrschte in den Gemäuern Leerstand.

Die Führung beginnt direkt im Büro von Bennasar. Denn auch das Rathaus, das seit den 60ern im früheren Kloster untergebracht ist, hat seine Räumlichkeiten dank der Restaurierungsarbeiten ausdehnen können. Zunächst hatte die Gemeinde nach dem Weggang der Franziskanerinnen im Jahr 2003 deren Gebäudeteil vom Bistum Mallorca erworben. Der größte Teil des Komplexes aber war bis zuletzt in privater Hand, eine Folge der sogenannten Desamortisation im 19. Jahrhundert. Damals überführte die spanische Regierung Immobilien der Kirche in Nationaleigentum und versteigerte sie anschließend zur Senkung der Staatsschulden. So kam es, dass Teile des Klosters zu Wohnungen parzelliert wurden.

Die einstige Bodega. | FOTO: BENDGENS

Diese zuletzt leer stehenden und heruntergekommenen Gebäudeteile konnte Bennasar mit einem Trick erstehen: Die Gemeinde drohte auf Basis der Denkmalschutzauflagen, die Wohnungen offiziell zur Bauruine zu deklarieren, sodass die nötigen Instandsetzungskosten den Eigentümern in Rechnung gestellt worden wären. Die Taktik ging auf, und die beiden Wohnungen wechselten vor drei Jahren für 100.000 und 220.000 Euro den Besitzer. Ein weiterer, heruntergekommener Trakt war der Gemeinde ohnehin schon zuvor überlassen worden.

„Hier begann eine der Wohnungen“, sagt der Bürgermeister und zeigt auf eine Wand in seinem Büro. Wo früher ein Esszimmer war, ist jetzt der Konferenzraum. Und in der Gemeindebücherei mit dem jetzt wieder freigelegten, steinernen Gewölbe lässt sich mit ein bisschen Fantasie nachvollziehen, wo Schlafzimmer, Küche und Autogarage untergebracht waren, zumal einzelne Elemente wie etwa der Lebensmittelschrank geblieben sind. Ein Teil des heutigen Ausstellungssaals war mal ein Bad.

Zwischenwände verschwanden, Durchgänge wurden geöffnet, Türen verschlossen, ein Aufzug eingezogen, auch ein zwischenzeitlich eingestürztes Stockwerk wieder aufgesattelt – geblieben ist der Eindruck eines Labyrinths oder auch von Puzzle-Teilen, die sich nur widerwillig wieder zu einem Ganzen zusammenfügen und somit die wechselvolle Vergangenheit des Komplexes widerspiegeln. Und in dieses Puzzle passt irgendwie auch der gläserne Panorama-Aufzug hinunter zum Parkplatz, dessen Lizenz jahrelang Schlagzeilen machte.

Hier spielte er als Kind Basketball, der Eisenring ist geblieben: Bürgermeister Bennasar. | FOTO: BENDGENS

Manche Gebäudeteile sind fast nicht wiederzuerkennen. Bennasar zeigt auf seinem Handy ein Foto aus der Zeit vor der Restaurierung: Wo früher einmal im Untergeschoss der Weinkeller und im Obergeschoss der Essenssaal der Mönche waren, wucherte Unkraut zwischen bröckeligen Außenfassaden, Zwischendecke und Dach fehlten. Jetzt dagegen erstrahlt das rekonstruierte Gewölbe der früheren Bodega in indirekter Beleuchtung. „Hier ein Event, und danach der Cocktail im Freien“, schwärmt Bennasar, „das wäre doch was!“ Oder etwa Hochzeitsfeiern. Dass ein Teil der Terrasse früher zur Bestattung der im Kloster gehaltenen Nutztiere diente und bei der Restaurierung Unmengen von Knochen zum Vorschein kamen, muss man ja nicht so laut sagen. Mehr historische Bausubstanz als im früheren Weinkeller ist im einstigen Essenssaal darüber erhalten, der jetzt wieder Boden und Decke hat. Zu erkennen sind Spuren floraler Muster an den Wänden. Hier ist wieder ein Speisesaal denkbar – für Hotelgäste statt für Mönche.

Kindheitserinnerungen

In den weiteren Räumlichkeiten könnten wohl bis zu 16 Hotelzimmer Platz finden – Touristen brauchen schließlich mehr Platz als die Nonnen in ihren damaligen Zellen. In einem der Säle lässt sich auf dem Boden noch erkennen, wo die dünnen Wände zwischen fünf Zellen eingezogen waren, daneben eine Nische für den Gemeinschaftswaschraum. Dieser Platz ergäbe schon einmal zwei Hotelzimmer, schätzt der Bürgermeister. An die frühere Nutzung würde dann zumindest noch das Weihwasserbecken neben dem früheren Eingang erinnern.

Für die Menschen in Lloret stecken die Räume voller Kindheitserinnerungen, Bennasar selbst besuchte hier als kleiner Junge die von den Nonnen geführte Vorschule. „Hier haben wir immer die Lätzchen aufgehängt, der Raum kam mir damals viel größer vor“, sagt der Politiker beim Öffnen einer Tür zu einem Kabuff. Oder: „In diesem Saal haben wir Basketball gespielt, aber unter freiem Himmel.“ Inzwischen ist die Decke wieder eingezogen, der Eisenring für das Ballnetz wurde auf Vorschlag des Bürgermeisters in der Wand belassen.

So schön und weitläufig der Innenhof, so wenig ist von der einstigen Rundbogen-Struktur des Kreuzgangs geblieben. Dass in Lloret kein claustro wie in Inca oder Pollença erhalten ist, lässt sich mit der jahrzehntelangen Nutzung als Wohnraum erklären: Um mehr Platz zu haben, wurden die viviendas kurzerhand nach innen auf Kosten des Kreuzgangs erweitert. Geblieben sind nur die Ansätze der Rundbögen am umliegenden Mauerwerk.

Vor der Restaurierung fehlten Dank und Zwischendecke. | FOTO: BENDGENS

Ein paar Fenster müssen noch erneuert werden, dann ist die Restaurierung vorerst abgeschlossen. Zunächst werden die Bewohner von Lloret den Komplex wieder erstrahlen sehen. Für das zweite Wochenende im Mai, zur traditionellen Fira de Maig, sind eine Nit de l’Art mit einer Ausstellung von Gemälden und Skulpturen sowie ein Tag der offenen Tür geplant. Der Innenhof kann für Konzerte genutzt, ein Raum für Familienfeiern angemietet werden.

Wie es dann mit dem Hotel klappen soll, muss sich noch zeigen. Die spanische Nationalstiftung erteilte den Plänen zum ersten Parador auf Mallorca mit dem Argument eine Absage, dass derzeit nicht genügend Budget für die Einrichtung eines weiteren Hotels zur Verfügung stehe. Die Gemeinde will nun mit Inselrat und Landesregierung sprechen. Aber wenn sich keine öffentliche Trägerschaft findet, was würden die Bewohner von Lloret dann etwa zu ausländischen Investoren sagen?

Reste des einstigen Kreuzgangs, dahinter die Kirche. | FOTO: BENDGENS Frank Feldmeier

Bennasar sieht darin kein Problem – allen sei klar, dass das ehemalige Kloster nicht nur eine historische, sondern auch eine soziale und wirtschaftliche Bedeutung habe, dass man Urlauber in den Pla locken und Jobs schaffen wolle. Ein Museum oder ein Seniorenheim seien deswegen keine Option. Hier in Lloret, wo auch das geografische Zentrum Mallorcas liegt, fänden Besucher das ursprüngliche Mallorca, eine Ruheoase sowie einen idealen Ausgangspunkt, um die Insel etwa mit dem Rad zu erkunden, argumentiert der Bürgermeister, ganz Lokalpatriot. „Das hier ist ein echtes Juwel.“