Das große, verschlossene Tor hält nur diejenigen ab, die sich nicht auskennen. Denn links davon, etwas vom Gestrüpp verdeckt, windet sich ein Trampelpfad, der durch eine breite Lücke im Zaun in das ehemalige Militärgelände führt. „Die Nachbarn gehen hier oft spazieren“, erklärt Maria Antònia Oliver, die durch das Gelände bei Bendinat führt. Sie ist die Gründerin und Vorsitzende der Vereinigung Memòria de Mallorca (Gedächtnis von Mallorca), die die Verbrechen der Franco-Zeit auf der Insel aufarbeiten will.

Wie um ihre Aussage zu bestätigen, schlendert eine Frau mit einem Golden Retriever vorbei. Es ist sonnig, der Weg führt zwischen Kiefern, Kakteen und Aloe vera zu einer atemberaubenden Aussicht über die gesamte Bucht von Palma. Fast könnte man vergessen, dass das hier ein Ort des Bösen ist.

Vom Fort aus hat man einen weiten Blick über die Bucht von Palma. Nele Bendgens

Erbaut 1890, um sich vor meerseitigen Angriffen zu schützen, ist das Fortí de Illetes heute vor allem ein Zeugnis der Verbrechen der Franco-Diktatur. Die Aufständischen hatten gleich zu Beginn des Spanischen Bürgerkriegs (1936–1939) auf Mallorca die Macht übernommen; die von ihnen entfesselte Repression gegen die Anhänger der Republik kostete über 2.000 Menschen das Leben. Die Festung von Illetes diente als Gefängnis, mindestens 50 Menschen wurden hier zwischen 1936 und 1942 erschossen.

Das Fortí war somit einer der wichtigsten Schauplätze der Unterdrückung. Memòria de Mallorca fordert, hier eine Gedenkstätte einzurichten, und versucht seit Jahren, die Politik dazu zu bewegen, die ohnehin denkmalgeschützte Anlage von den privaten Eigentümern zu erwerben. Bislang vergeblich. Jetzt könnten eine Strategie der Nadelstiche sowie auch politischer Rückhalt zum Erfolg führen.

Seltenes historisches Dokument: eine Hinrichtung im Fortí de Illetes. Foto: Bartomeu Garí Salleras: "Porreres, desfilades de dia, afusellaments de nit", Ed. Documenta Balear

Seit das Militär in den 90er-Jahren das Fort verlassen hat, steht es leer. Die mallorquinische Familie, der das Gelände gehörte, beschloss 2003, es zu verkaufen. Die Gemeinde Calvià hatte ein Vorkaufsrecht und hätte es Maria Antònia Oliver zufolge zu einem niedrigen Preis haben können. Der konservative damalige Bürgermeister Carlos Delgado aber, dessen Mutter zur Besitzerfamilie gehörte, entschied sich dagegen. Stattdessen kauften Investoren die insgesamt drei Grundstücke – laut Oliver zu einem viel höheren Preis.

Und diese Gesellschaft, hinter der offenbar der britische Geschäftsmann und Immobilienunternehmer Brian Kennedy steht, lässt das Gelände jetzt verfallen. Die Eigentümer hoffen anscheinend, dass sich hier Denkmal- und Naturschutz irgendwann von selbst erledigen. Wenn sie die baufälligen Kasernen und Gefängnisgebäude abreißen dürften, könnten an dieser Stelle eines Tages sehr teure Immobilien gebaut werden.

Spuren der Franco-Diktatur auf Mallorca: Mehr als 100 Männer waren im Gefangenen-Trakt eingepfercht

Dort, wo die schöne Aussicht ist, wohnten früher Generäle. Jetzt liegen hier Matratzen von okupas, wie Hausbesetzer in Spanien genannt werden. Die Mauern, die Böden, selbst die Kakteen sind mit Graffiti übersät. Ein einsamer Basketballkorb im Gestrüpp zeugt noch von der Freizeitbeschäftigung der Soldaten.

Durch ein Tor mit krummen Gitterstäben geht es von der Freizeitwelt in die Welt der Gefangenen. In einem tiefen Graben stehen die Gebäude, in denen die Republikaner zusammengepfercht Tag und Nacht verbrachten. Hier geht Oliver nie allein hin. Unten im Gefangenentrakt liegt ein beklemmendes Gefühl in der Luft, es ist hier stiller als oben bei den Generälen. In der in einen Graben gebauten Baracke waren zeitweise mehr als hundert Männer eingepfercht.

Die Ziegel sind größtenteils abgefallen, einige Holzbalken hängen schon schief. Durch das zerlöcherte Dach entsteht ein Lichtmuster. Dort, wo die Gefangenen lagen, wächst jetzt Unkraut. Hin und wieder schaut ein Schmetterling vorbei. Das Grauen des Ortes ist spürbar, und doch verleiht die Natur dem Ganzen etwas Friedliches. Über den Graffiti ist nur noch schwer erkennbar der Spruch an die Wand gemalt, den Militär und Guardia Civil bis heute benutzen und mit dem die Schergen der Franco-Zeit ihre Verbrechen rechtfertigten: „Todo por la Patria“, „Alles für das Vaterland“.

Maria Antònia Oliver von Memòria de Mallorca. Nele Bendgens

Oliver schwebt hier eine Art Museum vor, ein Ort, an dem beispielsweise Schulklassen etwas über den Bürgerkrieg und die Militärdiktatur lernen könnten. Platz dafür wäre genug, auch wenn eine ganze Menge Renovierungen anstünden. Nur ist der Besitzer offensichtlich nicht daran interessiert, die denkmalgeschützten Gebäude zu erhalten. „Es wird Zeit, dass die Politik etwas unternimmt“, sagt Oliver. Mit ihrer Vereinigung hat die 64-Jährige schon vor Jahren angefangen, auf allen Ebenen nach Verbündeten zu suchen.

Von der Balearen-Regierung wünscht sie sich, dass das Gelände als „Ort des Gedenkens“ katalogisiert wird, einer Schutzfigur, die im Landesgesetz von 2018 zur Aufarbeitung von Bürgerkrieg und Diktatur vorgesehen ist. Jesús Jurado, in der Regierung für „Memòria històrica“ zuständig, versichert der MZ, dass man dazu auch bereit sei. Allerdings müsste die Angelegenheit noch von den zuständigen Ausschüssen behandelt werden. „Es ist ein großes Gelände, das in schlechtem Zustand ist. Man muss es erhalten, damit es nicht weiter zerfällt“, sagt auch Jurado. Die Besitzer seien dazu verpflichtet, einen weiteren Verfall der denkmalgeschützten Anlage zu verhindern.

Spuren der Franco-Diktatur auf Mallorca: Verein will die Besitzer des Fortí de Illetes unter Druck setzen

Um sie unter Druck setzen zu können, fordert Memòria de Mallorca vom Inselrat, einen Sachverständigen zu schicken, der den Zustand des Gebäudes überprüft. Es braucht bei den vielen Rissen und Löchern im Gemäuer zwar keinen Architekten, um zu bescheinigen, dass die Statik in Gefahr ist, aber mit einem amtlichen Schreiben könnte man auch offiziell von den Besitzern verlangen, die Gebäude instand zu halten. Zumal neben dem Denkmalschutz auch die Sicherheit eine Rolle spiele, sagt Oliver. Die Unfallgefahr auf dem baufälligen und unübersichtlichen Gelände mit seinen Gräben, Schächten und Ruinen ist groß. Offiziell ist der Zutritt auf das Privatgelände zwar verboten, doch daran hält sich offenbar niemand.

Unter den Baracken und dem Gefangenentrakt versteckt sich ein weites Tunnelsystem. Auch hier zieren Graffitti die Wände mit Sprüchen wie „Viva Franco“ (Es lebe Franco), aber auch „Por nuestros muertos“ (Für unsere Toten). „Menschen vom rechten und linken politischen Spektrum wissen, um welchen Ort es sich handelt, und pilgern hierher“, so Maria Antònia Oliver.

Ein weites Tunnelsystem verbrigt sich unter dem Fortí de Illetes. Auch hier sind die Wände voll mit Graffiti. Nele Bendgens

Dann gibt es noch diejenigen, die in den Tunneln und Baracken wohnen. Einige Räume sind wohnlich orange gestrichen, Schuhe stehen am Eingang, meist liegen aber nur dreckige Matratzen, kaputte Plastikstühle und Kondome herum. Die dunkleren Ecken des Tunnelsystems meidet Oliver. 2010 lag ein Toter in einem der Gänge, die Frau fürchtet, dass sie selbst mal eine Leiche entdeckt.

Beim Inselrat für Denkmalschutz zuständig ist Francisca Coll. Sie bestätigt gegenüber der MZ, dass eine Inspektion des Geländes bereits in Auftrag gegeben worden sei. „Bisher konnte unser Sachverständiger das Gelände aber nur von außen betrachten. Um hineinzugehen, brauchen wir noch die Erlaubnis der Besitzer“, sagt Coll. Diese Erlaubnis hätten sie vor wenigen Wochen beantragt. Coll ist zuversichtlich, dass sie sie auch erhalten.

Fortí de Illetes: Rathaus von Calvià auf Mallorca verhandelt mit den britischen Besitzern

Ebenso wie die Balearen-Regierung und der Inselrat wird auch das Rathaus Calvià von einer Linkskoalition aus PSIB (Sozialisten), Podemos Unidas und Més per Mallorca regiert. Und auch hier sagt Rafael Sedano, der für Denkmalschutz zuständige Gemeinderat, dass das Rathaus auf einer Linie mit dem Verein Memòria de Mallorca sei.

Die Gemeinde hat neben dem Fortí de Illetes bereits einen „Bosque de la Memoria“ eingerichtet, einen Wald der Erinnerung. „Dazu noch ein großes Gedenkzentrum wäre ideal“, sagt Sedano. Es gebe bereits Verhandlungen zwischen dem Rathaus und den Besitzern, 2,5 Millionen Euro habe die Gemeinde angeboten, 12,5 Millionen verlangten die Eigentümer. Immerhin: Man spricht miteinander. Die Strategie von Memòria de Mallorca, über die Behörden Druck aufzubauen, damit die Besitzer entnervt aufgeben und günstig verkaufen, könnte aufgehen.

Über das Gelände des Fortí de Illetes verteilt finden sich Überbleibsel der Militärzeit. Nele Bendgens

Bis dahin verfällt dieser Ort des Bösen weiter. Wo genau die Gefangenen erschossen wurden, ist unklar. Über Jahrzehnte wurde die Militärbasis weiter benutzt, die Wände wurden neu gespachtelt, neu hochgezogen. Es gibt keine Einschusslöcher, die von den Morden zeugen, die Überlebenden sahen nie, wo ihre Mitgefangenen hingebracht wurden.

Sie wussten nur: Wer abends aus dem Gefängnisraum in einen der Nebenräume gebracht wurde, kam nie zurück. „Erschießungen im Morgengrauen gehörten zum täglichen Ritual“, erinnert sich der inzwischen verstorbene Josep Pons in einem Buch über seine Zeit als Häftling im Fortí de Illetes. „Einmal zählte ich 14 Schuss.“

Das könnte Sie interessieren:

Spuren der Geschichte: Die Franco-Diktatur auf Mallorca

1936 putschten in Spanien nationalistische Generäle gegen die erst 1931 gegründete Zweite Republik. Es entbrannte ein blutiger Bürgerkrieg, der sich bis 1939 hinzog und in eine 36-jährige Diktatur unter Francisco Franco mündete. Auf Mallorca übernahmen die Aufständischen bereits zu Beginn des Bürgerkriegs die Macht und entfesselten mit Unterstützung italienischer Militärs eine blutige Repression. Die deutsche Legion Condor flog von Pollença aus Luftagriffe auf das Festland. Die Verbrechen während des Bürgerkriegs und der Diktatur wurden lange Zeit kaum aufgearbeitet.