Die Picknickdecken sind auf dem Sand ausgebreitet, die letzten Strahlen der Abendsonne tauchen die Strände in orangefarbenes Licht und werden bald abgelöst von einem Meer aus Kerzen und kleinen Feuerstellen. Solche und ähnliche Bilder bleiben jedem in Erinnerung, der einmal die Nit de Sant Joan vom 23. auf den 24. Juni, auf Mallorca erlebt hat. Es ist eine ganz besondere Stimmung, die die Johannisnacht auf Mallorca mit sich bringt. Romantisch-schön, für manche magisch, aber auch ausgelassen.

Über die Jahre ist es für viele Bewohner der Insel zur Tradition geworden, die Nacht kurz nach der Sommersonnenwende am Strand zu verbringen. Ob als Pärchen, mit der Familie oder in großen Freundesgruppen suchen die Menschen sich in den Abendstunden ein Plätzchen am Wasser. Manche sind in Weiß gekleidet, um die innere Reinheit zu symbolisieren. Es wird geredet, gelacht, getrunken, gegrillt und getanzt, bis dann um Mitternacht zumindest die Mutigsten mit voller Montur ins Wasser gehen. Denn, so sagt man, das bringt Glück und Gesundheit.

Auch die Behörden sind längst auf den Andrang vorbereitet – viele Gemeinden erlauben in der Johannisnacht ausnahmsweise, Lagerfeuer am Strand zu entfachen. Wer eines entzünden möchte, sollte sich aber auf jeden Fall über die vor Ort geltenden Bestimmungen informieren. An Palmas Stadtstränden, die zu Sant Joan meist aus allen Nähten platzen, sind eigens Reinigungskräfte eingeplant, die für Ordnung sorgen und die Besucher zudem dazu anhalten, dies selbst zu tun.

So heidnisch wie religiös

Doch obwohl viele Einheimischen dem Abend mittlerweile freudig entgegenfiebern und sich auf ihren Picknickdecken der Insel-Rotwein, die Quely-Cracker und die Sobrassada sammeln – die Wurzeln des Johannisnachts-Brauchtums liegen keinesfalls auf Mallorca.

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So war Sant Joan auf Mallorca

In zahlreichen Ländern der Erde sind um dieses Datum herum die Menschen in magischer Feierstimmung. Auch in einigen Regionen Deutschlands tanzen die Leute um die Johannisfeuer – dem Volksglauben nach soll das Johannisfeuer Dämonen abwehren, die Krankheiten hervorrufen, dem Vieh schaden oder misswüchsige Kinder bewirken. Auch das nächtliche Johannisbaden in Flüssen oder Seen ist europaweit verbreitet, immer in Anlehnung an den Patronatstag von Johannis dem Täufer am 24. Juni. Dabei waren Rituale in den kurzen Sommernächten im Juni auch schon in heidnischen Bräuchen vor der Verbreitung des Christentums fest verankert.

Größtes Gewicht hat die Johannisnacht wohl in Brasilien. Unter dem Namen São João ist sie vor allem im Nordosten des Landes das zweitwichtigste Fest, gleich nach dem Karneval. Freudenfeuer und Volkstänze werden hier teilweise durch alte Rituale der afrobrasilianischen Candomblé-Religion ergänzt. So auch einige Bräuche rund um Yemayá, der Göttin des Meeres und der Mutterschaft. Ihr zu Ehren werden unter anderem in der Johannisnacht Blütenblätter und schwimmende Kerzen ins Wasser gelassen.

Party mit den Latinos

Auch an Mallorcas Stränden ist der Anblick solcher Rituale am 23. Juni nicht selten. Überhaupt ist auffällig, wie hoch der Anteil an Lateinamerikanern ist, die sich in der Johannisnacht an den Stränden einfinden. Oft sind sie es – meist in großen Gruppen unterwegs und mit Gitarren oder Gettoblastern ausgestattet – die maßgeblich nicht nur zu der wundersamen Stimmung sondern auch zur Party beitragen.

So ist die Nit de Sant Joan auf Mallorca ein gutes Beispiel dafür, wie sich Traditionen und Bräuche verschiedenster Kulturen vermischen, ergänzen und weiter entwickeln. Mittlerweile haben auch viele deutsche Inselresidenten die Feierlichkeiten am Strand für sich entdeckt. In der Facebook-Gruppe „Cala Ratjada Insider“ organisieren sich die Deutschsprachigen schon seit Tagen, um an dem Abend zusammenzukommen – mit ganz eigenen Erinnerungen an die Vorjahre.