Im deutschen Konsulat in Palma geht es eng zu, der Empfang von Besuchern ist kompliziert. Konsul Wolfgang Engstler schlägt für ein Interview zur Bilanz seines ersten Mallorca-Jahres stattdessen die Bar Son Carlos vor, am Ende der Hafenmole von Porto Pí. Mit seinem Elektroroller ist es nur ein Katzensprung dorthin. Im Schatten der Bäume und mit Meeresbrise ist es gut auszuhalten, nur ein Hupkonzert von Lkw-Fahrern, die auf die Auffahrt zur Fähre warten, stört ab und an das Gespräch.

Was ist schwieriger als Konsul zu managen, die Pandemie oder die Hochsaison?

Beides sind große Herausforderungen. Während Corona kamen wir ganz gut über die Runden, wir konnten den Betrieb vollständig aufrechterhalten. Aber der Sommer vergangenen Jahres war durchaus herausfordernd, wenn wir an die vielen Deutschen denken, die in den Corona-Hotels untergebracht waren, und die vielen Angehörigen, die sich Sorgen machten. Manche wollten sich nur über das schlechte Essen im Corona-Hotel beschweren, das gab es auch.

Inwieweit konnten Sie den Betroffenen in dieser Situation überhaupt helfen?

In diesem Fall konnten wir als Konsulat nicht viel weiterhelfen. Es war ja auch von Anfang an klar gesagt worden, dass positiv getestete Urlauber nicht zurückfliegen können. Das mussten wir vielen noch einmal erklären.

Hatten die Inselbehörden die Lage im Griff?

Anfangs gab es Kommunikationsprobleme, die aber gelöst wurden. Es wurde eine Hotline mit Informationen auch auf Deutsch eingerichtet. Das hat eigentlich ganz gut geklappt und sich mit der Zeit eingespielt. Aber trotzdem ist es für Touristen ein Schock, wenn sie kurz vor Abreise erfahren, dass sie zwei Wochen in Quarantäne müssen. Es gab auch jüngere Partygänger, die durchaus Schuldbewusstsein zeigten und sagten: Mit diesen Konsequenzen müssen wir jetzt leben.

Jetzt wird an der Playa wieder gefeiert wie vor Corona. Was bedeutet das für das Konsulat?

Dass die Saison wieder läuft, merken wir spätestens seit Ostern. Die Zahl der Diebstähle von Pässen bei Touristen hat immens zugenommen. Am Wochenende bekommt unser Bereitschaftsdienst deswegen zwischen 50 und 80 Anrufe. Es gibt wieder tödliche Badeunfälle und auch Festnahmen von deutschen Urlaubern, allein am Pfingstwochenende waren es vier. Es handelt sich dabei meistens um Streitigkeiten, wobei fast immer Alkohol mit im Spiel ist. Auf Ibiza ist ein deutscher Bundesligaspieler in Haft, hier in Palma betreuen wir acht der 13 festgenommenen Kegelbrüder, die weiter in Untersuchungshaft sitzen. Wir sind mit den hiesigen Behörden und den Rechtsbeiständen in ständigem Austausch. Ich muss sagen, dass ich sehr beeindruckt bin vom starken Zusammenhalt der Gruppe.

Reicht das Personal des Konsulats aus, um all diesen Aufgaben nachzukommen?

Für einen Gefängnisbesuch ist man drei Stunden unterwegs, das ist schon zeitaufwendig. Derzeit sind wir zu elft im Konsulat, davon sind vier von Deutschland entsandt. Wir hätten natürlich gerne mehr Personal, aber abgesehen von den Sparzwängen gäbe es auch gar nicht genügend Platz.

Man hat dennoch den Eindruck eines in der Öffentlichkeit sehr präsenten Konsuls …

Das hat für mich hohe Priorität. Gerade im ersten Jahr ist man natürlich auch neugierig auf Veranstaltungen, Gespräche und Begegnungen. Das ist zeitaufwendig, aber Teil des Jobs.

Die Mallorca-Deutschen gelten als Individualisten. Welchen Eindruck haben Sie bislang von der Community gewonnen?

Das ist sehr vielschichtig. Ich stelle schon fest, dass es eine Art deutsche Parallelgesellschaft gibt, man bleibt schon gerne unter sich. Das hängt wohl auch damit zusammen, dass viele ihren Wohnsitz in Deutschland behalten haben und oft auf dem Sprung sind, deswegen gibt es vielleicht auch weniger Notwendigkeit zur Integration als an Orten, die weiter von Deutschland entfernt sind.

Stichwort Overtourism und Wohnungsnot: Man kann eine verstärkte Sensibilität in der öffentlichen Debatte auf Mallorca feststellen. Gibt es dafür ausreichend Bewusstsein in der deutschen Community?

Man kann natürlich nicht alle über einen Kamm scheren, aber ich glaube, das ist nicht immer in vollem Umfang der Fall. Als Deutsche haben wir manchmal die Tendenz, einiges besser zu wissen. Da müssen wir vielleicht aufpassen, wie wir rüberkommen, nicht nur auf Mallorca. Bei sensiblen Themen wird auch schnell etwas aus dem Zusammenhang gerissen, auch deshalb ist Fingerspitzengefühl gefragt. Auf der anderen Seite darf man aber auch diejenigen Deutschen nicht vergessen, die gemeinsam mit Mallorquinern interessante Projekte auf die Beine stellen. Natürlich muss auch der Tourismus nachhaltiger werden. Aber die Regierung hat ja jetzt ein neues Tourismusgesetz verabschiedet und zum Beispiel auch die Kreuzfahrtschiffe begrenzt. Das sind wichtige Schritte in die richtige Richtung. Insgesamt haben, glaube ich, alle dasselbe Interesse, nämlich dass Mallorca ein attraktives Urlaubsziel bleibt.

Wie kommen die Pläne zum Umzug des Konsulats an den Borne-Boulevard voran?

Wenn Deutschland etwas plant, geschieht das natürlich gründlich, auch die Pandemie hat uns etwas ausgebremst. Wir hoffen, dass es in zwei Jahren so weit ist. Eine Einweihungsfeier in den neuen Räumlichkeiten wäre zumindest ein schöner Abschluss meiner Amtszeit.

Werden am Borne Behördengänge leichter?

Wir werden mehr Schalter haben und können dann mehr Termine vergeben. Das wird die Wartezeit für Passangelegenheiten verkürzen.

Wie lang ist sie derzeit?

Rund vier Wochen. Wir blockieren aber auch Termine für Touristen, die ihren Pass verlieren. Werden diese nicht gebraucht, schalten wir sie kurzfristig frei. Wir hatten auch Gespräche mit den Fluglinien und der Polizei am Flughafen und haben erreicht, dass sie pragmatischer vorgehen. Bei Verlust des Ausweises können die Touristen jetzt ohne weitere Kontaktaufnahme mit dem Konsulat zurückreisen, wenn sie Kopie oder Scan des Ausweises sowie eine Verlustanzeige der Polizei haben.

Das war bislang auch schon so, mit Ausnahme von Ryanair, oder?

Ich kann keine Namen nennen, aber jetzt handhaben das alle Airlines in Palma so, auch wenn es keinen Rechtsanspruch darauf gibt.

Gibt es Vorstöße in Richtung digitale Verwaltung im Konsulat?

Es gibt Pilotprojekte. Im Auswärtigen Amt wird ein System entwickelt, um Antragsformulare online einreichen zu können. Dann wird man nur noch kurz zur Abgabe der Fingerabdrücke ins Konsulat kommen müssen.

Welche Schwerpunkte wollen Sie in den kommenden drei Jahren setzen – soweit es das Tagesgeschäft zulässt?

Ich hoffe, es bleibt Zeit für kulturelle Veranstaltungen und andere Projekte. Ich denke da etwa auch an die Audi-Motoren, mit denen in mallorquinischen Windmühlen Energie erzeugt werden soll, das Projekt läuft hoffentlich weiter. Auch wenn wir mangels finanzieller Mittel keine großen Sprünge machen können, wollen wir versuchen, mallorquinische und deutsche Künstler zusammenzubringen.