Dan Marsh sitzt vor seinem Weinfeld im Schatten und streckt die Arme aus. „Man merkt direkt, dass es durch die Brise angenehm kühl wird“, sagt er. „Es hat hier in Esporles meist zwei bis vier Grad weniger als in Binissalem.“ Mitten in der Hitzewelle wirkt nichts „angenehm kühl“, aber ja, die warme Luft bewegt sich hier etwas, und dem spanischen Wetterdienst zufolge ist es in Binissalem, der Hauptregion für mallorquinischen Wein, gerade zwei Grad heißer.

Ob 34 oder 36 Grad mag auf den ersten Blick nicht so relevant erscheinen, aber Dan Marsh sieht darin die Chance, dass sein Weingut aus der Masse an mallorquinischem Wein herausstechen könnte. Denn weniger Hitze bedeutet weniger Zucker und damit auch Wein mit einem geringeren Alkoholgrad. „Wir wollen vor allem leichte Sommerweine herstellen“, sagt Marsh.

Weingut neben Pferdeställen

Ses Rotes, ein Anwesen drei Kilometer außerhalb von Esporles, gehört seit 2017 Dan und Emelie Marsh. Der Brite und die Schwedin kamen vor zwölf Jahren mit ihren zwei Töchtern auf die Insel, ihre dritte Tochter wurde bereits hier geboren. Emelie Marsh ist ehemalige Springreiterin, das Ehepaar arbeitet schon länger als Pferdewirte, sie kaufen Tiere, trainieren und verkaufen sie dann wieder. Zusätzlich dazu bieten sie Stellplätze an, in seltenen Fällen auch Reitstunden.

Dieses Geschäft, das sie in verschiedene Länder geführt hat, konzentriert sich jetzt in Ses Rotes. Weil das Anwesen mit 40 Hektar so groß war und auch über eine Wasserquelle verfügte, beschlossen sie zusätzlich ein Weingut aufzubauen. Inzwischen ist Emelie Marsh für die Pferde verantwortlich, Dan für den Wein.

Community an Ses-Rotes-Trinkern und -Freunden

Vor fünf Jahren pflanzten sie auf Ses Rotes die ersten Reben, die inzwischen auf sechs Hektar wachsen. Die Rebsorten richten sich nach dem Plan, leichte Sommerweine anzubieten. Zwei Hektar sind mit Sauvignon blanc für Weißwein bepflanzt, zwei weitere mit Callet, einer rote Rebsorte, die nur sehr geringe Alkoholwerte ergibt und die größtenteils in Verbindung mit Pinot noir für Rosé verwendet wird. Sonst gibt es noch Syrah-Trauben und eine geringe Menge Garnacha.

Bisher werden die Weine als Jungweine verkauft, ohne in ein Fass zu kommen. In der Bodega stehen aber bereits Fässer aus französischer Eiche, ein Teil der diesjährigen Lese soll darin lagern, bevor der Wein in Flaschen abgefüllt wird. „Wir experimentieren noch“, sagt Marsh.

Weiß, rosé, rot, orange: Dan Marsh vor den vier Weinen mit Jahrgang 2021. Nele Bendgens

Auf den Wegen zwischen den Weinfeldern reitet immer mal wieder jemand vorbei. Marsh grüßt dann oder klettert auch mal höher auf den Weinberg, um dem Pferd mehr Raum zu lassen. „Das Tier hier wird leicht nervös“, erklärt er dann zum Beispiel. Er mag für den Wein zuständig sein, aber er kennt auch Pferd und Reiter. Eine Art Gemeinschaftsgefühl zu vermitteln, ist Teil des Konzepts dieses Weinguts. Dan und Emelie Marsh bauen derzeit eine Community an Ses-Rotes-Trinkern- und -Freunden auf.

Springreiten und Paella-Essen

Kundenbindung garantiert einen gewissen Absatz, ist aber auch mit Aufwand verbunden. Und für die Kunden mit einer Anfangsinvestition: Um in diese Community aufgenommen zu werden, muss man ein Starterpaket mit 13 Flaschen Wein kaufen (225 Euro), weitere Gebühren fallen nicht an. Die inzwischen rund 150 Community-Mitglieder können an vier Events im Jahr teilnehmen, bei denen zum Beispiel zum Springreiten und Paella-Essen oder zur Verkostung der neuen Weine geladen wird.

Das Weingut nimmt damit eine Tradition wieder auf. In den 60er- und 70er-Jahren gab es in Ses Rotes eine Showbühne, bei der es Essen, Trinken und auch Pferdevorführungen gab. In dem ehemaligen Gebäude lebt inzwischen die Familie Marsh, in der ehemaligen Arena trainieren wieder Pferde.

Selbst auf dem Feld mitarbeiten

Außerdem können Mitglieder mit Freunden eine Weinprobe organisieren und selbst auf dem Feld mitarbeiten. „Die Community-Mitglieder sind dem Weingut sehr verbunden und sind auch stolz darauf, Freunden ‚ihre‘ Weine präsentieren zu können“, erzählt Marsh. Ihm selbst ist der Stolz und auch Spaß an seinem Wein-Projekt ebenfalls anzusehen. Waren es 2020 noch 5.000 Flaschen, erwarten die beiden dieses Jahr schon 18.000 Flaschen. Die Preise liegen zwischen 15 Euro für den Rosé und 24 Euro für den orangen Wein.

Weine von Ses Rotes werden in einigen wenigen Restaurants und Hotels verkauft. Sonst können Kunden Marsh kurz per E-Mail (dan@sesrotes.com) Bescheid geben und bei Ses Rotes vorbeifahren. Informationen dazu gibt es unter sesrotes.com.