Keine lästigen Kompromisse, keine Meinungsverschiedenheiten – und ganz viel Zeit für sich. Alleinreisen hat so seine Vorteile, das wissen vor allem langjährige Singles zu schätzen. Doch gänzlich auf nette Gesellschaft verzichten wollen viele im Mallorca-Urlaub dann doch nicht. In Cala Ratjada hat sich ein Treff für deutschsprachige Kontaktfreudige etabliert. Die MZ war einen Abend lang dabei.

Donnerstagabend (22.9.), 20.05 Uhr: Eine kleine Gruppe hat sich bereits auf den langen Bänken im Grillrestaurant Balus an der Meerespromenade niedergelassen, die ersten Getränke sind bestellt. „Ich bin Petra Rey“, sagt eine freundliche Blondine mit einem offenen Lächeln. Es ist leicht, mit der 54-jährigen Kölnerin und Initiatorin des Treffs ins Gespräch zu kommen. Sie ist ähnlich aufgeschlossen wie die anderen am Tisch. Da ist Brigitte (64) aus der Nähe von Offenburg, die anfangs noch etwas schüchtern wirkt, dann aber auftaut. Sie sei zum ersten Mal beim Stammtisch, sagt sie. „Bei drei Wochen Cala-Ratjada-Urlaub alleine ist es schön, auch mal etwas mit Menschen zu unternehmen“, findet sie.

Echte Urlaubsfreundschaften

Christine und Petra, beide Mitte 50, nicken. Auch sie erinnern sich, wie sie erstmals alleine in den Küstenort kamen, der mit seinen Stränden und der Natur Rückzugsmöglichkeiten für Alleinreisende bietet, aber eben auch Nachtleben, Action und Kultur für alle, die Gesellschaft mögen. „Wir haben uns schon vor vier Jahren kennengelernt, damals über die Facebook-Gruppe Cala-Ratjada-Insider“, so Christine, und deutet auf Vera (58) und Meike (59) am Nachbartisch. Seitdem koordinieren die Frauen ihre Aufenthalte in Cala Ratjada meist so, dass sie zur selben Zeit im selben Hotel sind. „Streng genommen sind wir also gar keine Alleinreisenden mehr – offen für neue Kontakte sind wir trotzdem“, sagt Christine.

„Ich bin Wolfgang“, sagt ein 60-jähriger Mann, der etwas verspätet dazustößt. Alle nicken ihm freundlich zu. Kurze Vorstellungsrunde, und schon ist der Essener in die Gespräche eingebunden. Über Mallorca-News, über Erfahrungen in den verschiedenen Hotels, über die Strände. Keine Spur von verkrampftem Small Talk oder Brunftgehabe.

Austausch auch online

„Genau das war die Idee, dass die Leute sich beim Stammtisch kennenlernen und einen netten Abend haben, sich vielleicht auch für weitere Treffen verabreden. Ganz ohne irgendwelche Intentionen. Wir richten uns nicht nur an Singles, sondern an alle, die alleine reisen“, sagt Petra Rey. Von großen Liebesgeschichte, die durch den Treff angestoßen wurden, hat sie noch nicht gehört – wohl aber von zahlreichen Ausflugsgemeinschaften und sich anbahnenden Freundschaften. Die Kölnerin war es, die gemeinsam mit einer Freundin vor gut einem Jahr die Idee hatte, die Facebook-Gruppe „Cala Ratjada Singles & Alleinreisende“ zu gründen.

Rund 1.700 Mitglieder haben sich seitdem der Gruppe angeschlossen, fast täglich werden es mehr. Nicht nur bei den im Sommer wöchentlichen Treffen vor Ort ist der Austausch rege, sondern auch online. „Hat jemand Lust, am Samstag die Insel zu erkunden? Ich wollte mit dem Leihwagen Richtung Peguera und Valldemossa“, heißt es etwa in einem Eintrag. Darunter gleich mehrere Rückmeldungen. Auch ein gemeinsamer Konzertbesuch im Ort stößt auf Anklang. „Anfang September haben wir sogar ein eigenes Event veranstaltet, eine White-Party am Stadtstrand, das war toll“, sagt Rey.

Bunter Alters-Mix

Sie freut sich, dass auch Jüngere in der Gruppe aktiv sind. „Viele Mitglieder sind Mitte 20, auch wenn der Altersdurchschnitt heute Abend höher ist“, sagt sie. Die anderen sind gerade in ein Gespräch über K.-o.-Tropfen vertieft. Auch Neuzugang Wolfgang diskutiert rege mit. „Was uns wohl allen gemein ist, ist die Liebe zu Cala Ratjada. Für uns alle ist es wie ein Nachhausekommen, wenn wir hier sind, dabei wohnen wir alle in Deutschland“, sagt Rey. Noch zwei weitere Frauen stoßen verspätet hinzu, wieder rücken alle zusammen, wieder gehen die Gespräche unverkrampft weiter. Das Single-Dasein wird an diesem Abend nur am Rande angesprochen. „Ich bin glücklich geschieden, mir kommt kein Mann mehr dauerhaft ins Haus“, sagt Meike und erntet Zustimmung. Dann folgt schon der Themenwechsel: Wo der Abend ausklingen soll? Alleine sein will jetzt noch keiner.