Auf den ersten Blick liegt La Granja friedlich wie eh und je in seiner idyllischen Umgebung der Serra de Tramuntana oberhalb von Esporles. Eine himmlische Ruhe, Vogelgezwitscher, plätschernde Bachläufe, das satte Grün der Natur, die inzwischen nach dem langen und trockenen Sommer wieder erwacht – es ist nicht verwunderlich, dass es Tausende Urlauber, aber auch Einheimische Jahr für Jahr hierhin zog, um auf dem Museums-Landgut eine Ahnung von Alltag und Pracht der großen historischen Anwesen auf Mallorca zu bekommen. Allein wenn man genauer hinschaut, stellt sich schnell heraus: Zumindest mit der Pracht ist es auf La Granja schon länger vorbei.

Und sollte sie eines Tages wieder hergestellt werden, wird es eine andere sein: Das Landgut ist kürzlich verkauft worden. Die Eigentümerfamilie Seguí soll dafür von namentlich nicht genannten privaten Investoren zwölf Millionen Euro erhalten haben. La Granja stand seit 2017 zum Verkauf – ursprünglich gar für 17 Millionen Euro. Im Verkaufskatalog der Immobilienfirma war von einem „Leckerbissen“ die Rede gewesen.

Einer der Pfauen im Gehege. Johannes Krayer

Eintritt schon günstiger

Das Museum wird in Kürze schließen. Beim MZ-Besuch Ende September ist kaum ein Besucher auf dem Gelände unterwegs. Die Dame im Kassenhäuschen erklärt, dass der Eintritt inzwischen nur noch 10 Euro beträgt statt bisher 16,50 Euro. „Weil einige Ausstellungsstücke bereits abtransportiert werden.“ Die Welt von La Granja, sie ist im Untergang begriffen.

Noch ist ein Raum nach dem anderen vollgestellt mit Werkzeugen, mit denen die Menschen in früheren Jahrhunderten alles Erdenkliche hergestellt haben. Die Ausstellungsstücke reichen von Webstühlen, Olivenölpressen, Fläschchen zur Parfumproduktion, Tischlerwerkzeugen bis hin zu Folterbänken. Und doch ist offensichtlich, dass hier schon seit Längerem niemand mehr richtig Zeit und Geld investiert hat. Das Areal ist riesig, es gibt 63 verschiedene Stationen für Besucher. Wer sich genauer über die Zeit und die Ausstellungsstücke informieren will, wird aber alleingelassen.

Auch der zweiseitige Prospekt über La Granja, den man am Eingang per QR-Code scannen kann und dann auf dem Handy hat, ist äußerst dürftig. So erfährt man beispielsweise nicht, wer in dem Salon im florentinischen Stil mit Möbeln aus der Zeit von Ludwig XV. residierte oder was es mit der davor im Garten gelegenen „Liebeshöhle“ auf sich hat, einer kühl-feuchten Tropfsteinhöhle vor dem Hauptgebäude. In manchen Räumen hängen stark verblichene Erklärungen, die aus dem vorigen Jahrhundert zu stammen scheinen.

Und sonderlich sauber ist es auch nicht, in den Außenbereichen türmen sich verwelkte Blätter und anderer Schmutz vor den Ausstellungsgegenständen. Auch die zahlreichen Tiergehege sind wenig ansprechend gestaltet. In einem steht ein einsamer Esel. Im Wald trottet in einem anderen Gehege ein einsames schwarzes Schwein hin und her. Der Gestank, der dort herrscht, ist kaum auszuhalten. Der Verfall, er hat hier schon vor langer Zeit eingesetzt.

Blick in eine Idylle, die wohl nicht mehr lange der Öffentlichkeit zur Verfügung steht: auf der Außenterrasse. Johannes Krayer

Alles muss raus

Ein Kleinlastwagen fährt auf den Hof und hält vor einem Verschlag, in dem landwirtschaftliche Werkzeuge untergebracht sind. Drei Männer debattieren kurz darüber, was getan werden muss und greifen nach den Werkzeugen, um sie auf der Ladefläche des Lasters zu verstauen. „Ja, wir sind mitten im Abbau“, bestätigt einer der Arbeiter. Alles müsse raus. Am 15. Oktober werde das Museum für die Öffentlichkeit geschlossen.

Ansonsten geben sich die Angestellten auf der Finca nicht gerade redselig. Unten in der Cafeteria steht ein älterer Mann hinter der Theke. Er sieht traurig aus, als er auf die Schließung angesprochen wird. „Klar, die Cafeteria wird es dann auch nicht mehr geben, wir müssen alle raus.“ Den Schließungstermin 15. Oktober kann er nicht bestätigen. „Ja, das erzählt man sich so, aber ich habe noch nichts Offizielles gehört“, sagt er. Überhaupt hätten die Angestellten des Anwesens bisher kein Wort von den alten oder neuen Eigentümern über die Schließung erfahren.

Offensichtlich wird das Plaudern über die bevorstehenden Änderungen nicht gern gesehen. Mitten im Gespräch ruft die Dame aus dem Kassenhäuschen den Mann zu sich. „Telefon für dich“, behauptet sie. Doch keine Spur davon, sie holt ihren Kollegen zu sich und scheint ihm einen Einlauf zu verpassen.

Das Gelände, auf dem sich heute La Granja befindet, wurde bereits von den Römern und den Mauren wegen des Wasserreichtums der dortigen Quelle geschätzt. Nach der Eroberung Mallorcas durch die Christen im Jahr 1229 wurde das Anwesen 1239 wurde an die Zisterziensermönche abgetreten, die es 200 Jahre lang verwalteten. Danach war La Granja nacheinander im Besitz der Familien Vidal, Fortuny und Seguí. Die neuen Eigentümer sind womöglich Schweden.

Wehmut in Esporles

Ähnlich gedrückt wie die Stimmung auf der Finca selbst ist sie auch im darunterliegenden Esporles. Die Menschen sind mit La Granja aufgewachsen und dementsprechend enttäuscht, dass das Museum nun seine Pforten schließen soll. Seit Wochen ist der Verkauf des Anwesens Gesprächsthema in Esporles, es wird munter spekuliert. Dass das historische Anwesen in ein weiteres Luxushotel umgebaut werden soll, darüber gibt es im Dorf kaum einen Zweifel. Hoch im Kurs steht zudem die These, dass es schwedische Investoren sind, die das Anwesen gekauft haben. So genau weiß das aber anscheinend außer den direkt Beteiligten keiner.

In der Postfiliale von Esporles steht eine Frau hinter der Plexiglasscheibe am Schalter. „Das ist wirklich ein Verlust, dass La Granja schließt“, sagt sie. Eine andere Frau, die gerade den Boden kehrt, sagt: „Wir waren als Kinder immer im Sommer dort, ich habe viele Erinnerungen an das Landgut.“ Zumindest die kann ihr und den anderen Fans von La Granja niemand nehmen.