Kratzbäume, Katzenspielzeug, kuschelige Sofas, Sessel, Klettermöglichkeiten, kleine Holzhäuschen zum Zurückziehen – die Räumlichkeiten auf der Finca bei Vilafranca, in denen die ehrenamtliche Tierschutzorganisation Cats Karma ihre Schützlinge unterbringt, erscheinen beim MZ-Besuch am Dienstag (27.9.) geradezu ideal für Stubentiger. Mehr als 500 Katzen kamen hier zu Hochzeiten während der Corona-Pandemie unter. Aktuell sind es nur noch 380, und Cats Karma steht kurz vor dem Aus. Nicht, weil die Auffangstelle für Straßenkatzen nicht mehr benötigt wird – im Gegenteil. Doch ein von bekannten Influencern ausgelöster Shitstorm in den sozialen Netzwerken zwingt die deutsche Betreiberin Sina Hoffmann und ihre Mitstreiter in die Knie.

Wenn Hoffmann darüber redet, was in den vergangenen Monaten alles im Internet über sie veröffentlicht wurde, dann wirkt sie ehrlich betroffen. Sie hat nichts mit dem Klischee der militanten Tierschützerin gemein, die in ihrem Kampf ums Tierwohl den Bezug zur Realität verliert. Die Deutsche spricht zwar engagiert, bleibt aber eloquent und ruhig. Sie scheint nichts zu verbergen zu haben.

Es war im Jahr 2017, als die Schauspielagentin nach Portocolom zog. Noch immer pendelt sie beruflich bedingt zwischen Deutschland und der Insel – oft hat sie Katzen mit dabei, die sie nach Deutschland vermittelt. „Dabei war ich vor Mallorca eher der Hundetyp“, sagt sie. Es sei einfach so passiert, dass sie kurz nach ihrem Umzug immer öfter Katzen am Wegrand gerettet habe. Sie nahm sie auf, pflegte sie, versuchte, in Deutschland neue Halter für sie zu finden. Nach einigen Monaten wurden es so viele, dass sie gemeinsam mit ihrer Freundin Stefanie Schneider Cats Karma gründete und von Spenden die Finca bei Vilafranca mietete.

„700 Quadratmeter sind das hier, inklusive Außengelände“, berichtet Hoffmann bei der Führung. Vorne ist der Küchenbereich. Hier liegen die Logbücher, in denen die Frauen die Neuzugänge vermerken. Auch die Tabletten und andere Arzneimittel, die einige der Schützlinge brauchen, stehen hier bereit. Es folgen zahlreiche große Einzelkäfige. Darin sind die Katzen untergebracht, die neu dazustoßen und zunächst für ein paar Tage in Quarantäne müssen, bevor sie in die raumfüllenden Gemeinschaftsgehege im hinteren Bereich überführt werden. Alles wirkt sauber, die Tiere gepflegt. „Aber natürlich habe ich die Käfige heute schon sauber gemacht“, sagt Sina Hoffmann. „Über Nacht verwüsten gerade die Neuzugänge ihre Käfige, morgens sehen sie dann nicht mehr so ordentlich aus.“

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Zu Besuch bei Cats Karma auf Mallorca Nele Bendgens

Verhängnisvolles Foto

Genau dieser wenig spektakuläre Umstand sei es gewesen, der Cats Karma zum Verhängnis wurde. Oder besser gesagt: ein Foto eines der Käfige in chaotischem Zustand. „Es wurde aus dem Kontext gerissen“, sagt Hoffmann. Die aus dem deutschen Reality-TV-Format „Goodbye Deutschland“ bekannten Influencerin Nadescha Leitze verbreitete das Bild im Netz. Mit dem Vorwurf der Tierquälerei. Bald schossen immer mehr Leute mit Reichweiten von teils mehr als einer Million Followern auf Instagram gegen Cats Karma, darunter auch Lisha und Lou - ebenfalls aus „Goodbye Deutschland“ bekannt. Auch Danni Büchner teilte die Inhalte mit ihren Fans. Die Influencerin Senna Gammour stimmte in die Kampagne ein. „Der Hass verselbstständigte sich. Und das alles aufgrund von Hörensagen“, sagt Sina Hoffmann. Nicht ohne Folgen: Die Spenden brachen ein, die Unterstützer waren verunsichert. „Die Zweifel wurden bewusst genutzt, um weiter gegen den Cats Karma zu schießen“, so die Deutsche, die beim Erzählen um Fassung ringt.

Sechs Strafanzeigen

Und wie es so ist mit der Aufmerksamkeit im Netz, musste bald neuer Zündstoff her. Nicht nur das Thema der Tierquälerei kam bald aufs digitale Tableau, sondern auch das der Spendenveruntreuung. Cats Karma habe einen Spendenaufruf für einen querschnittsgelähmten Hund in Höhe von 13.000 Euro gestartet, obwohl die Tierarztkosten in Wahrheit nur 1.400 Euro betragen hätten, behauptete Nadescha Leitze auf Instagram. Um ihren Standpunkt zu bekräftigen, postete die Influencerin einen handschriftlichen Notizzettel, auf den nach Aufforderung von Leitze eine Arzthelferin die Kosten pro Tag notiert hatte.

Sie habe selbst während der Pandemie-Hochphase als ehrenamtliche Mitarbeiterin bei Cats Karma mit angepackt und sich auch um besagten Hund gekümmert, berichtet Leitze im Telefongespräch mit der MZ. „Ich war mit ihm jeden Tag beim Arzt, und dort wurde mir gesagt, dass nichts mehr für ihn getan werden könne.“ Warum Cats Karma weiter Spenden gesammelt habe, sei ihr schleierhaft. Nicht nur im Netz kämpfte Leitze gegen das vermeintliche Unrecht, sondern auch vor Gericht, stellte Anzeige wegen Steuerhinterziehung, Betrug und diverser Verstöße gegen das Tierschutzgesetz. Unterstützung bekam sie bald durch die Mitglieder einer privaten Facebook-Gruppe, die im Netz weiter gegen Cats Karma wettern und ebenfalls rechtliche Schritte einleiteten. Insgesamt sechs Strafanzeigen gingen bisher beim Landgericht Kiel ein. „Bisher wurde jedes Ermittlungsverfahren gegen mich eingestellt“, sagt Sina Hoffmann und gewährt auch Einblick in drei Einstellungsbescheide.

Unter der Gürtellinie

Doch der Zwist ging weiter, und richtete sich bald auch gegen Hoffmann persönlich: Ihr Leasingwagen wurde heimlich fotografiert und bei Instagram gepostet – mit dem Vorwurf, sie finanziere sich Luxusautos von Spendengeldern. Sie bekam beleidigende Nachrichten. Sogar private Bilder von Hoffmann in Unterwäsche werden veröffentlicht. „Einer von der Facebook-Gruppe hat mir persönlich gedroht. Per WhatsApp schrieb er mir, dass er vor meiner Tür stehe und auf mich warte. Bisher ist nichts passiert, aber seither fühle ich mich nicht mehr sicher“, sagt Hoffmann.

Auch auf einen Livestream, bei dem die Tierschützerin ihren Followern zeigte, wie sie verlorene Katzen findet, fängt und aufpäppelt, folgte ein Shitstorm, und wieder ging es unter die Gürtellinie. Hoffmann spritze sich Botox, hieß es in den Kommentaren – natürlich vom Spendengeld finanziert. Auch eine Alkoholsucht sei ihr anzusehen. „Nichts davon stimmt. Das ist Verleumdung“, sagt Hoffmann. Sie macht schon lange keine Livestreams mehr, aus Angst vor den Reaktionen. „Ich bin mir sicher: Wenn die Leute aus der Gruppe mich steinigen könnten, würden sie es tun.“

Endstation für Straßenkatzen

Dass es Cats Karma überhaupt gibt, hängt damit zusammen, dass die Verantwortlichen in den öffentlichen Behörden der Insel anders mit den Straßenkatzen umzugehen pflegen. Aufgegriffene Katzen werden häufig in eines der großen Tierheime gebracht. Die meisten Gemeinden haben einen Vertrag mit Natura Parc bei Sencelles abgeschlossen. Dort können die Tiere jedoch nach drei Wochen eingeschläfert werden, wenn Platzmangel dies erforderlich macht – was laut den Tierschützern eigentlich immer der Fall ist. Der Abtransport zu Natura Parc bedeute meist die Endstation für die Vierbeiner.

„Es fehlen schlichtweg Pflegeplätze für Katzen, und da ist ganz klar die Politik gefordert“, sagt die Vorsitzende des Dachverbands balearischer Tierschutzorganisationen Baldea, Maxi Lange. Genau deshalb sei das Engagement privater Auffangstationen so wichtig. Tatsächlich hat Cats Karma mit seinen beträchtlichen Kapazitäten das große Defizit an Unterbringungsmöglichkeiten zeitweise gestopft – auch andere Tierschutzgruppen und -vereine brachten die Tiere nach Vilafranca, weil sie keine eigenen Unterbringungsmöglichkeiten hatten.

Die privaten Auffangstationen und Tierschutzgruppen agieren oft im rechtlichen Graubereich. Die spanische Rechtslage erschwert in vielen Fällen nicht nur die legale Tierhaltung in einem sogenannten „núcleo zoológico“, sondern auch die Vereinsgründung. So auch in diesem Fall. Ein Konto auf den Namen „Cats Karma“ könnten Sina Hoffmann und ihre Freundin Stefanie Schneider erst einrichten, wenn die Eintragung als Verein erfolgt ist. Einen entsprechenden Antrag hätten sie bereits 2020 gestellt, man warte aber noch auf die nötigen Papiere der Tierärztekammer und Landwirtschaftskammer. „Das haben wir aber nie verheimlicht“, sagt Hoffmann. Stattdessen habe sie ein gesondertes Konto auf ihren Namen angelegt, das nur für den Katzenschutz verwendet werde. Auch schlage sie Hilfswilligen immer wieder vor, dass diese das Geld direkt an die Tierärzte überweisen.

Neid als Hassmotiv?

„Bei Cats Karma handelt es sich um eine Einrichtung, die für viele andere Gruppen ein Problem gelöst hat. Es mag sein, dass dabei etwas informell vorgegangen wurde, aber da sind sie keine Ausnahme“, sagt eine Kennerin der Szene. Womöglich seien die engagierten Frauen mit ihrer großen Auffangstation kleineren Tiervermittlern, die auch um Spenden buhlen, auf die Füße getreten, sagt eine andere Tierschützerin, die ebenfalls anonym bleiben will. „Die Betreiberinnen von Cats Karma haben ein gutes Herz, sind sehr engagiert und haben wohl kaum Gelder veruntreut, aber sie sind auch überfordert mit den Ausmaßen, die das angenommen hat.“ Ihren Informationen nach planten die Behörden die Einrichtung aufgrund der fehlenden Papiere im kommenden Jahr zu schließen. Dass sich bis dahin unter dem Namen Cats Karma noch ein legaler Verein gründen lasse, bezweifelt die Insiderin. „Spenden und Helfer braucht Cats bis dahin aber auf jeden Fall dringend.“

Tatsächlich betrugen die monatlichen Kosten für Futter, Miete und Arztrechnungen zu Hochzeiten der Pandemie laut Sina Hoffmann 20.000 bis 30.000 Euro. Auch jetzt fielen noch sehr hohe Summen an. „Wir stecken auch unser eigenes Geld in das Projekt“, sagt die Betreiberin von Cats Karma. Lange sei das nicht mehr zu stemmen. Und überhaupt schüre der Shitstorm Zweifel in ihr, ob es das wert sei. „Natürlich denken wir darüber nach, Cats Karma aufzulösen“, sagt Sina Hoffmann. Nur eines halte sie noch davon ab. „Was passiert dann mit den Katzen?“

Am Sonntag (9.10.) soll - je nach Nachrichtenlage - voraussichtlich um 10 Uhr auf ntv.de ein Bericht der Journalistin Verena Dittrich über "Cats Karma" erscheinen.