Mallorca Zeitung

Mallorca Zeitung

Wie ein Foto des Diktators Franco das letzte Geheimnis des höchsten Berges von Mallorca lüftete

Die Aufnahme zeigt auf Mallorcas höchstem Berg eine Kultstätte aus grauer Vorzeit – die für die spätere Radaranlage in die Luft gejagt werden sollte

Franco (2. v. re.) mit Frau Carmen Polo (re.) und weiteren Ausflüglern1934 auf dem Puig Major. Sie sitzen auf Resten einer Kultstätte. FOTOS: ARCHIV ZAYAS

Kein Berg auf Mallorca ist so leicht zu identifizieren wie der Puig Major. Auf seinem Gipfel steht keine der sonst in spanischen Gebirgen üblichen Betonsäulen. Vielmehr thront in einer Höhe von 1.455 Metern eine weithin sichtbare Kuppel. Sie schützt eine Radaranlage, mit der die spanische Luftwaffe Flugobjekte identifiziert und Daten für militärische wie zivile Zwecke sammelt. Der Gipfel ist militärisches Sperrgebiet, seitdem auf dem Puig Major Ende der 1950er-Jahre erstmals ein Luftwaffenstützpunkt eingerichtet wurde.

Szene eines Gottesdienstes auf dem Gipfel des Puig Major im Jahr 1947. Rechts die Reste der Talaiot-Kultstätte.  |

Szene eines Gottesdienstes auf dem Gipfel des Puig Major im Jahr 1947. Rechts die Reste der Talaiot-Kultstätte. | Frank Feldmeier

Aber was war hier eigentlich vorher?

Eine Antwort darauf hat jetzt der Archäologe Jaume Deyà zusammen mit dem Forscher Tomàs Vibot gefunden, durch Zufall, bei Erkundungen rund um Almallutx, der Fundstätte aus talaiotischer und arabischer Zeit im Gebiet des Stausees Gorg Blau (MZ berichtete). Das bislang unveröffentlichte Foto, das Anfang der 1930er-Jahre auf der Spitze des Puig Major aufgenommen wurde, ist gleich in mehrerlei Hinsicht spannend. Zum einen zeigt es Francisco Franco, den späteren Putschisten und Diktator Spaniens, bei einem Ausflug zusammen mit seiner Frau Carmen Polo und weiteren Begleitpersonen. Zum andereren sitzen die Ausflügler auf einer Steinformation, die Deyà eindeutig zu identifizieren weiß: Sie stammt aus talaiotischer Zeit, also etwa aus dem ersten Jahrhundert vor Christus, und stellt eine Kultstätte dar.

So sieht der Puig Major heute aus Frank Feldmeier

Früher ein magischer Ort

Man kann also davon ausgehen, dass Mallorcas höchster Berg für die früheren Bewohner Mallorcas ein magischer Ort war. Ein direkter Blick auf den Gipfel eröffnete sich von Almallutx aus. Hier gab es ebenfalls eine Kultstätte, auf einer Erhöhung am östlichen Ufer des heutigen Stausees, dem Puig de Castellot. „Diese beiden Orte standen offensichtlich miteinander in Verbindung“, erklärt Deyà.

Im Gegensatz zu den Ruinen von Almallutx ist von der einstigen Steinformation auf dem Gipfel des Puig Major allerdings nichts erhalten – offenbar wurde sie bis auf die jetzt entdeckten historischen Fotos nirgends dokumentiert und ging mit der Installation der Kuppel Ende der 1950er-Jahre für immer verloren.

Als Militärkommandant auf den Balearen

Das Foto mit dem Ausflügler Franco lässt sich auf das Jahr 1934 datieren. Damals, zwischen März 1933 und Februar 1935, in der Zeit der Zweiten Republik sowie kurz vor Putsch und Bürgerkrieg (1936–1939), war Franco als Militärkommandant auf den Balearen stationiert und für die Verteidigungsfähigkeit der Inseln zuständig. Zusammen mit Frau und Tochter lebte er in der Zeit auf Mallorca. Die Familie verkehrte in Kreisen des Círculo Balear, also in der oberen Inselgesellschaft, nahm an Jagdausflügen teil, die Tochter feierte die Erstkommunion auf der Insel. Militärischer Stützpunkt und Wohnort war der Almudaina-Palast, der Kommandant wurde aber mehrmals zu Einsätzen aufs Festland gerufen. Ansonsten unternahm er – im Auto sowie auch zu Pferd – Exkursionen entlang der balearischen Küsten, um Informationen zu sammeln und den Bau von Verteidigungsanlagen vorzubereiten.

Sammelte Franco damals strategische Informationen über Mallorcas höchsten Berg, die ihm später als Staatschef von Nutzen sein sollten? Das Foto von 1934 wirkt eher wie der Schnappschuss eines vergnüglichen Ausflugs zusammen mit Mitgliedern der Familie Zayas. Dieser gehört noch heute die Possessió Son Torella, das höchste Landgut Mallorcas auf dem Puig Major, und die Familie ist es auch, die das Foto aufbewahrt hatte. „Unfreiwillig zeigt es mehr, als man in jenem Moment eigentlich festhalten wollte“, so Deyà.

Ein Kreuz auf dem höchsten Punkt der Insel

Etwas von der Steinformation auf dem Gipfel ist auch auf einem weiteren bislang unveröffentlichten Foto aus dem Jahr 1947 zu erkennen: Ein Priester steht mit wallendem Umhang vor einem improvisierten Altar – auf dem Gipfel wurde gerade zusammen mit Familienmitgliedern eine Messe abgehalten. Im Hintergrund der Aufnahme ist zudem ein eisernes Kreuz zu erkennen, das damals noch den höchsten Punkt der Insel markierte.

Szene eines Gottesdienstes auf dem Gipfel des Puig Major im Jahr 1947. Rechts die Reste der Talaiot-Kultstätte.  |

Szene eines Gottesdienstes auf dem Gipfel des Puig Major im Jahr 1947. Rechts die Reste der Talaiot-Kultstätte. | Frank Feldmeier

Das Ende der Kultstätte besiegelte das Madrider Abkommen von 1953. Die damals im Ausland politisch weitgehend isolierte Franco-Diktatur vereinbarte mit den USA, Militärstützpunkte auf spanischem Gebiet zu errichten, im Austausch gegen diplomatische Anerkennung sowie wirtschaftliche Hilfe. Ein Stützpunkt entstand auf dem Puig Major. „The 880 Air Control and Warning“ bezog Stellung und installierte eine erste Radaranlage.

Sprengung ließ den Berg schrumpfen

Der Platz für die Anlage musste allerdings erst noch geschaffen werden. Wie das geschah, zeigt eine Aufnahme, die auf das Jahr 1958 datiert ist: Der Gipfel wurde kurzerhand gesprengt, der Puig Major schrumpfte dabei rund neun Meter. Das hier abgebildete Foto hat der mallorquinische Fotograf Marcos Molina auf einem Flohmarkt in Madrid gefunden, wie er der MZ berichtet. Der Autor sei unbekannt, an der Authentizität gebe es aber keinen Zweifel.

Bild von der Sprengung des Puig Major

Ab den 1960ern-Jahren wurde auch spanisches Personal für den Stützpunkt trainiert, der dann 1964 ganz in spanische Verantwortung überging – mit dem Bedeutungsverlust der Troposphärenfunk-Technik verloren die Amerikaner das Interesse am Puig Major. Seitdem residiert hier EVA-7, das Luftgeschwader Nummer 7, das heutige Radargerät stammt von 2003.

Und ja, Franco hat hier auch als Staatschef noch einmal vorbeigeschaut. Sein Besuch der Militäranlage im Jahr 1959 wurde auf einem Foto festgehalten, das noch heute im Basislager von EVA-7 hängt. Ganz prominent, im Gegensatz zu jenem Schnappschuss 25 Jahre zuvor auf dem früheren Puig Major.

Artikel teilen

stats