Seitdem Miguel Angel Salom die Nachricht über die bevorstehende Schließung seines Lokals über WhatsApp verbreitet hat, ist es noch voller als sonst. „Ein Gast hat gleich für drei Wochenenden hintereinander reserviert“, berichtet der Eigentümer von Sa Caragolera. „Für einen Geburtstag, für ein Treffen mit Freunden und dann für den offiziellenAbschied.“ Am 18. Dezember schließt die Schneckenfarm mit angeschlossenem Restaurant bei Binissalem für immer ihre Pforten.

Eine Etappe geht zu Ende

An mangelnder Nachfrage liegt es nicht, auch das Alter ist kein Grund für das Ende von Sa Caragolera: Salom ist gerade einmal 36 Jahre alt. Vielmehr gehe nach gut zehn Jahren eine Etappe in seinem Leben zu Ende, sagt der studierte Betriebswirt. Er wechsle in das Familienunternehmen, das in der Bauwirtschaft tätig ist. Die Schnecken seien eine Leidenschaft gewesen, zu denen er nach dem Studium eher durch Zufall gekommen sei und mit denen er Erfahrung als Unternehmer habe sammeln können. Aber nun sei sein Einsatz im Familienbetrieb gefragt, und das gastronomische Abenteuer nehme einfach zu viel Zeit in Anspruch. „Es gibt nun einmal verschiedene Etappen im Leben.“ Auch die Verpachtung des Lokals, das auf einem Grundstück der Familie steht, war nach Angaben von Salom keine wirkliche Option. Das Projekt sei so sehr mit seinem Namen verbunden, dass er es niemand anderem übertragen wolle.

Schnecken werden auf Mallorca meist in Alioli gedippt. Arco Iris

Klar, Schnecken kann man auch woanders auf Mallorca essen – in Lokalen wie Es Cruce bei Vilafranca sind die caracoles fester Bestandteil der Speisekarte. Viele Mallorquiner sammeln sie auch selbst in der Natur ein, um sie zu Hause zuzubereiten. Aber Sa Caragolera hatte in gewisser Weise ein Alleinstellungsmerkmal auf der Insel: Hier wurden die Tiere auch gezüchtet und aufgezogen, in einer Art Gewächshaus direkt neben dem Speisesaal. Hier stellte Salom ein Degustationsmenü zusammen, das allein um Mallorcas kriechende Delikatesse kreist – von Schneckenpaté und buñuelos de caracoles, also eine Art Schneckenkrapfen, über gegrillte Exemplare bis hin zu Schnecken in Sobrassada-Sauce.

Schneckenkönig Tomeu

Und eines der bei Binissalem aufgezogenen Tiere brachte es wegen einer genetischen Besonderheit sogar zu internationaler Prominenz: Der Ende 2016 entdeckte „Schneckenkönig“ Tomeu sorgte dank seines linksgewundenen Gehäuses für Schlagzeilen. Das ist so selten, dass das Exemplar an die Universität von Nottingham geschickt wurde, um sich im Namen der Wissenschaft fortzupflanzen. Da bei den linksdrehenden Schnecken auch die Organe andersherum angeordnet sind, kommen nur andere Schneckenkönige als Partner infrage. Der Nachwuchs von Tomeu hatte zwar wieder rechtsgewundene, also „normale“ Gehäuse. Aber in der folgenden Generation kam dann tatsächlich ein Schneckenkönig zur Welt.

Der Schneckensex war auch sonst ein zentrales und ganz schön kompliziertes Thema in der inzwischen geschlossenen Aufzuchtstation, die Miguel Angel Salom allen interessierten Gästen mit sichtbarem Stolz zeigte. Denn die Tiere sind zwar Zwitter, entscheiden sich bei der Paarung aber dann doch für eines der beiden Geschlechter. Da es immer genügend Artgenossen in Reichweite gab, bestand auch kein Grund, das Weite zu suchen. Auch Futter war ausreichend da, vor allem Kohl, Mangold oder Rettich. Und im Zweifelsfall verhinderte eine Barriere bestehend aus Fett, Seife, Asche und Salz, dass die Schnecken davonkrochen.

Mallorquiner unter sich

Auch wenn keine weiteren Exemplare mehr herangezogen werden, reicht der Vorrat: Bis zur Schließung des Lokals kommen Schnecken aus der Tiefkühltruhe in den Kochtopf. Auch für den Direktverkauf seien noch genügend vorrätig – eines der wenigen Geschäftsfelder auf Mallorca, in dem 100 Prozent der Kunden nach wie vor Mallorquiner sind, wie Salom bestätigt. Im Restaurant immerhin nahmen auch ein paar Ausländer Platz, nicht nur Franzosen, sondern vor allem Deutsche und Briten, die die gar nicht schleimige und proteinreiche Delikatesse zu schätzen wissen. Trotzdem: Den Anteil der ausländischen Gäste gibt Salom mit weniger als ein Prozent an.

Bei der Frage, wie viele Schnecken zubereitet wurden, wagt der scheidende Gastronom dagegen keine Schätzung. Aber vielleicht finde er ja nach der Schließung des Lokals Zeit, die vielen Tonnen zu kalkulieren.