Mallorca Zeitung

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Krämerladen auf Mallorca schließt nach 287 Jahren - jetzt kommen die Souvenirs

Das Geschäft Can Mametes in Sóller ist seit 1735 in Familienbesitz - und überlebte zuletzt vor allem dank der Urlauber

Javier Forteza leert seinen alteingesessenen Lebensmittelladen Can Mametes in Sóller. Nele Bendgens

Schon immer hat sich Javier Fortezas Leben um das kleine Geschäft Colmado La Luna im Zentrum Sóllers gedreht. Vor bald 63 Jahren kam er im Stockwerk über dem Lebensmittelladen zur Welt, dort wohnten seine Eltern und Großeltern. Seine Kindheit verbrachte er zwischen Weinflaschen und Serranoschinken, mit 18 Jahren stand er dann hinter der Theke.

Seit wie vielen Generationen der kleine Laden in Familienbesitz ist, das weiß Forteza selbst nicht so genau. Er sei ungefähr die zehnte Generation, schätzt er. Das Geschäft, das die Leute aus Sóller Can Mametes nennen, gehört den Fortezas seit 1735. Macht fast 300 Jahre. Mit Javier endet diese Ladentradition. Seine Tochter ist Anwältin und will das Geschäft nicht übernehmen. Er selbst will auch mal ein Leben abseits von Can Mametes führen. „Alles hat ein Ende, das ist nichts Schlechtes“, tröstet Javier Forteza eine deutsche Kundin, die den Verlust des Ladens in gebrochenen Spanisch bedauert. „Dadurch kann etwas Neues beginnen.“

Menorca-Sandalen ersetzen die Weine

Voraussichtlich kommende Woche will Forteza seine Pforten schließen. Für ihn und das Geschäft beginnt dann ein neuer Abschnitt, wobei sich nicht alles ändern wird, so viel ist jetzt schon klar. Forteza verkauft seinen Laden nicht, sondern vermietet ihn nur. Das Haus bleibt also schon einmal im Besitz der Familie Forteza. Außerdem ist mit den neuen Mietern ausgemacht, dass die Ladentheke und die Regale aus der Mitte des 19. Jahrhunderts erhalten bleiben. Was sich ändern wird, ist das Sortiment. Statt Spirituosen, Marmeladen und Gewürzen werden hier bald Menorca-Sandalen, Taschen aus Zungenstoff und geflochtene Körbe verkauft. Ein mallorquinisches Ehepaar, das mit ihrer Marke S’Avarca bereits zwei Läden in Palma und ein Geschäft in Valldemossa betreibt, eröffnet hier eine Filiale in Sóller. Gegenüber der MZ wollen sie sich zu ihren Plänen nicht äußern.

Die S’Avarca-Läden sind auf balearisches Handwerk spezialisiert und richten sich an Urlauber, die ein hochwertiges Mitbringsel nach Hause nehmen wollen. Die Lederschlappen (avarcas) gibt es dort für Erwachsene und Kinder, aber auch als Schlüsselanhänger. Das neue Geschäft in Sóller mit der historischen Ausstattung dürfte sich dabei von den anderen drei Läden unterscheiden. Denn dort hängen die Schuhe und Taschen ordentlich aufgereiht an der Wand, geradezu minimalistisch und mit nur wenigen Regalen.

Immer wieder neu erfunden

Forteza ist mit der Lösung sehr zufrieden. Die neuen Besitzer seien schließlich selbst Mallorquiner, verschafften dem balearischen Handwerk Aufträge und erhielten gleichzeitig seinen historischen Laden. „Im Endeffekt ist es einfach nur eine Neuorientierung, das gab es im Laufe der 300 Jahre immer wieder“, sagt er. Früher wurden hier Reis, Linsen und Kichererbsen aus Säcken verkauft, später gab es frisches Obst und Gemüse.

„Ein Deutscher, der hier ein Haus kauft, schaut beim Schinken nicht auf den Preis“

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Als Forteza in den 80er-Jahren anfing, war der Can Mametes eigentlich ein kleiner Supermarkt. Es gab ein breites Sortiment, insgesamt sechs Angestellte verkauften Waren, Einheimische füllten hier ihre Körbe. Dann kamen immer mehr große Supermärkte nach Sóller, Can Mametes konnte bei den Preisen nicht mithalten. „Lebensmittel, die niemand kaufte, wurden damals schlecht“, erzählt Forteza. Somit flog die verderbliche Ware aus dem Sortiment.

Der Eingang zum Traditionsgeschäft Can Mametes in Sóller.

Der Eingang zum Traditionsgeschäft Can Mametes in Sóller. Nele Bendgens

Gleichzeitig fanden immer mehr Urlauber und Ausländer nach Sóller. „Und ein Deutscher, der hier ein Haus kauft, schaut beim Schinken nicht auf den Preis“, sagt Forteza. Dafür erwarteten sie aber hochwertigere Produkte. Forteza erzählt, seine Eltern hätten fünf verschiedene Weine und genau einen Schinken im Angebot gehabt. In seinem Sortiment befanden sich irgendwann 300 Weine und sieben Schinken.

„Wir haben auch eine eigene Ecke nur für mallorquinische Produkte, weil Urlauber so etwas gerne kaufen“, sagt Forteza und zeigt auf einen Abschnitt im Laden. Es gibt Es-Trenc-Salz, Olivenöl aus der Tramuntana, Wein aus Binissalem. Für deutsche Urlauber und ausländische Residenten, die weniger Lokalkolorit suchen und sich nach der Heimat sehnen, hat er auch Frankfurter und Bockwurst aus dem Glas im Sortiment. Champagner und andere hochklassige importierte Produkte runden das Angebot ab.

Treue deutsche Kunden

„Trotz allem wollten wir kein Delikatessen-Geschäft werden“, sagt Javier Forteza. Um sich ein wenig Ursprünglichkeit zu bewahren, stehen also neben den Champagnerflaschen Nudelpackungen und Konservenobst. Bis heute hat Forteza mallorquinische Kunden, die zum Grüßen vorbeikommen. Der 62-Jährige verfällt dann glücklich ins Plaudern auf Mallorquinisch. Immer wieder steckt ein Kunde den Kopf zur Tür herein und fragt, ob es noch einen bestimmten Wein, ein gewisses Gewürz gibt. Oft muss Javier Forteza inzwischen verneinen, seine Regale leeren sich dank seiner Rabatte immer mehr. Manche Kunden kaufen deswegen gleich mehrere Flaschen teurer Weine oder nutzen den Schlussverkauf fürs Weihnachtsshopping.

„Andere Lebensmittelgeschäfte mussten schließen, wir haben dank der Urlauber überlebt.“

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Ich werde es vermissen, mit so vielen Menschen zu reden“, sagt Javier Forteza. Der energiegeladene Fast-Rentner plaudert gern und viel, genießt es, viele Leute zu kennen. Nostalgie oder gar Verbitterung, weil der Laden nach so vielen Jahren schließt, sucht man bei ihm vergebens. Ganz im Gegenteil: Wenn er über seine Rente spricht, klingt das wie bei einem Kind kurz vor Weihnachten. Er kann es kaum erwarten. „Mallorca ist so ein schöner Ort, um hier zu leben“, schwärmt er. Bisher stand er aber sechs Tage die Woche im Laden, kümmerte sich sonntags um den Papierkram. „Ich freue mich darauf, hier jetzt richtig zu leben“, sagt er.

Wenn schon einmal eine deutschsprachige Zeitung bei ihm ist, nutzt Javier Forteza den Moment, um sich speziell bei seinen deutschen Kunden zu bedanken. „Andere Lebensmittelgeschäfte mussten schließen, wir haben dank der Urlauber überlebt“, sagt er. Die deutschen Kunden seien ihm treu geblieben, häufig gekommen. „Ich habe inzwischen viele deutsche Freunde“, erzählt Forteza. Jetzt wo er schon fast in Rente ist, freut er sich darauf, mehr mit seinen Freunden aus aller Welt zu unternehmen. Und dann kommt er sicherlich auch dazu, ausgiebig zu plaudern.

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