Mallorca Zeitung

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Was haben Mönche vor Mallorca im Jahr 603 nach Christus verbrochen?

Frühchristliche Mönche ließen es sich auf Cabrera offenbar so gut gehen, dass es dem Papst Anfang des 7. Jahrhunderts zu bunt wurde. Ein wissenschaftliches Projekt liefert neue Erkenntnisse

Ausgrabungen auf Cabrera. Bisbat de Mallorca

Der Brief des Papstes gibt Rätsel auf und regt die Fantasie an. „Uns hat die Nachricht erreicht, dass die Mönche des Klosters auf der Insel Capria, die in der Nähe von Maiorica liegt, das ebenfalls eine Insel ist, ihr Leben verschiedenen Verbrechen ausgesetzt haben, die zeigen, dass sie, anstatt Gott zu dienen, für den alten Feind kämpfen, und das sagen wir unter Tränen.“

Eine Antwort auf die Frage, was Papst Gregor den Großen im Jahr 603 nach Christus so erboste, sucht der Archäologe Mateu Riera. In einem fünfjährigen Projekt erforscht sein Team auf der Insel Cabrera südöstlich von Mallorca die Überreste jenes Klosters, das in der bewegten Geschichte des heute unter Naturschutz stehenden Archipels mehr als eine Fußnote ist, wie Riera betont. „Die Tatsache, dass sich ein Papst mit den Mönchen beschäftigt hat, ist ein Beleg, dass wir es mit keinem unwichtigen Kloster zu tun haben.“

Nur rund fünf Prozent von dessen Ruinen sind bislang erforscht, von den Eremitagen auf der Insel gar nur ein Prozent. Und trotzdem zeichnen die bisherigen Erkenntnisse bereits ein detailliertes Bild des ersten christlichen Klosters auf den Balearen. Es bestand bereits im 5. Jahrhundert. Damals war Mallorca bereits vollständig romanisiert. Warum aber Cabrera?

Beten und Handel treiben

Im Nahen Osten suchten Mönche bei der Ausbreitung des Christentums zunächst Wüstengegenden auf, um an entlegenen Orten ihr Leben Gott zu widmen. In Westeuropa – im heutigen Frankreich, England, aber auch Spanien – bevorzugten sie Inseln. „Sie kapselten sich dabei aber nicht vollständig von der Außenwelt ab“, erklärt Mateu Riera. Die Standorte der Klöster lagen vielmehr auf wichtigen Handelsrouten. Cabrera mit seinem Naturhafen war da eine ideale Wahl. Und dass reichlich Handel betrieben wurde, das belegen die Ausgrabungen. Importiert wurde Marmor von bester Qualität und aus verschiedenen Gegenden: aus Griechenland, aus der Türkei, aus Algerien, aus Italien. Auch Amphoren für den Wein oder Lampen aus Glas gelangten von weither nach Cabrera.

Es gibt zudem Hinweise, dass die Mönche auch mit den Bewohnern von Mallorca Handel betrieben, wohl von einer Art Außenstelle aus, dem Illot de Frares, gelegen direkt vor Colònia de Sant Jordi. Auf diesem „Eiland der Mönche“ – der Name stammt wohl aus späterer Zeit und hat nichts mit den Geistlichen von Cabrera zu tun – fanden sich bei Ausgrabungen in den 1970er-Jahren Reste von Keramikbehältnissen aus dem 5. bis 7. Jahrhundert, die dem Warentransport gedient haben dürften.

Auf Cabrera, wo es ausreichend Süßwasser gab, betrieben die Mönche zudem Ackerbau, hielten Ziegen und Schafe, auch der Weinanbau spielte offenbar eine große Rolle, genauso wie der Fischfang. Die Funde lassen darauf schließen, dass aus dem Fang auch die bei den Römern so verbreitete Würzsauce Garum hergestellt wurde.

Wertvoller Farbstoff

Zudem spielten offenbar Meeresschnecken eine wichtige Rolle. Sie wurden nicht einfach gefangen und verspeist, sondern noch lebend zur Herstellung eines Farbstoffes verwendet: Purpur. Das könne man daran erkennen, dass die in großer Zahl entdeckten Gehäuse einzeln und immer auf dieselbe Weise aufgeknackt worden seien. Das war nötig, um an die für den Farbstoff nötigen Drüsen der Meeresschnecken zu kommen. Sie sondern einen Schleim ab, mit dem die Tiere ihre Beute lähmen können, der aber auch ein Produkt enthält, das in einem komplizierten und aufwendigen Verfahren zu dem wertvollen Purpurfarbstoff verarbeitet werden konnte.

Dazu muss man wissen: Die Farbe war zu damaligen Zeiten den Eliten vorbehalten, Magistraten oder Senatoren beispielsweise, deren Toga mit Purpurstreifen aufgewertet wurde. Womöglich verwendeten die Mönche auf Cabrera den Farbstoff für Stoffe, mit denen dann die Altäre der Kirche geschmückt wurden.

Wertvoller Marmor, Amphoren voller Wein, seltene Farbstoffe: Diese Erkenntnissen lassen eine erste Interpretation der päpstlichen Worte zu. Hatten die Mönche in Saus und Braus gelebt und sich so des Lasters der Genusssucht und Maßlosigkeit schuldig gemacht? War das der Grund, warum ein Beamter nach Cabrera entsandt wurde, um für Ordnung zu sorgen?

Gut denkbar, aber letztendlich Spekulation, sagt Wissenschaftler Riera. Er verweist darauf, dass sich der Papst damals auch am Lebensstil von Mönchen an anderen Standorten gestört hat. In weiteren Briefen kritisierte Gregor der Große, dass beispielsweise auch Frauen unter den Geistlichen lebten oder dass Kinder zur Arbeit in Minen herangezogen wurden. Auch Habgier und Habsucht zogen die Kritik des Papstes auf sich. Aber ausgerechnet im Fall der beanstandeten Verfehlungen auf Cabrera sei das Oberhaupt der Kirche in seinem Brief nicht konkreter geworden.

Das Ende der Mönche

Völlig im Dunkel der Geschichte liegt das Ende des Klosters. Wurde es im 7. Jahrhundert aufgegeben oder bestand es noch weitere Jahrhunderte fort? „Das ist eines der Rätsel, das ich gern lösen möchte“, sagt Riera. Ab dem 8. Jahrhundert gab es die ersten Angriffe der Araber, sie sollten Mallorca aber erst Anfang des 10. Jahrhunderts vollständig erobern. Im 9. Jahrhundert überfielen zudem auch die Wikinger die Insel. Die Frage, ob das Kloster auf der unbefestigten Insel Cabrera ein gewaltsames Ende bei einem Angriff fand, ist bislang noch nicht zu beantworten. So habe man zwar Spuren eines Brandes gefunden, das Feuer habe aber wohl nur zwei Räume betroffen. Und auch die bislang gefundenen Skelette weisen keine Spuren eines gewaltsamen Übergriffs auf, entdeckt wurden sie stattdessen ordentlich bestattet in neben dem einstigen Kloster angelegten Gräbern. Klar ist jedenfalls, dass Cabrera das einzige cenobio auf den Balearen bis hinein ins 13. Jahrhundert bleiben sollte. Dann, mit der Eroberung durch den Katalanen Jaume I., begann auch die Christianisierung der großen Inseln.

Angesichts der religiösen Bedeutung des Klosters auf Cabrera ist es das Bistum Mallorca, das die ursprünglich 1999 begonnenen, erst jetzt wieder aufgenommenen Ausgrabungsarbeiten finanziert. Nach einer ersten Phase in diesem Jahr stehen vier weitere an. Allerdings auf Sparflamme: Es stehen jeweils 5.000 Euro zur Verfügung.

Zum Glück habe man freiwillige Helfer, so Riera, allerdings könnten wegen der Auflagen des Nationalparks Cabrera immer nur sechs Personen gleichzeitig kommen. Nicht leichter macht die Aufgabe der Umstand, dass die Anfang des 19. Jahrhunderts hier festgesetzten französischen Soldaten am einstigen Kloster ein Lager aufschlugen. Einige Fundstücke seien deswegen dieser Epoche zuzuordnen.

Das Projekt sieht nicht nur Ausgrabungen und Restaurierungsarbeiten vor, die Fundstätte soll auch ausgeschildert werden. Geplant sind QR-Codes, mit denen sich Infos auf dem Handy abrufen lassen. Immerhin: Auf Google Maps ist das „Monasterio de Cabrera“ bereits eingetragen.

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