Es war eines seiner Lieblingsziele auf der Insel: s’Avall, der Privatbesitz der March-Dynastie in Colònia de Sant Jordi. Ein abgeschirmtes Gelände der genauso vermögenden wie auf Diskretion bedachten Bankiersfamilie. Günter Stalter schaute immer wieder hier vorbei – und brachte gleich in großer Zahl Landsleute mit. Bei solchen Gelegenheiten rollte dann tatsächlich ein Konvoi mit mehreren Dutzend Fahrzeugen voller neugieriger Residenten auf das 2.440 Hektar große Gelände, eskortiert von den uniformierten Angestellten der Finca. Die Besucher bedankten sich bei ihnen dann auch schon mal mit einem Liedchen. „Wem Gott will rechte Gunst erweisen“, angestimmt im Amphitheater des Landguts.

Als Organisator der legendären Residententreffs im Auftrag der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde auf den Balearen ermöglichte Stalter im Laufe der vergangenen Jahrzehnte immer wieder solche Begegnungen. Jetzt ist der passionierte Reiseleiter, langjährige Vorsitzende des Kirchenvorstands und Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande im Alter von 84 Jahren nach kurzem Leiden gestorben.

In der Gemeinschaft der deutschsprachigen Residenten auf Mallorca, die von so starker Fluktuation geprägt ist, war Stalter eine Institution, eine Marke, und die von ihm bereits 1997 übernommenen Treffs hatten Kultstatus. Es gab Wartelisten, so einige Termine mussten wiederholt werden. Hier kam man zusammen, lernte immer etwas Neues über Mallorca und die Mallorquiner und kehrte gemeinsam ein. Das Programm und das Menü plante Stalter akribisch, wenn nötig, schaute er vorab auch mehrfach vor Ort vorbei. Es waren Treffs, bei denen es weder zu teuer noch zu anstrengend wurde und alles am Ende zusammenpasste.

„Er wollte seinen Deutschen die Kultur, die Geschichte und die Gastronomie zeigen. Damit öffnete er Türen und ermöglichte Begegnungen zwischen Deutschen und Mallorquinern“, formulierte es Holmfried Braun, evangelischer Pfarrer auf den Balearen. „Dafür sind wir ihm unendlich dankbar und werden uns noch lange an ihn erinnern.“ Stalter hinterlässt neben seiner Frau Gabriele seinen Sohn Sebastian und zwei Enkelkinder.

Im Dienste der Briten

Es war der 19. März 1966, als das Schicksal den in Neustadt an der Weinstraße geborenen Stalter nach Mallorca verschlug. Die Insel war eine weitere Station in einem internationalen Werdegang: Anfang der 60er-Jahre hatte er in London gejobbt und Englisch gelernt, anschließend in Luxushotels in Paris gearbeitet, wo er auch seine Frau Gabriele kennenlernte.

Dann nahm er das Angebot eines Hoteliers an, in einem neuen Haus an der Playa de Palma zu arbeiten. Als Rezeptionist kümmerte sich Stalter im beginnenden Tourismusboom um britische Urlauber, die sich nicht langweilen durften. „Viel verdient hat man nicht, aber damals war das Leben ja auch noch billiger“, erinnerte er sich in einem Interview mit der Mallorca Zeitung an diese Zeit.

7

2017 bekam Günter Stalter von Konsulin Sabine Lammers das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Frank Feldmeier

Die Karriere ging in schnellen Schritten vorwärts: Stalter wurde Reiseleiter, dann Chefreiseleiter und organisierte die Arbeit von 30 Mitarbeitern – eingeschlossen auch die von Gabriele Stalter, die seit Mai 1969 seine Ehefrau war. Das Dienstfahrzeug war zunächst ein Moped, die Arbeitsbedingungen in Cala Millor erwiesen sich als gewöhnungsbedürftig. Telefonverbindungen kamen damals oft nur unter Schwierigkeiten zustande, und die nächste Bank war in Manacor oder Portocristo. Da sei er oft mit anderthalb Millionen Peseten – rund 9.000 Euro –nach Hause gegangen und habe seinen Hund auf das Geld aufpassen lassen, bis er es am nächsten Tag bei der Bank abliefern konnte.

Zu Hause in Marratxí

Die Insel wurde spätestens zum Lebensmittelpunkt, als sich die Stalters 1971 ihr Haus in der Gemeinde Marratxí kauften und 1973 Sohn Sebastian im noch von Nonnen geführten Krankenhaus in Manacor zur Welt kam. In Sa Cabaneta, wo heute Hunde hinter hohen Zäunen bellen, wurde damals nicht einmal die Haustür abgeschlossen, ein Mann mit Eselskarren schaffte den Müll weg. Hier pflanzten die Stalters Obstbäume, Tomaten und Rosen. Gesellschaft leisteten ihnen ihre Hunde, später auch Hühner.

Tourismus, das war nicht nur Beruf, sondern Passion. Da wären nicht nur die 27 Jahre, die Stalter für den Reisekonzern Thomson arbeitete und während der er den Touristen alle Ecken Mallorcas zeigte. Selbst im Urlaub ging es weiter mit den Besichtigungen – schließlich reiste das Ehepaar mit Firmenrabatt um die Welt. Und als Stalter 1994 bei Thomson aufhörte, blieb er der Tourismusbranche treu und leistete Pionierarbeit in der Flugbranche: Der Einzelplatzverkauf musste in Spanien aufgebaut werden. Waren bis dato nicht ausgelastete Flieger ein Übel, das Reiseveranstalter in Spanien in ihren Kalkulationen hinnehmen mussten, konnte nun aus dem Verkauf der Restplätze Gewinn geschlagen werden. Es war die Zeit, bevor die Urlauber begannen, selbst ihre Flüge im Internet zu buchen.

Auch im Ruhestand ab 2003 blieb Stalter viel beschäftigter Vollblut-Touristiker. Ob Champignonzucht, Bodega oder Ölmühle – mit professioneller Neugier machte der Deutsche immer neue Orte für die Residententreffs ausfindig und gewann die mallorquinischen Hausherren für sich, zumal es nicht Urlauber, sondern Residenten waren, die zu Besuch kamen. Und mit der Aussicht auf neue Stammgäste ließ sich dann auch ein attraktiver Preis für das Menü aushandeln. „Das halbe Leben besteht aus Beziehungen“, antwortete Stalter einmal verschmitzt auf die Frage, wie er an die exklusiven Orte kam.

Trauerfeier in Peguera

„Wir denken, Gü nter hätte gewollt, dass es mit seinen Residententreffs weitergeht“, so das Pfarrehepaar Martje Mechels und Holmfried Braun. Wie genau, werde man überlegen. Eine Trauerfeier im engen Kreis fand bereits in der Kapelle von Bon Sosec statt. Die evangelische Gemeinde nimmt am Sonntag (19.2.) im Gottesdienst um 17 Uhr in Peguera Abschied. Das Pfarrehepaar bietet zudem an, Beileidsbekundungen an die Familie weiterzuleiten (info@kirche-balearen.net).