Mallorca Zeitung

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Skifahren auf dem Puig Major, der Krieg und Katalanisch: die unerzählte Mallorca-Auswanderer-Geschichte von anno dazumal

Ein Gespräch mit Albert Hauf über seine Eltern und seinen Werdegang zwischen den Kulturen

Vater und Onkel von Albert Hauf, Anfang der 1930er-Jahre beim Skifahren auf dem Puig Major. Foto: privat

Was macht ein renommierter Philologe, Historiker und Literaturkritiker, der sich um die katalanische Sprache verdient gemacht hat, in seinem Ruhestand? Er lernt zum Beispiel den „Struwwelpeter“ oder „Max und Moritz“ auf Deutsch auswendig. „Zur Übung“, sagt Albert Hauf. Er sei jetzt 85 Jahre alt, da müsse man sich geistig fit halten. Auch für die Grammatik indigener amerikanischer Sprachen interessiert sich der Wissenschaftler. Nominativ oder Akkusativ wie in den romanischen Sprachen gibt es darin nicht – eine echte Herausforderung.

Albert Guillem Hauf i Valls war schon immer offen und neugierig, heute kann er von einem spannenden Leben zwischen den Kulturen und Sprachen erzählen. Der Sohn einer Mallorquinerin und eines Deutschen wuchs in Sóller auf, jobbte in Karlsruhe, studierte in Barcelona, lehrte in Wales, forschte und publizierte schließlich in Valencia. Eine Eminenz für die Inselsprache mit deutschen Wurzeln.

Über Le Havre nach Sóller

Seinen Vater hatte es Anfang der 1930er-Jahre nach Mallorca verschlagen, wie Hauf von Valencia aus am Telefon erzählt. „Er hatte eine schwere Kindheit. Sein Vater war im Ersten Weltkrieg gestorben, seine Mutter 1918 an der Spanischen Grippe.“ Zusammen mit seinem Bruder wuchs Albert Hermann Hauf bei einem Onkel auf und machte eine Lehre als Dekorationsmaler. Doch in der Zeit nach der Weltwirtschaftskrise 1929 habe er auf der Suche nach Arbeit vergeblich ganz Deutschland zu Fuß durchquert. Eine Anstellung fand er schließlich im französischen Le Havre, als Dekorationsmaler auf den großen Ozeandampfern wie der berühmten „Normandie“. In der Stadt hatte sich nicht nur eine Gruppe von Deutschen niedergelassen, es bestanden auch enge Verbindungen zu Sóller. Und so lernte Albert Hermann in Le Havre mallorquinische Familien kennen. Sie luden ihn sogleich auf die Insel ein. Er nahm das Angebot an – und traf so seine künftige Frau in Sóller. „Sie sprach kein Wort Deutsch, die beiden verständigten sich mit Zeichen, es war die Sprache der Liebe.“

Es blieb nicht beim einmaligen Besuch. Hauf kam zurück, um hier zu leben. Mithilfe eines Mallorquiners kam er an eine Aufenthaltsgenehmigung und eröffnete mit seinem Bruder Richard in Sóller ein Geschäft für Inneneinrichtung. Es waren schwierige, aber auch schöne Zeiten. Von letzteren zeugt ein Foto, das damals in der Zeitschrift „Brisas“ erschien. Es zeigt die beiden Brüder – beim Skifahren auf dem Puig Major. „Man wollte schon damals Mallorca als Reiseziel für das ganze Jahr vermarkten“, erklärt Hauf. Es war die Zeit, als auch eine Seilbahn auf den Puig Major geplant war – ein zum Glück gescheitertes Projekt.

Vater und Onkel von Albert Hauf, Anfang der 1930er-Jahre beim Skifahren auf dem Puig Major.

Einen Protestanten Heiraten?

Andererseits galten auf der Insel traditionelle Normen, die es dem deutsch-mallorquinischen Paar schwer machten. Die Hochzeit zwischen der katholischen sollerica und dem protestantischen alemán kam 1933 unter schwierigen Umständen zustande, dank eines progressiven Pfarrers. Er traute das Paar in der Sakristei, gegen den anfänglichen Widerstand der Brauteltern. Beruflich konnte Haufs Vater zum Glück Fuß fassen. Zu einer Zeit, als viele Wände einfach gekalkt wurden, waren seine Kenntnisse als Dekorationsmaler in Sóller gefragt.

Der lange Arm der Wehrmacht

Als Albert Guillem 1938 zur Welt kam, tobte in Spanien der Bürgerkrieg, ein Jahr später brach der Zweite Weltkrieg aus. Die Kampfhandlungen mochten weit entfernt sein, trafen die junge Familie aber dennoch mit voller Wucht. Haufs Vater wurde 1943 einberufen. Das Problem: Spanien kooperierte mit dem Nazi-Regime, die Guardia Civil war ein verlängerter Arm des Dritten Reiches. „Ich erinnere mich noch sehr gut, ich war fünf, als ich mit meiner Mutter meinen Vater zum Bahnhof von Sóller brachte“, erzählt der heute 85-Jährige. „In den Koffer hatte sie Feigenbrot und Mandeln gepackt.“ Über eine Zwischenstation in Paris ging es an die Front in Russland. Dort geriet Haufs Vater in Gefangenschaft, wurde in Sibirien interniert. „Zwischen 1944 und 1945 verlor sich seine Spur. Wir wussten nichts mehr von ihm.“

Für Haufs Mutter begann eine schwierige Zeit. Im November 1943 brachte sie einen zweiten Sohn zur Welt, mit Näharbeiten hielt sie die Familie in der wirtschaftlichen Misere nach dem Bürgerkrieg über Wasser – und musste sich anhören, dass sie sich ihr Schicksal selbst eingebrockt habe. „Sie galt nun als Deutsche, sie hatte seit der Heirat einen deutschen Pass, obwohl sie gerade mal ‚Guten Tag‘ und ‚Auf Wiedersehen‘ sagen konnte.“ Ihre Situation war zusätzlich prekär, weil sie Nachfahre der xuetes war, im Mittelalter zwangskonvertierte Juden – angesichts ihres deutschen Passes und der Nazis im deutschen Konsulat keine ungefährliche Lage. Man weiß heute zum Beispiel, dass die Überwachungspolizei damals Dossiers von deutschen Juden auf Mallorca anlegte.

Hauf besuchte die von Franziskanern geführte Schule in der Porciúncula an der Playa de Palma. Im Jahr 1950 dann endlich die erlösende Nachricht: Nach sieben Jahren in Russland kehrte Haufs Vater schließlich aus der Kriegsgefangenschaft zurück.

Obwohl er Deutschland den Rücken gekehrt hatte, ermutigte er seinen Sohn, das Land kennenzulernen. Hauf kam dort bei Angehörigen unter und arbeitete am Bau des Atommeilers in Karlsruhe mit. „Ich verdiente als Hilfsarbeiter Geld, aber es war nicht ideal zum Deutsch lernen, unter Ungarn, Polen und Tschechoslowaken.“ Und 1956 wurde in Deutschland die allgemeine Wehrpflicht eingeführt – der sólleric mit deutschem Pass beließ es bei einem deutschen Intermezzo.

Auf Mallorca setzte er seine Ausbildung am IES Ramon Llull in Palma fort und konnte dank eines Stipendiums der Joan-March-Stiftung romanische Philologie an der Universität Barcelona studieren. Er interessierte sich zwar auch für Germanistik, „aber es gab noch keine guten Dozenten, das Fach war in seinen Anfängen“. In Barcelona lernte er auch seine künftige Frau kennen – eine Deutsche. „Sie arbeitete als Übersetzerin. Die Dinge passieren eben einfach.“

Albert Hauf während seiner Zeit als Dozent an der Universität Cardiff.

Mit der Spezialisierung in Spanisch und Romanistik bewarb sich Hauf nach dem Studium als Dozent – und weil in Deutschland alle Stellen besetzt waren, wurde es Wales. An der Universität Cardiff arbeitete er als Spanisch- und Katalanisch-Lehrer, wurde Professor für hispanische Studien und begann auch Kurse in katalanischer Sprache und Literatur – eine Lebensphase, die mehr als 20 Jahre dauern sollte und erst mit der Ära Thatcher und ihren Sparmaßnahmen an den Universitäten zu Ende ging.

Wuchs mit deutschem Vater und mallorquinischer Mutter in Sóller auf: der inzwischen emeritierte Philologe Albert Guillem Hauf i Valls. | FOTO: MATHIAS RODRIGUEZ

Gern wäre er an die Balearen-Universität gewechselt, aber „die Stellen waren besetzt, und der Rektor hatte mehr Interesse an Informatik als an Literatur“. So bewarb sich Hauf auf eine Professorenstelle für katalanische Philologie in Valencia. „Jetzt konnte ich mich endlich auf eine Sache konzentrieren – die katalanische Literatur im Mittelalter“.

Hier geht es weiter: Katalanisch und die Mallorca-Deutschen: "Sprachen lernen öffnet Horizonte"

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