Mallorca Zeitung

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Mit Färbematerial aus der Natur: Hier entstehen auf Mallorca aus Wolle Kunstwerke und kostbare Stoffe

Die Künstlerin Tatiana Sarasa färbt in ihrem Open Studio 79in Palma Seide, Mohair und Merinowolle mit Wurzeln, Blüten, Blättern, Rinden oder Cochenille-Extrakten

Im Atelier im Carrer den Sant Magí, 79 in Palmas Santa-Catalina-Viertel: gefärbte Schals und Kissen, die auf dem Handwebstuhl entstanden sind. Nele Bendgens

Wer Wolle mag, für den ist das Open Studio 79 in Palmas Santa-Catalina-Viertel ein Traum. Jeder ist hier willkommen, um Wollstränge, Webstühle, Spulen oder Spinnräder zu bewundern. Oder aber Tatiana Sarasa über die Schulter zu schauen. Die 1966 in Barcelona als Tochter eines deutsch-spanischen Ehepaares geborene Künstlerin eröffnete das Atelier nach ihrem Kunststudium in Barcelona. Obwohl sie mittlerweile ihre meist textilen Installationen in namhaften Galerien ausstellt und viele Preise eingeheimst hat, bleibt sie den traditionellen Handarbeitstechniken, beispielsweise dem Stricken, treu. „Das rhythmische Klappern der Nadeln entspannt und lässt Raum für viel Kreativität“, sagt sie.

In ihrem Atelier will sie mit Kunden und Besuchern ins Gespräch kommen und ihnen erklären, dass Handarbeiten ein Gegenentwurf zur schnelllebigen Modeindustrie sind, die viele Male im Jahr ausruft, dass man etwas Neues zum Anziehen braucht. Die Kleidungsstücke würden, so Sarasa, viel zu kurz getragen und landeten viel zu schnell in der Kleidersammlung oder im Secondhand-Laden. „Ich war immer schon der Meinung, dass gute Qualität und solide Verarbeitung dafür sorgen, dass man weniger kaufen muss“, sagt sie. Zudem sollte bei der Herstellung nicht der Umwelt geschadet werden. „Wir können hier sogar während eines Blackouts weiterarbeiten“, sagt Sarasa.

Tatiana Sarasa mit einem bereits gefärbtem Wollstrang.

Tatiana Sarasa mit einem bereits gefärbtem Wollstrang. Nele Bendgens

Die Pigmente

Die Künstlerin führt die Besucher zu dem Teil der Werkstatt, den sie ihre Hexenküche nennt. Sie wirkt wie das Atelier eines Malers. Farbtöpfe und Pinsel stehen auf einem großen Tisch, getrocknete Blätter und Blüten liegen neben einem weißen Strang Wolle aus Mohair und Seide. Er ist bereits gewaschen und mit Alaun gebeizt. Das entzieht der Wolle das wachsartige Lanolin. Ohne diesen Prozess würde die Farbe an dem Wollfett haften bleiben, sie könnte dann beim Waschen verblassen oder an der Sonne ausbleichen.

Jetzt befeuchtet Sarasa den Strang und legt eine halbe Granatapfelhülle obenauf, gibt Zwiebelschalen und Kurkuma hinzu und tupft mit dem Pinsel Cochenille-Extrakt auf den Strang. Die rotblütige Laus bezieht sie mit D.O.P-Siegel von den Kanarischen Inseln. „Es ist wie beim Kochen – nur mit erstklassigen Zutaten entsteht etwas Gutes“, erklärt Sarasa.

Das Färbematerial aus der Natur ist vielfältig: Es steckt in Wurzeln, Blättern oder Rinden von Bäumen und Sträuchern, Schalen von Früchten oder ihren Kernen. Und es biete, so Sarasa, immerfort Überraschungen. Denn die Pflanzen geben je nach Jahreszeit unterschiedliche Farbtöne ab. Auch die Erde, in der sie wachsen oder das Regen- oder Gießwasser kann sie beeinflussen. Viele ihrer Färbemittel sammelt die Künstlerin auf ihren Wegen durch Palma, Experimente zeigen dann, welche Farbpigmente eine Pflanze zu bieten hat.

Das Färbebad

Nicht alles, was auf den ersten Blick beispielsweise grün ist, färbt auch grün. Kern und Schale der Avocado ergeben zum Beispiel ein intensives Rosarot. Andere Pflanzenteile brauchen eine Vorbehandlung: Das berühmte blaue Indigo muss erst fermentieren, bevor es als Tauchbad taugt. Das Färbegut entwickelt das Blau erst unter Einfluss von Sauerstoff.

Der Strang aus Mohair und Seide wird mitsamt dem Färbematerial wie ein Teig zusammengerollt. Nele Bendgens

Einfacher ist es bei dem auf dem Tisch liegenden Strang, der jetzt mit Blättern und Farbtupfern bedeckt ist. Er wird jetzt wie ein Teig zusammengerollt, in ein Tuch gewickelt und in ein rechteckiges Metallsieb gepackt, durch dessen Öffnungen der Dampf an die Wolle gelangen kann. Sarasa setzt den Metallbehälter dann in einen Topf, dessen Boden mit Steinen bedeckt ist. Zugedeckt wird das Ganze dann zwei Stunden kochen. Wolle, so Sarasa, dürfe nie über 82 Grad erhitzt werden. Am schlimmsten wäre jedoch, wenn sie vom heißen ins kalte Wasser getaucht wird. Im heißen Wasser öffnen sich ihre Poren, im kalten ziehen sie sich so zusammen, dass die Wolle verfilzt. Deshalb muss bei den Spülgängen des Färbeguts die Temperatur sorgfältig beobachtet werden.

Kunst und Handwerk

Das Ergebnis sind Wollstränge, die bei der Verarbeitung individuelle Muster ergeben. Wären sie zu Knäueln gewickelt, könnten Kunden und Besucher den Farbverlauf nicht sehen. Doch nicht nur die Farbtöne zeigen sich vielfältig, auch die Auswahl der Wolle ist es: Merinowolle vom spanischen Festland, aber auch Alpaka aus Peru und Mohair aus Südafrika – wobei das alles natürlich seinen Preis hat.

Mit Naturfarben gefärbte Wollstränge aus feiner Merinowolle, Alpaka sowie Mohair und Seide. Nele Bendgens

So auch die handgestrickten Pullover, die Schals oder das kostbare Tuch, das am Handwebstuhl in Auftragsarbeit entsteht. In Kürze wird eine neue textile Produktlinie von der Vereinigung Tramuntana XXI vorgestellt werden. An Ideen mangelt es nicht. So strickte Tatiana Sarasa die sechs Wörter von Virginia Woolf „Let us never cease from thinking“ (Wir wollen nie aufhören zu denken), als Muster in sechs Pullover für eine Installation in der Aba Art Galerie in Palma.

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