Mallorca Zeitung

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Nach dem Tod der "Königin von Mallorca" Cristina Macaya: Adiós, Grande Dame

Cristina Macaya war als Mäzenin und Gastgeberin Dreh- und Angelpunkt der spanischen Society. Jetzt starb sie in ihrem Paradies Mallorca. Ein Nachruf des Autors und Journalisten Axel Thorer

Cristina Macaya (1945–2023). B.RAMON

Ach Cristina, musste das sein? Ich bin doch sechs Jahre älter als Du und lebe noch. Und Du haust einfach ab, und ich vermisse Dich schon jetzt. Du, der Du Deine Verehrer in den erotischen Wahnsinn getrieben hast mit Deiner rauchigen, fast hätte ich gesagt: typisch spanischen Stimme, und Deiner bezaubernden, herrlich duftenden, geheimnisvoll raschelnden, unwiderstehlich magnetischen Aura, die sofort auch vornehmste Gedanken in Begehrlichkeit abgleiten ließ. Mit dieser Haut eines frisch gepflückten Pfirsichs in einem wunderbar modellierten, alterslosen Antlitz, aus dem Kluges und Bescheidenes, immer irgendwie Attraktives drang.

Nahezu unnachahmlich hat sie ihr/mein lieber Freund Ben Jakober in seinem Nachruf beschrieben, er sprach von Cristinas „körperlicher und benehmensorientierter Schönheit“. Caramba, nur bei ihr kann einem Briten eine so seltene deutsche Wortschöpfung einfallen …

Die Frau mit dem doppelten Palast

Gestorben am Donnerstag (2.3.) mit 77, betrauert von ihrer Familie und, ich sag’s mal so, auch von der Welt. Cristina López-Mancisidor Gordillo aus Madrid, genannt nach ihrem nicht mehr existierenden Ehemann Macaya. Residierend auf Mallorca seit einem Vierteljahrhundert in einem Privatreich, Es Canyar, mit einem doppelten Palast, ganz weit hinten in einem verwunschenen, weil dicht bewaldeten Tal bei Establiments, nicht weit vom Galatzó. Erreichbar nur einspurig, und wenn man sie besuchte, telefonierte man vom Eingangstor „ins Haus“, dass man da war, damit einem bloß keiner entgegenkam auf den acht Kilometern Mallorca, die rundherum ihr gehörten!

Aber wieso „doppelter Palast“? Weil sie ein Adelspalais besaß für die mehr öffentlichen Auftritte und als Gästehaus und ein Stück tiefer im Tal ein gläsernes Bungalow-Palais für die persönlichen Ungestörtheiten, beide museal geschmückt mit Kostbarkeiten aus dem 14. bis 20. Jahrhundert, unter besonderer Liebe zur zeitgenössischen Kunst Spaniens.

"Nicht reden, machen!"

„Society-Lady“, nannte man sie, die gertenschlanke und doch kurvige Grande Dame (sie zeigte das mit allem Anstand gern in eng anliegenden, bunten Seiden-Futteralen), groß gewachsen und sich ihrer unwiderstehlichen Ausstrahlung bis ins Alter bewusst. Als ich sie mal fragte bei einem Essen à deux in Palma, ob sie auch so eine sei, die Reiche zum Lunch rufe, um sie für Spenden zu schröpfen, raunte sie mir „You are silly!“ zu. Denn von Charity-Betreiberinnen der üblichen Art unterschied sie schon durch einen ihrer Wahlsprüche (übersetzt): „Nicht reden, machen!“ Und stets war Cristina zu sehr Aristokratin, um – wie die meisten der sogenannten „Damen mit den guten Herzen“ – durch tosend laut demonstrierte Mildtätigkeit prominent und bewundert zu werden.

Wir parlierten übrigens in einem spanisch-englischen Kauderwelsch, weil mein bröckeliges Spanisch den Ansprüchen einer Konversation mit ihr nicht genügte.

Sie verzweifelte nie an Problemen

Hörte man bei ihr genau hin, vernahm man häufig weises Gewisper. „Ich habe Glück mit meinem Gemüt“, sagte sie in einem ihrer seltenen Interviews (die hatte sie nicht nötig). „Ich nehme die Dinge, wie sie kommen und reagiere sofort darauf – mal so, mal so.“ Oder: „… ja, ich sehe viele schier unlösbare Probleme, aber ich verzweifle nie an ihnen!“ Deshalb hat sie, sie allein und als Erste, eine der zwischenmenschlich schwierigsten Entsetzlichkeiten auf Erden in ihre gotischen Madonnenhände genommen: Was tun, wenn Frauen mit Babys ins Gefängnis müssen? Immer wieder passiert das, seit Jahrzehnten, fast überall. „Da musste sich jemand darum kümmern“, sagte sie mir – und der Jemand war sie.

Die von dieser Humanität (und dem Problem) überraschten und gerührten Vereinten Nationen verliehen Catarina eine ihrer höchsten Auszeichnungen, den „Women Together“-Preis …

Präsidentin des Spanischen Roten Kreuzes

Dabei hätte das mit dem Abrahmen der Gesellschaft durchaus zu ihrer familiären Historie gepasst, denn Cristina zählte den adeligen französischen Piraten Jean Lafitte, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Karibik geplündert hatte, zu ihren Vorfahren. Aber bei ihr verlief das Geldsammeln 1. an Land und 2. ohne Enterbeile: Elf Jahre war sie Präsidentin des Spanischen Roten Kreuzes, erfand den „Sorteo de Oro“ und die mit ihm verbundene Verleihungszeremonie, eine alljährlich wohltuend sprudelnde Geldquelle. Also doch ein „Schröpf-Lunch“? Nein, ein nationales Abend-Ereignis, für dessen Einladungskarten selbst Condes und Marquesas einen halben Arm spenden würden.

„Hostess“ war ein anderer ihrer Ehrentitel. Zu Deutsch: Gastgeberin. Dafür war sie berühmt – für „offizielle“ Partys. Bei ihr privat eingeladen zu sein, als Freund, als guter Bekannter, als Schmuckstück, aus welchem uncharitablen Anlass auch immer („I love party“), und dann gar noch da hinten in Es Canyar, war ein Ritterschlag. Auch wenn die Einladung oft nur (… von wegen nur!) aus einem Anruf bestand, bei dem sich ein feminines Reibeisen der Stimmlage Kontra-Alt erkundigte: „Will you come?“ Was für eine Frage, und dann traf man im Salon die Clintons, Caroline von Monaco, die sich Hannover nannte, Carlos Fuentes und seine Isabel, Valentino, Michael Douglas und seine Catherine, Gwyneth Paltrow, Prinz (heute König) Charles und, und, und …

"tschuldigt mein baskisches Blut"

Sie, die Madrilenin mit den französischen, galicischen, andalusischen und baskischen Wurzeln, pflegte eine seltsame Eigenart: Sagte sie etwas, das unklar, ungewöhnlich oder unerwartet erscheinen mochte (z. B. dass der und der doch ein ziemlicher Langweiler sei oder die und die streng genommen nicht ganz bei Troste), dann entschuldigte sie das immer, kichernd wie der menorquinische Bassist Juan Pons als Hunding im „Ring der Nibelungen“, mit einer ihrer Landsmannschaften – „ah, meine galicische Ader“, „’tschuldigt mein baskisches Blut“ usw. Es war Genealogie als Schutzschild, eine völkisch verbrämte Höflichkeit …

Männer? Nie habe ich sie mit einem an ihrer Seite gesehen, den man als „festen Partner“ hätte bezeichnen können, auch nicht in „Hola!“. Der alte verbannte König? Oh ja, den kannte sie gut. Und … nein, kein „und“ . Diese höllisch reizvolle Frau war wirklich immer solo unterwegs? Pardon, ich konnte keine Nr. 1 identifizieren unter den Silberrücken und Hahnenkämmen, die sie umschwärmten – und so wurde sie eine Nonne in Liebe in ihrer Rolle als Chefin eines Clans (drei Töchter, ein Sohn, die Schwiegertochter, 17 Enkel) und Mutter der Nation.

So ist das eben bei den wahren Grande Dames wie Katharina der Großen, Coco Chanel, Katherine Hepburn, Jackie Kennedy, Prinzessin Diana, Monika Grütters, Cristina Macaya und …

36 Unterzeichner der Todesanzeige

Das letzte Mal, als ich sie traf, da hatte sie sich schon ein bisschen zurückgezogen. Verkrochen wäre zu stark, denn engste Freunde, etwa Yannick Vu und Ben Jakober, blieben ihr nah. Aber sie wischte besorgte, verschleierte Fragen nach ihrem Befinden als verbale Okupas aus der Konversation, edel wie sie nun mal war: „Life is generally difficult“, blockte sie ab, und da wusste man: Eine herrliche Frau würde bald eine weitere gleißende Karriere antreten – als strahlender Stern am Firmament der Erinnerung …

PS: 36 Trauernde haben Cristina Macayas Todesanzeige namentlich unterzeichnet. Man kann also in aller Tröstlichkeit sagen: Sie verließ uns im Kreise ihrer Liebsten

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