Mallorca Zeitung

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Wahre Kriminalfälle auf Mallora: Wie ein deutscher Arzt in Sa Coma seine Kinder ermordete

Folge 2 im MZ-Podcast „Mörderisches Mallorca“: Rüdeger Oyntzen geht als Dr. Tod in die Geschichte der Insel ein

Rüdeger Oyntzen mit seinen Kindern Katherina und Mathias. Der Mörder galt als ruhiger Mann und guter Vater. DM

Ein Mörder ruft bei Journalisten an, um seine Geschichte zu erzählen, ein deutscher Arzt tötet im Urlaub seine beiden Kinder, eine Frau vergiftet nach und nach ihre ganze Familie. In „Mörderisches Mallorca“ beschäftigen wir uns mit wahren Kriminalfällen auf der Insel.

6. September 1996. Ein Zimmermädchen öffnet im Hotel Royal Mediterran in Sa Coma das Zimmer 431. Dort liegen zwei Kinder im Bett, fast wie schlafend. Doch sie sind tot.

Als der deutsche Arzt Rüdeger Oyntzen im Sommer 1996 mit seinen Kindern Urlaub in Sa Coma macht, denkt sich niemand etwas Böses. Oyntzen liebt diese Gegend, er kommt seit 15 Jahren hierher. Früher mit Frau und Kindern, doch wie schon im Vorjahr reist er dieses Mal mit der achtjährigen Katherina und dem sechsjährige Mathias allein auf die Insel.

Oyntzen befindet sich zu diesem Zeitpunkt mitten im Scheidungsverfahren mit seiner Frau, die vom Richter bereits das alleinige Sorgerecht zugesprochen bekommen hat. Da aber das Verfahren noch nicht abgeschlossen ist, kann sie nicht verhindern, dass ihr Mann die Kinder für zwei Wochen zum Urlaub auf seine Lieblingsinsel mitnimmt.

Ruhiger Familienvater

Oyntzen gilt als ruhiger, höflicher Mann und als guter Vater. Doch er reist mit zwei Tüten voller Medikamente an. Sein Plan ist, das erzählt er später, dass seine Kinder „am schönsten Ort der Welt“ sterben. Davor verwöhnt er die Kinder den Urlaub lang. Sie dürfen sich jeden Tag ein neues Ausflugsziel aussuchen. Sie fahren Fahrrad, gehen zum Safari-Zoo, schwimmen im Meer. Oyntzen hält den gesamten Urlaub detailliert in einem Tagebuch fest. Darin steht auch, wie er seine Kinder am Abend des 4. September ermordet.

Zunächst fragt er die Kinder, wohin es am letzten Urlaubstag gehen soll. Sie wählen den Safari-Zoo. Der Arzt sagt ihnen daraufhin, dass er ihnen ein Medikament gibt, mit dem sie die Mücken beim Zoo nicht stechen werden. Die Kinder nehmen das Medikament zu sich, aufgelöst in einem Joghurt. In Wirklichkeit haben sie Beruhigungsmittel bekommen.

Während sie wegdämmern, legt ihr Vater sie auf ihr jeweiliges Bett. Oyntzen legt den Kindern Zugänge und spritzt ihnen weitere Medikamente. Während sie sterben, liest er ihnen ihr Lieblingsmärchen vor. So steht es zumindest in dem Tagebuch. Als die Kinder tot sind, faltet er ihre Hände zusammen, legt Blumen hinein und bindet ihren Kopf mit einem Tuch zusammen – ein übliches Vorgehen bei der Arbeit mit Leichnamen, damit der Mund geschlossen bleibt.

Nach dem Mord isst Oyntzen zu Abend und bedient sich am Buffet. Anschließend verbringt er noch die Nacht im Hotel. Erst am nächsten Morgen bricht er auf. Vorher hängt er noch das Nicht-stören-Schild an die Tür. Es dauerte einen ganzen weiteren Tag, bis das Zimmermädchen die toten Kinder findet. Sie ruft den Hoteldirektor, der sofort die Guardia Civil alarmiert.

Die Polizisten finden neben den Leichen auf einem Schreibtisch zwei Briefe. Einer davon ist an die Hoteldirektion gerichtet, Oyntzen entschuldigt sich darin für die Unannehmlichkeiten, die er dem Hotel verursacht. Der zweite Brief ist an die Polizei gerichtet. Darin gesteht er die Tat und kündigt an, sich von einer Klippe zu stürzen. Abgesehen von den Briefen liegen auf dem Schreibtisch das Tagebuch, zerschnittene Kreditkarten sowie die Pässe von Oyntzen und seinen Kindern.

Doch Oyntzen bringt nicht den Mut auf, sich umzubringen. Stattdessen irrt er über die Insel. Streifenpolizisten finden ihn einen Tag nach dem Fund der Leichen in der Nähe vom Cap de Formentor. Das deutsche Konsulat bittet daraufhin den Rechtsanwalt Arno Meuser, der bis heute eine Kanzlei in Palma hat, Oyntzen zu vertreten. Meuser sagt zu, in dem Glauben, dass Oyntzen psychisch krank ist. „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ein Vater, der seine Kinder irgendwann geliebt haben muss, sonst so emotionslos über den Tathergang sprechen konnte“, erzählt Meuser im Gespräch.

Nur einen Fehler bereut

Ein Detail ist Meuser besonders im Gedächtnis geblieben: „Nachdem er den Kindern den Medikamentencocktail gespritzt hatte, ist seine Tochter noch einmal aufgewacht.“ Oyntzen hatte die Medikamente über eine lange Zeit hinweg gesammelt, manches war schon abgelaufen. Und während sein Sohn schon tot war, hatte die Dosis für seine Tochter, die zwei Jahre älter und damit auch größer war, nicht ausgereicht. Oyntzen spritzte daher noch weitere Mittel nach, bis sie ebenfalls starb. „Das Einzige, was ihn im Nachhinein geärgert hat, war, dass er sich da verkalkuliert und als Arzt einen Fehler gemacht hat“, erzählt Meuser.

Der Rechtsanwalt beantragte nach dem Gespräch mit Oyntzen eine Einweisung in die Psychiatrie. Dort hielt man ihn für zurechnungsfähig. „Er mordete nicht in einem Moment geistiger Umnachtung, sondern plante die Tat und führte sie sehr bewusst aus“, sagt Meuser. Im Prozess wurde Oyntzen als voll schuldfähig eingestuft, Motiv für die Tat war die Scheidung.

Er selbst gab später an, seine Kinder vor Misshandlungen durch seine Frau geschützt zu haben, doch Gericht und auch Anwalt Arno Meuser sahen einen anderen Grund: „Er hatte einen solch unglaublichen Hass auf seine geschiedene Frau, dass das die schlimmste Rache war, die er an ihr nehmen konnte“, sagt Meuser. Der Anwalt legte mit diesem Wissen sein Mandat nieder. „Außerdem war er auch nicht an einer Verteidigung interessiert, Oyntzen wollte bestraft werden“, fügt Meuser hinzu.

Im Gefängnis auf Mallorca integriert

Ein Gericht verurteilte Oyntzen zu 34 Jahren Haft. Außerdem musste er 150.000 Euro Schmerzensgeld an seine Ex-Frau zahlen. Im Gefängnis von Palma galt Oyntzen als gut integriert und umgänglich. Er lernte Spanisch, half dem Gefängnisarzt. 2009 beantragte er die Verlegung in ein deutsches Gefängnis, weil seinen Eltern näher sein wollte.

2011 wurde er in ein Gefängnis in Baden-Württemberg verlegt. Jahre später diagnostizierten Ärzte bei ihm eine Krebserkrankung. Oyntzen durfte noch ein letztes Mal nach Mallorca reisen, um sich von seinen Freunden im Gefängnis zu verabschieden. Weil er schwer krank war, bekam er in Deutschland danach Freigang, musste nur die Nacht im Gefängnis verbringen. 2016 starb Oyntzen im Alter von 58 Jahren an Krebs.

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