Mallorca Zeitung

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Warum ein Fischer in Port de Sóller auf Mallorca mit niemandem tauschen würde

Jaime Enseñat aus Port de Sóller ist einer der letzten Schleppnetzfischer in seinem Heimatort. Er liebt seine Arbeit, hofft aber, dass seine Kinder etwas anderes machen

An Tagen, an denen Jaime Enseñat nicht ausfährt, repariert er mit seiner Besatzung die Netze. | FOTO: BENDGENS

„Ich gehöre zum Hafen“, sagt Jaime Enseñat. Der Fischer stellt keine philosophischen Überlegungen an, wenn man ihn zu seiner Heimat Port de Sóller fragt. Er sei solleric, er sei Spanier, aber zuerst und vor allem sei er vom Hafen. „Hier bin ich geboren worden und hier werde ich sterben.“ Wenn der 50-Jährige das in seiner nüchternen Art sagt, dann schwingt kein Pathos mit. Es ist schlichtweg ein Fakt.

Enseñat ist Fischer in vierter Generation. „Und wenn es nach mir geht, bin ich die letzte“, fügt er hinzu. Sein 17-jähriger Sohn komme hin und wieder in den Sommerferien mit auf See. Enseñat will ihm zeigen, wie hart die Arbeit ist und ihn so davon abhalten, den Beruf zu ergreifen. Auch seinen Töchtern, die zehn und 14 Jahre alt sind, wird er von der Fischerzunft abraten. „Meine Kinder sollen lernen und gut bezahlte Berufe ergreifen“, sagt er.

Wobei er zugibt, dass seine Vorsätze schiefgehen könnten. „Mein Vater wollte auch nicht, dass ich Fischer werde, aber der Beruf hat mir einfach zu gut gefallen.“ Im Spanischen sagt er: „el mar me tiraba“, frei übersetzt: „Das Meer rief mich“. Seine gesamte Jugend in Port de Sóller drehte sich um den Hafen und das Meer. Obwohl es in Port de Sóller einen Strand gibt, badete er mit seinen Freunden an der Mole. Auch Fußball spielten sie nicht auf dem Feld, sondern neben den Schiffen.

Port de Sóller: Gemeinschaftsgefühl ist inzwischen verschwunden

Abends trafen sich die Erwachsenen nach dem Essen zum Tratsch. „Heute ist es ganz anders, aber damals gab es ein großes Gefühl der Zugehörigkeit“, sagt Enseñat. Zu den Menschen, zum Meer, zum Hafen. Inzwischen gehören viele Häuser und Grundstücke vermögenden Ausländern. „Die sind sehr nett, aber sie wohnen oft nicht das ganze Jahr hier“, sagt Enseñat. Das Gemeinschaftsgefühl sei inzwischen verschwunden.

Seinen Entscheidung gegen den Willen seines Vaters, Fischer zu werden, bereut er nicht. „Ich sehe jeden Tag das Meer, während andere Tag für Tag dieselbe Wand anstarren – das kann man mit keinem anderen Beruf vergleichen.“ Aber die Arbeit wird mit jedem Jahr komplizierter. Es gibt weniger Fische als früher, dafür mehr Regelungen und Bürokratie. Vergangenes Jahr war es Enseñat erlaubt, an 162 Tagen rauszufahren, dieses Jahr sind es nur 134. Aktuell fischt er vier Tage die Woche, zwei Monate im Jahr muss er ganz aussetzen.

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„Sie wollen das mit Hilfen ausgleichen, aber ich brauche keine Hilfen, sondern die Erlaubnis zu arbeiten“, sagt Enseñat. Die zum Schutz der Bestände gedachten Einschränkungen erhöhen den Druck. An den Tagen, an denen Enseñat rausfährt, darf er nicht mit leeren Händen zurückkommen. Immer mehr Fischer geben auf, Enseñat hat eines der letzten zwei Schleppnetzboote und mit fünf Angestellten, die größte Besatzung in Port de Sóller.

Dabei ist es schwer, Personal zu finden. „Es gibt kaum Nachwuchs“, sagt er. Abgesehen von ihm arbeiten auf seinem Boot zwei Mallorquiner, ein Katalane und zwei Senegalesen. Er hat Kollegen, die nur Marokkaner und Senegalesen angestellt haben. Grund dafür sind nicht nur die bürokratischen Hürden, sondern die harte Arbeit an sich.

Enseñats Wecker klingelt um 4.30 Uhr, zehn Minuten später ist er auf dem Boot, und von 5 bis 17 Uhr mit seiner Besatzung auf dem Meer. Danach richten die Männer die Netze, bereiten den Fisch vor, der abends nach Palma gebracht wird. An Tagen, an denen sie nicht ausfahren, werkeln sie am Boot oder knoten Netze. Jaime Enseñat lächelt nicht viel, aber nachdem er die ganze Härte seines Berufs erklärt hat, tut er es dann doch und sagt: „Ich würde gegen nichts tauschen.“

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