Wie 73 "Bruderschaften" das Stadtfest Sant Sebastià in Palma kräftig aufmischen
Herrlich verrückt: Die "confraries" machen die offizielle Feier der Stadt mit ihren Aktionen zu einem echten Bürgerfest

Beim Treffen („Encontre“) der Bruderschaften kämpft der Unterarm des Heiligen Sebastian gegen die Pest. Das „Ritual“ fand erstmals 2019 statt. | FOTO: B. RAMON
Die Revolution kommt von unten. Das gilt auch für die Feierlichkeiten zu Sant Sebastià: Einer stetig wachsenden Gruppe Menschen reichte der von der Stadt organisierte, als inhaltsleer empfundene Konzertabend nicht mehr aus. Zu ihnen gehört Joan Moyà, der 2013 die erste Bruderschaft, die „Confraria de Sant Sebastià“ mitbegründete.
Er sprach damals mit einem Freund darüber, dass Palma der einzige Ort im Mittelmeerraum sei, der kein wirklich mitreißendes, partizipatives Patronatsfest hat. „Wir haben uns also als Format überlegt, unsere Freunde und deren Freunde an einem Ort zum Essen zusammenzutrommeln, uns ein grünes Halstuch als Erkennungszeichen anzuziehen, eine Band einzuladen und eine Prozession zu machen“, erklärt Moyà der MZ.

Ein Umzug der „Confraria de Sant Sebastià“. / B.RAMON
Intensive Emotionen und viele Nachahmer
Im ersten Jahr seien etwa 150 Leute zum Feiern gekommen, wobei er selbst die meisten gar nicht kannte – ein Triumph auf der ganzen Linie. Die neuen Rituale hätten intensive Emotionen geweckt und mehr und mehr Nachahmer gefunden. „Wir befinden uns in einem Traum, der immer größer wird“, sagt Moyà. Das Epizentrum dieser ersten confraria ist bis heute die urige Bar Can Vinagre im Carrer dels Oms geblieben.
Ebenfalls zu den Pionieren gehört das an seinen gelben Halstüchern erkennbare, 2014 gegründete Kollektiv „Orgull Llonguet“. „Wir sind wie der große und kleine Bruder und verstehen uns prima“, sagt Laura Velilla. Sie ist die Sekretärin der zweiten Gruppe, deren Name sich aus den llonguets, typische Brötchen und zugleich Verunglimpfung der Bürger Palmas, und dem Stolz (orgull) zusammensetzt. Auch ihr erster Auftritt sei improvisiert gewesen. Seit etwa fünf Jahren hätten sie aber ihr Erfolgsrezept gefunden, ein dreitägiges Programm.
Highlight dabei: die gastronomische Initiative llonguetades am 18. Januar. „Dazu braucht es drei Voraussetzungen: llonguets, Dekoration in Gelb und einen kulturellen Programmpunkt“, sagt Velilla. Ansonsten könne jede Gruppe oder jedes Lokal eine llonguetada ganz nach Gusto umsetzen. „Wir geben den Impuls und erstellen eine Karte mit den Teilnehmern.“ Das Kollektiv selbst zieht bei der „Revolta Llonguetada“, einem Umzug mit Riesenköpfen aus Pappmaché und Musik, am 19. Januar durch die Stadt. Am 20. Januar gibt es um 12 Uhr einen Konter-Wermut gegen den Kater.

Leckere Brötchen bei einer llonguetada. / B.RAMON
Ein Kampf zwischen Pest und Unterarm
Inzwischen sind es sage und schreibe 73 Bruderschaften. Je mehr confraries, desto mehr Koordination wurde nötig, um die Aktivitäten aufeinander abzustimmen, schließlich geht es nicht um Privatpartys sondern um ein Bürgerfest. So entstand 2018 der Dachverband „Obreria de Sant Sebastià“. „Das war eine natürliche Entwicklung“, sagt dessen Vorsitzende Elena Femenia im Gespräch mit der MZ.
Das Zentralkomitee übernehme nicht nur die Aufgabe der Kommunikation mit dem Rathaus und mit den Bruderschaften. Es schuf auch ein verbindendes Ritual: Beim „Encontre“, das dieses Jahr am 19.1. ab 17 Uhr auf der Plaça de Sant Francesc steigt, treffen sich alle confraries. Sie wickeln ihre Tücher um eine Nachbildung des Reliquiars, in dem die Kathedrale den Knochen des Heiligen aufbewahrt. Dann wird der Kampf zwischen heiligem Unterarm und der Pest nachgespielt. Denn die Legende um den knöchernen Überrest, der die Stadt einst vor der Epidemie bewahrte, bildet den Kern der Feier zu Ehren des Schutzpatrons.
Neue Ideen und Gruppen erwünscht
Um diesen Aspekt noch mehr in den Fokus zu rücken und um das Fest zu verlängern, gab es dieses Jahr, in Zusammenarbeit mit der Stadt, erstmals den „Tag der Pest“ am 11. Januar – mit einer Prozession ganz in Schwarz, einem Auftritt der personifizierten Seuche und einem Fest mit Musik. Ein weiterer Brauch, der zu den vielen, teils irrwitzigen Traditionen hinzukommt, die die einzelnen Bruderschaften pflegen – etwa jene, den Nonnen von Santa Clara am Sonntag vor der Stadtfeier Eier zu bringen, auf dass es zu Sant Sebastià nicht regnet.

Gerade eingeführt: der „Tag der Pest“. / Guillem Bosch
Die Frage nach dem Alleinstellungsmerkmal einer confraria ist jedoch völlig verkehrt: „Was wir so an dieser Feier lieben, ist, dass sie komplett reproduzierbar ist. Die Grundformel ist ganz simpel“, so Moyà. Freunde, Essen und Musik, viel mehr brauche es als Basis nicht. Moyà würde sich allerdings noch mehr närrische Elemente wünschen, damit es auch bloß nicht zu traditionell zugeht.
Zudem habe die Feier keineswegs identitären Charakter – es gehe darum, die Vielfalt von Palma zu zelebrieren. „Wir fänden es toll, wenn ihr euren deutschen Lesern, die hier leben, sagt, dass sie genauso Palmesaner sind wie wir. Und dass sie mitfeiern, ihre Verrücktheit einbringen und auch ihre eigenen Bruderschaften gründen sollen ...“
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