150 Jahre Eisenbahn auf Mallorca: Früher wurden Kohle und Kartoffeln transportiert, heute Personen
Am 24. Februar vor 150 Jahren fuhr der erste Zug auf der Insel – und katapultierte Mallorca in ein neues Zeitalter. Was das neue Verkehrsmittel speziell für Inca bedeutete und wie der Betrieb ablief, hat Stadtchronist Miquel Pieras erforscht

Ein Dieselzug Anfang der 1980er-Jahre über der Avinguda General Luque in Inca. / Rosselló Inca
Am Montag (24.2.) wird die Eisenbahn auf Mallorca 150 Jahre alt. Als erste Linie wurde damals Palma–Inca in Betrieb genommen. Gedacht wird am Sonntag (23.2.) mit Jubiläumsfahrt, Zugtaufe und einer neuen Ausstellung. Miquel Pieras, Stadtchronist von Inca, hat in Archiven zu der Geschichte der Eisenbahn recherchiert.
Auf welche Schätze im Archiv sind Sie bei der Vorbereitung des Jubiläumsjahrs gestoßen?
In Inca selbst gibt es nur wenig Dokumentation, die meisten Unterlagen sind wohl zentral archiviert worden. Ich habe aber umfangreiches Fotomaterial gefunden und bin auf kuriose Dinge gestoßen. Es gab zum Beispiel neben den Fahrkarten auch ein Ticket, das zum Betreten des Gleisbereichs berechtigte. Damit konnte man ankommende Passagiere empfangen oder einfach dem Trubel zusehen. Es war außerdem üblich, dass Verkäufer am Bahnhof von Inca in den haltenden Zug stiegen, um Getränke oder Kekse zu verkaufen. Die Zugfahrt von Artà nach Palma dauerte schließlich eine ganze Weile, und beim Halt mussten Kohle geladen oder Wasser getankt werden. Und für die Zeit der 20er- und 30er- Jahre habe ich Tickets für Sonderzüge für Spiele des Fußballclubs Constància gefunden, sei es in Inca, Palma oder Manacor. Das Ticket fürs Spiel konnte man direkt miterwerben. Constància gegen Real Mallorca in Palma – Zugfahrt und Eintritt für drei Peseten.

Stadtchronist Miquel Pieras aus Inca. / privat
Wie lässt sich erklären, dass die Verbindung Palma–Inca die erste Linie Mallorcas war?
Inca war Ende des 19. Jahrhunderts ein wichtiges Handelszentrum mit Schuhmachern, Schmieden, einem großen Markt. Bei einer Distanz von knapp 30 Kilometern zu Palma bot es sich an, diese Strecke anzugehen.
Von wem ging die Initiative aus?
Die Pläne gehen auf Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Um 1850 schlugen katalanische Ingenieure, die Brüder Gisbert, eine Eisenbahnlinie ins Inselinnere vor, das Projekt kam aber nicht voran. Die Idee nahm dann 1871 ein junger Ingenieur namens Eusebi Estada wieder auf, nach dem ja heute auch die Straße an Palmas Bahnhof benannt ist. Zur Finanzierung wurde eine Handelsgesellschaft gegründet, an der Anteilscheine erworben werden konnten. Es war eine komplett private Initiative.
Wie hat der Zug Inca verändert?
Es war ein enormer Modernisierungsschub für ganz Mallorca. Die Strecke war nun in einer Stunde zu bewältigen, mit der Pferdekutsche brauchte man sicherlich drei Mal so lange. Inca war zu dem Zeitpunkt noch gar keine Stadt. Es setzte eine Wechselwirkung ein: Dank der Eisenbahn wuchs die Wirtschaft, und damit nahm auch die Nachfrage nach dem Zug zu. Die Ortsgrenze befand sich zunächst rund 300 Meter vom Bahnhof entfernt. Mit dem Zug nahm die Besiedlung zu, es entstanden in diesem Gebiet Fabriken und Geschäfte. Die Eisenbahn war ein wichtiger Impuls für die Wirtschaft. Die Exportwaren kamen zügig nach Palma, und von dort durch den damaligen Eisenbahntunnel bis zum Hafen. Wo sich heute am Bahnhof von Palma das Kino Augusta befindet, befand sich Can Mir, ein Lager für Holz, damals wichtiges Baumaterial, und ein zweites Lager entstand am Bahnhof Inca. Es gab auch Eisenlager an beiden Enden der Eisenbahnlinie.
Warum wurden die ersten Züge Mallorcas aus England importiert?
Eusebi Estada war mehrfach für seine Studien dorthin gereist. Ich denke, es lag auch an seinen persönlichen Kontakten. Er verhandelte vor Ort den Ankauf von Material, und so kam es auch, dass die englische Spurbreite von 91,4 Zentimetern übernommen wurde.

Soldaten am Bahnhof von Inca vor ihrem Einsatz in Afrika in den 1920er-Jahren. / Rosselló Inca
Wie war anfangs das Verhältnis zwischen Passagier- und Gütertransport?
In den ersten zwei Jahrzehnten war das in etwa halb-halb, die Züge waren mit Passagier- und Güterwaggons unterwegs. Ab den 1930er-Jahren nahm der Anteil des Güterverkehrs ab, bis er dann ganz verschwand. Diese Aufgabe übernahmen mehr und mehr die Lkw.
Was wurde hauptsächlich transportiert?
Vor allem schwere Güter, Kohle und Steinblöcke, auch besonders Mehl und Kartoffeln aus Sa Pobla. 1919 kam es zu einer Revolte in Inca, als die Grundnahrungsmittel knapp waren. Die Arbeiter griffen den Zug an, als dieser in Inca hielt, und stahlen Mehlsäcke.
Welche Auswirkungen hatten Putsch und Bürgerkrieg auf den Eisenbahnbetrieb?
Auf Mallorca gab es nur kurze Zeit Kriegshandlungen, im Sommer 1936. Aber die Infrastruktur wurde unter strategischen Gesichtspunkten ausgebaut, etwa Verteidigungsanlagen an der Küste. Man wollte auch die Eisenbahnlinie bis Alcúdia und Pollença verlängern. Die Häfen sollten angebunden werden, um so eine schnelle Verbindung mit Barcelona zu haben.

Der Bahnhof von Inca. / Rosselló Inca
Wie weit kam dieses Projekt?
Es wurde ausgearbeitet, und 1938 begannen die Arbeiten bei Sa Pobla. Hierfür wurden auch Bataillone von Zwangsarbeitern eingesetzt. Die Arbeiten kamen dann 1940 zum Erliegen. Ich kenne nicht die genauen Gründe, aber in der Nachkriegszeit der beginnenden Franco-Diktatur lag Spanien wirtschaftlich am Boden. Die Verteidigung der Küste dürfte an Priorität verloren haben.
Setzte nun der Niedergang der Bahn ein?
Nach Kriegsende 1939 ging der Bahnbetrieb weiter, aber mit dem Tourismusboom wendete sich das Blatt: Die Küste gewann ab den 1960ern an Bedeutung, auf Kosten des Inselinnern, der Siegeszug des Autos begann. Mit Frequenzen von bis zu anderthalb Stunden war der Zug auch nicht mehr sehr attraktiv.
War die Inca-Strecke in Gefahr, ganz zu verschwinden, wie die restlichen Eisenbahnlinien, mal abgesehen vom Sóller-Zug?
Durchaus. Nach und nach wurden mehr Linien stillgelegt, als letzte davon im Jahr 1981 Inca–Sa Pobla. Warum nicht auch die Strecke Palma–Inca? Die Passagierzahlen waren recht stabil. Auch der mehrfache Ölpreisschock der 1970er dürfte ein Grund gewesen sein, warum man vor einer Schließung zurückschreckte.
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