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Mallorcas neuer Rabbiner: "Den Menschen ein Vorbild sein"

Die jüdische Gemeinde auf den Balearen hat mit Eliahu Bar-Geva seit Mai einen neuen Rabbiner. Ein Gespräch über den Ruf des Glaubens, ewige Werte und das Damoklesschwert Antisemitismus

Rabbiner Eliahu Bar-Geva lebt und wirkt seit Mai in der Jüdischen Gemeinde der Balearen

Rabbiner Eliahu Bar-Geva lebt und wirkt seit Mai in der Jüdischen Gemeinde der Balearen / Nele Bendgens

Alexandra Bosse

Alexandra Bosse

Bevor er in den Interview-Termin einwilligt, setzt der neue Rabbiner der jüdischen Gemeinde auf den Balearen, Eliahu Bar-Geva, gleich klare Grenzen: „Nur wenn es dabei nicht um politische Themen geht.“ Hintergrund sind natürlich die angespannte Lage im Nahen Osten, die pro-palästinensische Haltung der spanischen Regierung unter Ministerpräsident Pedro Sánchez, die Israel Kriegsverbrechen und Völkermord im Gazastreifen vorwirft, sowie die inselweiten Demonstrationen für das palästinensische Volk und ein Ende des Krieges. Das Treffen mit der MZ findet auf der Terrasse der Cafeteria El Puente statt, unweit der Synagoge der jüdischen Gemeinde am Carrer de Monsenyor Palmer in Palmas Stadtviertel Santa Catalina.

Es ist ein sonniger Septembertag und der kleine, schmächtige Mann mit dunklem Vollbart und Brille sitzt in weißem Hemd, mit weißer Schirmmütze und mit einem Mineralwasser bereits am Tisch. Auch bei der Begrüßung wirkt er angespannt. Auf die Frage, ob das Interview aufgezeichnet werden kann, willigt er zwar ein, schaltet aber sogleich auch die Tonaufnahme in seinem Handy ein. Sobald das Gespräch beginnt und sich wie besprochen auf den Glauben und ihn als Person konzentriert, entspannt sich Eliahu Bar-Geva zusehends. Später lüftet er sogar kurz sein Cap, unter dem er seine kreisförmige Kippa trägt. Die typische jüdische Kopfbedeckung wird vor allem von orthodoxen männlichen Juden als Zeichen der Ehrfurcht und Demut vor Gott den ganzen Tag getragen. „Ich muss sie öffentlich verbergen, um nicht auf der Straße angefeindet zu werden“, sagt der 43-Jährige.

Rabbiner Eliahu Bar-Geva im Interview mit der MZ

Rabbiner Eliahu Bar-Geva im Interview mit der MZ / Nele Bendgens

Eine Art Missionar

Eliahu Bar-Geva kam in Mexiko zur Welt und studierte Psychologie in den USA. Als praktizierender orthodoxer Jude habe er das Bedürfnis gehabt, nach Israel zu gehen, sagt er. Dort lernte er nicht nur seine israelische ultraorthodoxe Frau Bat Chen kennen, sondern erfuhr auch von dem Missionars-Programm des Straus-Amiel-Instituts. Es entsendet weltweit Rabbiner in jüdische Gemeinden, die Unterstützung gebrauchen können.

„Freunde von mir nahmen daran teil, die Idee gefiel mir, und so bewarb auch ich mich“, sagt Eliahu Bar-Geva, der außer Spanisch auch Englisch und Hebräisch spricht. Nach seiner Ausbildung entsandte das Straus-Amiel-Institut ihn und seine Familie 2023 erstmals für einen Einsatz als Rabbiner nach Alicante. „Jetzt spreche ich außerdem auch noch etwas Valencianisch, genauso wie meine Töchter, die sechs und acht Jahre alt sind“, sagt er.

Im Mai dieses Jahres zog die Familie dann weiter nach Mallorca. „Die jüdische Gemeinde hier besteht aus vielen sehr unterschiedlichen Menschen“, sagt Eliahu Bar-Geva. Da gebe es die xuetas, Nachfahren von Juden, die im 15. Jahrhundert zwangsweise zum Christentum konvertierten. Sie sind Mallorquiner sind sprechen oft kaum Englisch. Hinzu kämen Gemeindemitglieder aus Lateinamerika, Großbritannien, Deutschland und ganz Europa, viele davon Touristen, die wenig Spanisch können, sowie die Israelis. „Meine Aufgabe ist, die Gemeinde zusammenzuhalten und auszuweiten, daher sind meine Sprachkenntnisse hier besonders wichtig“, sagt Eliahu Bar-Geva. Als Rabbiner ist er für die religiösen Bedürfnisse, Gebete und jüdischen Zeremonien wie etwa die Bar-Mizwa – die Feier der Religionsmündigkeit – oder die Hochzeiten zuständig. Während des Interviews klingelt mehrmals sein Handy. „Letztendlich arbeitet ein Rabbi immer“, sagt er.

Der neue Rabbiner der jüdischen Gemeinde der Balearen CJIB: Eliahu Bar-Geva

Der neue Rabbiner der jüdischen Gemeinde der Balearen CJIB: Eliahu Bar-Geva / Nele Bendgens

Ein Vorbild für die Gläubigen

Eliahu Bar-Geva möchte nicht nur die Juden Mallorcas mehr für die Religion und Gemeinschaft interessieren, sondern auch andere Menschen besser über den jüdischen Glauben informieren. Dafür plant er im Herbst verschiedene Veranstaltungen, zu denen jeder willkommen ist. Am Mittwoch (1.10.) feierte er mit seiner Gemeinde Jom Kippur, den Tag der Vergebung. „Da kommen alle Juden der Insel in die Synagoge, auch diejenigen, die sonst liberaler leben“, sagt der Rabbiner und fügt grinsend hinzu: „So wie die Christen, die nur zu Weihnachten in die Kirche gehen.“

Natürlich seien die Gläubigen frei in ihrer Art, die Religion zu leben, meint der auch sonst jungenhaft wirkende Rabbiner. „Die Tora gibt klare Regeln vor. Sie einzuhalten, ist eine persönliche Angelegenheit zwischen dem Gläubigen und Gott und nicht von mir zu beurteilen“, sagt er. Dabei sei es aber die Pflicht eines jeden Juden, sich als ein tadelloser Bürger zu verhalten.

Eliahu Bar-Geva will der Gemeinde Vorbild sein. „Es ist wichtig, dass wir die jüdischen Traditionen rein halten. Wenn wir nicht lehren, was wir lehren sollen, sondern stattdessen versuchen, cool zu sein und uns anzubiedern, verlieren wir unsere Werte“, sagt der 43-Jährige. Er sei beispielsweise absolut nicht mit den deutschen Juden einverstanden, die die Tradition des Sabbats, des heiligen Ruhetages, vom Samstag auf den Sonntag verlegt hätten, um sich an die Gepflogenheiten in Deutschland anzupassen. „Genauso sollten Juden auch nur untereinander heiraten, denn das Judentum wird nicht individuell praktiziert. Man kann als Einzelner ein guter Christ oder ein guter Buddhist sein, aber man lebt nicht vollständig als Jude, wenn man keine Familie und keine Gemeinschaft hat“, sagt Eliahu Bar-Geva.

Als während des Interviews ein offenbar unter Drogen stehender Bettler zwischen den Tischen hindurchgeht und ihn nach Geld fragt, bietet der Geistliche ihm sein restliches Wasser aus der Flasche an. Der Mann wird böse und beschimpft ihn. Eliahu Bar-Geva zuckt zusammen und verliert seine entspannte Haltung. Noch mehrmals schaut er sich nervös nach dem pöbelnden Mann um, scheint auf der Hut zu bleiben.

Rabbiner Eliahu Bar-Geva fühlt sich momentan in der Öffentlichkeit als Jude nicht sicher.

Rabbiner Eliahu Bar-Geva fühlt sich momentan in der Öffentlichkeit als Jude nicht sicher. / Nele Bendgens

Nicht mit Israel gleichzusetzen

Auf die Frage, ob er Angst verspüre, geht das Gespräch doch noch in eine politische Richtung. „Ja, das habe ich. Deshalb trage ich meine Schirmmütze als eine Art Vermummung. Die Nationalpolizei rät zu unserer eigenen Sicherheit dazu, wir könnten sonst angegriffen werden“, sagt Eliahu Bar-Geva mit gedämpfter Stimme. Das wäre ihm, gelobt sei Gott, bisher noch nicht passiert, aber als er in Alicante einmal öffentlich mit seiner Kippa unterwegs war, hätten ihn arabische Jugendliche als Mörder beschimpft und schlagen wollen. „Solche Dinge passieren tatsächlich. Das Thema ist sehr komplex, aber ich verstehe nicht, warum niemand den Unterschied zwischen dem israelischen Staat und dem Judentum macht“, sagt der Rabbiner und beginnt zu vergleichen. In China gebe es doch auch Menschenrechtsprobleme, aber deshalb gehe niemand in einen chinesischen Laden, um die Verkäufer zu beschimpfen. Auch im Dönerladen würden die Mitarbeiter nicht wegen der Zustände in manchen islamischen oder arabischen Ländern bedroht.

„Oder denken Sie doch an den Skandal um die Kindesmissbrauchs-Fälle in der katholischen Kirche, gehe ich da zu den Katholiken auf der Straße, um ihnen Vorwürfe zu machen?“, sagt Eliahu Bar-Geva „Nein. Aber anscheinend bei uns schon, und genau deshalb kann ich mich hier nicht offen als Jude zeigen. Das ist das Traurige daran. Wir sind eine jüdische Gemeinde in Spanien, also spanische Juden und keine Israelis. Die Tatsache, dass man uns nicht so sieht, ist Antisemitismus. Wir sind nicht für die Politik des israelischen Staates verantwortlich“, bekräftigt er.

Informationen

Comunidad Judía De Les Illes Balears

Synagoge: Carrer de Monsenyor Palmer, 3, Palma

Kontakt:

E-Mail: cjibalears@gmail.com

Telefon: +34 677 864 026

www.cjibalears.es

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