Festnahme auf Mallorca: Engagierte eine 61-jährige Deutsche einen Auftragskiller oder wurde sie in eine Falle gelockt?
Die Versionen prallen aufeinander: Die Festgenommene spricht von Betrug und Hilfszahlung, Ermittler sehen eine versuchte Anstiftung zum Mord

Marta beim Verlassen des Gerichts in Palma. / Lorenzo Marina
Es ist ein Fall, der aus einer Tatortfolge stammen könnte. Eine Frau beauftragt angeblich einen italienischen Restaurantbetreiber, ihren Schwiegersohn umbringen zu lassen. Doch anstatt den Auftrag auszuführen, verpfeift der Mann sie bei der Polizei. Wenig später wird sie auf Mallorca festgenommen - ein internationaler Haftbefehl aus Deutschland liegt gegen sie vor. Doch sie versichert: Die Geschichte war eigentlich völlig anders. Sie sei übers Ohr gehauen worden, als sie einem todkranken Freund finanziell habe helfen wollen. Wer sagt hier die Wahrheit?
Das sagt die angebliche Auftraggeberin
Treffen mit der angeblichen Auftraggeberin. Sie ist 61 Jahre alt, stammt aus Polen, hat aber einen deutschen Pass. Nennen wir sie Marta. Sie lebte viele Jahre ihn Berlin und leitete eine Reinigungsfirma. Im Mittelpunkt um den ganzen angeblichen Auftragsmord steht ein Familiendrama um ihre erwachsene Tochter, nennen wir sie Lena. Im Jahr 2020 sei diese mit ihrem Mann nach Maioris ausgewandert.
„Sie bekamen einen Sohn“, erzählt Marta. Ihr Schwiegersohn habe sie regelrecht gedrängt, ebenfalls auf die Insel zu ziehen und sich ein Apartment zu kaufen. „Er stellte mich offiziell in seiner Stromfirma als Bürohilfe an, in Wirklichkeit sollte ich aber das Kind hüten.“
Zu dem Mann, den ihre Tochter geheiratet hat, hat sie kein gutes Verhältnis. Ihr Schwiegersohn sei ein Lügner, mit Drogen- und Alkoholproblemen. Daher wollte Lena sich im Sommer 2024 scheiden lassen. Zu dem Zeitpunkt ist zumindest er wieder in Deutschland. „Er überzeugte sie, nochmal nach Köln zu kommen und es mit einer Paartherapie zu versuchen“, erzählt Marta.
Doch das stellte sich schnell als Fehler heraus. „Er nahm vor den Augen der Familie Kokain, schlug meine Tochter und würgte sie.“ Es kam zum Streit vor Gericht. „Mein Schwiegersohn hat Geld, meine Tochter nicht. Es endete nicht gut." Lena ließ das Kind beim Vater zurück und wollte auf der Insel ihre Sachen aus dem Haus holen. Allerdings passte der Schlüssel nicht mehr.
Regelrechter Krieg
Da sie keinen Zutritt mehr hatte, erstattete sie gegen ihren Mann Anzeige bei der Guardia Civil. Die Mutter spielte der MZ eine Sprachnachricht vor, die vom Schwiegersohn stammen soll. „Es geht darum, mir zu schaden. Wenn sie damit anfängt, mache ich das auch und nehme dafür mein Geld in die Hand. Ich mache sie platt“, ist zu hören. Es sei regelrecht zum Krieg gekommen, so die 61-Jährige. Das war Anfang dieses Jahres.
In ihrem Kummer und ob der wachsenden finanziellen Nöte suchte Marta Rat bei einem befreundeten italienischen Gastronom auf der Insel, für den sowohl sie als auch die Tochter früher gearbeitet hatten. Laut der Polin habe der Italiener Mutter und Tochter erneut einen Job ab Oktober in einem Restaurant im Süden der Insel in Aussicht gestellt. „Er meinte, er könne uns mit dem Problem mit meinem Schwiegersohn helfen“, sagt die 61-Jährige. Was das genau bedeutet, ist unklar.
Vor einem Monat berichtete der Italiener dann, dass er an Lungenkrebs erkrankt sei und sich die Metastasen schon überall im Körper verteilt hätten. Er habe kein Geld für die Arztrechnungen, ob die Polin ihm nicht etwas leihen könne. Zuerst habe sie deswegen 1.000 Euro überwiesen, später nochmal 5.000 Euro.
Das sagt der italienische Gastwirt
Treffen mit dem italienischen Gastwirt, nennen wir ihn Giancarlo. Er betreibt ein Lokal im Süden der Insel. Das mit dem Lungenkrebs sei wahr, erzählt er. Er sei tatsächlich erkrankt. Dass er Geld für eine Behandlung brauche, sei aber falsch. "Ich habe eine private Krankenversicherung. Sie übernimmt die Kosten für die Behandlung."
Vor einiger Zeit sei Marta zu ihm gekommen. Sie habe ihn gefragt, ob er jemanden kenne, der ihren Schwiegersohn töten könne. Damals hielt es der Wirt die Frage noch für einen makaberen Witz. Beim zweiten Mal war ihm schon nicht mehr nach Lachen zumute. „Bei der dritten Anfrage habe ich es ernst genommen und wollte sehen, wie weit sie geht. Ich habe ja gesagt, dass ich jemanden kenne“, sagt Giancarlo. "Sie dachte, nur weil ich Italiener bin, hätte ich Kontakte. Als wären alle Italiener Mafiosi.“
Er bittet Marta zum Gespräch ins Restaurant, um die letzten Details für den angeblichen Mord zu klären. Was Marta nicht weiß: Giancarlo nimmt das Gespräch heimlich auf. Die Aufnahme liegt der MZ vor. Darin ist unter anderem Folgendes zu hören:
Auszug aus der Aufnahme eines Gesprächs, die der Mallorca Zeitung exklusiv vorliegt:
Marta: Ist das 100 Prozent?
Giancarlo: Ja, das ist ein böser Mann. Diese Familie kommt aus Son Banya. Meine Familie aus Neapel steckt auch mit drin. Was willst du? Tot oder nicht tot?
M: Egal, er sollte ohnmächtig sein, damit er nichts mehr machen kann. Am besten ein Invalide oder klack.
G: Er ist kein kleiner Junge.
M: Ja, und er ist gefährlich.
G: Montag ist er weg?
M: Ja.
G: Morgen ist Samstag. Morgen gucken wir nur. Sonntag machen wir alles.
M: Alles klar.
G: Du machst in dem Hotel, in dem du mit deiner Familie bist, viele Fotos. Den ganzen Tag, egal was. Du bleibst daheim. Wo ist deine Tochter?
M: In Deutschland
G: Perfekt. Jetzt bekomme ich 1.000 Euro. Sonntag nach der Tat weitere 4.000 Euro. Dann ist der Mann weg. Montag früh setzt du dich in den Flieger. Das ist Scheiße für uns alle.
M: Ich bin am Ende. Ich muss wegen dem Arschloch nach Deutschland zurück. Ich habe kein Geld, er hat mir alles genommen. Ich habe seit Juni keine Arbeit.Ich möchte ihn tot sehen. Du weißt davon, ich weiß davon und meine Tochter.
G: Ich könnte dafür in den Knast gehen.
M: Ich auch.
G: Finito. Ich rufe den Mann an.
„Ich sollte nach der Tat zudem 50.000 Euro vom Vermögen des Ermordeten bekommen“, erzählt der Wirt der MZ. So weit kam es nicht. Der vermeintliche Vermittler steckte die Informationen Martas Schwiegersohn, mit dem er befreundet ist. Der zeigte es bei der Polizei in Köln an.
Es ist ihre Stimme, aber...
Marta bestreitet gar nicht, dass ihre Stimme auf der Aufnahme zu hören ist. „Ich würde meinen Schwiegersohn lieber tot sehen, die Aufnahme ist aber aus dem Kontext gerissen“, sagt sie. Und erhebt schwere Vorwürfe gegen Giancarlo. Der Italiener selbst habe hohe Schulden und Ärger mit seinem Geschäftspartner, den er aus dem Weg räumen wolle. Mit ihrem Schwiegersohn würde er zudem gemeinsam regelmäßig koksen. So sei es der Ex ihrer Tochter gewesen, der dem Gastronom 50.000 Euro geboten habe, um die vermeintliche Falle zu stellen. Als sie Wind davon bekam, dass die Krankheit nur vorgetäuscht sei, habe sie bei der Nationalpolizei Anzeige erstellen wollen.
Zu dem Zeitpunkt lag aber schon der Haftbefehl gegen sie und ihre Tochter vor. Die Tochter sitzt seit dem 22. September in Köln in Untersuchungshaft, die Mutter wurde einen Tag nach der Festnahme vom Gericht in Madrid unter Auflagen freigelassen. „Ich muss auf Abruf verfügbar sein und darf die Insel nicht verlassen“, sagt sie. Einer Auslieferung widersprach sie.
Das sagt die Staatsanwaltschaft
Die Staatsanwaltschaft Köln bestätigte auf MZ-Anfrage die Ermittlungen gegen Mutter und Tochter. „Beiden wird vorgeworfen, versucht zu haben, einen auf Mallorca lebenden Dritten dazu bringen, den Ehemann einer der Beschuldigten zu töten. Beim Versuch soll es geblieben sein, da der Dritte nicht vorhatte, den an ihn herangetragenen Auftrag auszuführen.“ Über die Freilassung der 61-Jährigen wurde die Staatsanwaltschaft noch nicht informiert. „Das wäre im Übrigen eine Entscheidung, die allein im Ermessen der spanischen Justiz stünde. Zu den etwaigen Hintergründen ist hier noch nichts bekannt.“
Einen Auftragskiller zu engagieren – selbst wenn dieser die Tat nicht ausübt – gilt als versuchte Anstiftung. Die Strafe richtet sich nach der geplanten Straftat, in diesem Fall Mord. Marta und Lena könnten lebenslange Haftstrafen drohen.
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