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"Die haben uns nicht auf dem Schirm": Deutsches Paar verzweifelt nach Brand in Cala Bona

Nach dem Brand in einem Mehrfamilienhaus in Cala Bona am Dienstag (28.10.) weiß ein deutsches Paar aus der Nachbarwohnung noch immer nicht, wohin - und fühlt sich von Verwaltung und Versicherung alleine gelassen

Hans und Margit Faller mit Hündin Nala in ihrer Küche. Sie grenzt direkt an die Brandwohnung.

Hans und Margit Faller mit Hündin Nala in ihrer Küche. Sie grenzt direkt an die Brandwohnung. / Sophie Mono

Sophie Mono

Sophie Mono

Eigentlich wollten Margit und Hans Faller bei ihrem Mallorca-Aufenthalt Kraft tanken. 33 Tage in ihrer kleinen Eigentumswohnung in Cala Bona, die sie 2016 gekauft hatten. "In Deutschland wohnen wir nur zur Miete. Wir haben ein Leben lang darauf hin gespart, hier Eigentümer zu sein und jetzt habe ich fast gar nichts mehr", sagt Margit Faller verzweifelt. Es war am Dienstag (28.10.) als die Nachbarwohnung der 63-Jährigen plötzlich zu brennen begann - und den eigentlich so vielversprechenden Mallorca-Aufenthalt der zwei Bayern aus den Angeln gehoben hat.

Direkt neben dem Brand

"Am Abend zuvor haben wir noch auf unsere Silberhochzeit angestoßen", sagt Margit Faller, die ihre Wohnung in Cala Bona etwa sechs Mal im Jahr nutzt. Faller ist eine patente Frau - aber eingeschränkt. Durch verschiedene chronische Leiden ist sie schwerbehindert. "Gesundheitlich geht es mir auf Mallorca immer viel besser, und das ist auch gut fürs Seelenleben. Die Wohnung ist meine Wohlfühlinsel. Oder war es bis jetzt" Klein, aber liebevoll eingerichtet ist das Appartment im dritten Stock des Mehrfamilienhauses. Ein Balkon, zwei Schlafzimmer, eine kleine Küche.

Am Donnerstag lässt das Paar die MZ hinein. Zwei Tage nach dem Inferno nebenan ist der Brandgeruch noch immer beißend. Abgesehen von Rußspuren auf dem Boden und den Arbeitsflächen in der Küche ist die Wohnung der Bayern unversehrt geblieben - zumindest auf den ersten Blick. "Aber wer weiß, was hinter den Einbauchschränken und der Küchenwand ist. Die grenzt direkt an die Brandwohnung. Dort verläuft die Elektrik, auch vom Herd. Wir trauen uns gar nicht, ihn anzumachen", sagt Hans Faller.

Für das Paar ist es seit dem Brand unvorstellbar, wieder hier zu wohnen. Ständig muss Margit Faller husten - als Asthmatikerin setzt ihr die Brandluft besonders zu. Schon nach wenigen Minuten drängt es sie wieder hinaus. Zum wenige Gehminuten entfernten Hotel, in dem die beiden und ihre Hündin Nala nach dem Brand unterkamen. Zunächst für eine Nacht, dann für eine zweite. "Weder das Rathaus noch die Versicherung hilft uns. Wir zahlen hier jede Nacht 96 Euro für das Zimmer, ohne dass wir eine Zusage haben, dass jemand die Kosten übernimmt. Das können wir uns so nicht weiter leisten, wir haben kaum Ersparnisse", sagt Margit Faller und Verzweiflung klingt in ihrer Stimme mit. Trotzdem wird sie etwas ruhiger, als sie sich in der Lobby niederlässt, in der es weder Ruß noch Brandgeruch gibt, und zu erzählen beginnt.

Angst um die Wohnung

An jenem Dienstag gegen 9.30 Uhr saß Hans Faller gerade am Frühstückstisch und Margit war in der Küche, als plötzlich ein lauter Knall aus der Nachbarwohnung ertönte. Eine Explosion. Danach ein zweiter Knall und Glasklirren. "Erst dachte ich: Was machen die Nachbarn denn da in der Küche", so Margit Faller. Dann sahen die beiden die Flammen aus dem Erker der Nachbarn lodern - nur wenige Meter von ihnen entfernt.

Margit Faller zeigt zum Erker der Nachbarn, der am Dienstag (28.10.) lichterloh brannte

Margit Faller zeigt zum Erker der Nachbarn, der am Dienstag (28.10.) lichterloh brannte / Sophie Mono

Margit Faller schoß ohne nachzudenken ein Foto, realisierte erst dann den Ernst der Lage und geriet in Panik. "Ich wusste nicht einmal mehr, wo ich meine Papiere hatte, schnappte mir nur meine Handttasche, rief Hans zu, dass er Nala anleinen und packen sollte, und dann sind wir raus." Im Treppenhaus kehrte er noch einmal um, um den Autoschlüssel des Mietwagens zu holen, den sie für ihren Aufenthalt angemietet haben. "Da sah ich den Rauch über den Einbauschränken unserer Küche hervorquellen", erinnert er sich. Margit klopfte währenddessen die Nachbarn aus einer anderen Wohnung wach. Dann stürmten sie nach unten.

"Da kamen uns schon Polizisten entgegen, die waren sehr schnell da. Aber die Feuerwehr hat 30 Minuten gebraucht", so Margit Faller, die die Zeiten wegen Aufnahmen auf ihrem Smartphone genau rekonstruieren kann. Alle Hausbewohner sammelten sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite - bis auf die zwei jungen Männer, die sich in der Brandwohnung befunden hatten. Sie retten sich selbst, trugen jedoch Verletzungen davon und mussten nach Palma ins Krankenhaus gebracht werden. "Relativ schnell war klar, dass niemand vermisst wird oder gar gestorben ist", so Hans Faller. Der ersten Erleichterung darüber wich die Angst um die Wohnung. "Die Flammen loderten noch lange weiter, immer wieder gab es kleinere Explosionen. Ich stand dort und habe einen Nevenzusammenbruch bekommen", so Margit Faller. Die Nachbarn hätten sich rührend um sie gekümmert - trotz der Sprachbarriere.

Lodernde Flammen am Dienstag (28.10.) - direkt neben der Wohnung von Hans und Margit Faller

Lodernde Flammen am Dienstag (28.10.) - direkt neben der Wohnung von Hans und Margit Faller / Margit Faller

Gegen 11.40 Uhr, als das Feuer unter Kontrolle war, seien dann Feuerwehrleute in alle Wohnungen des Gebäudes gegangen - immer noch unter dem Blick der Bewohner, die weiter auf der anderen Straßenseite ausharrten. "Als sie bei uns die Fenster aufmachten, kam eine riesige grauweiße Rauchwolke heraus", so Margit Faller. "Die waren nur wenige Minuten darin, wirklich etwas überprüft haben sie nicht", ergänzt Hans Faller. Dann hätte es für die meisten Bewohner Entwarnung gegeben. "Abgesehen von der Brandwohnung und den zwei direkt darüber liegenden Wohnungen, die deutliche Schäden davon getragen haben, sagten sie, dass alle anderen Wohnungen 48 Stunden lang gelüftet werden müssten, danach könne man auch wieder dort schlafen", so Margit Faller. Dass aber ihre Wand direkt an den Brand angrenzte, und vielleicht versteckte Schäden entstanden sein könnten, darüber habe sich von den Verantwortlichen niemand mehr Gedanken gemacht, sagt sie.

Gegen 14 Uhr löste sich die Menschentraube vor dem Haus auf, ein Mitarbeiter des Rathauses sprach kurz mit allen Betroffenen. "Ich glaube, der hat gar nicht richtig verstanden, dass wir Eigentümer sind, die nicht wissen, wohin, und nicht nur Urlauber, die einfach wieder wegfliegen können", so Margit Faller, die nur wenige Brocken Spanisch spricht. Der Mann habe ihr ein Hotel in der Nähe vorgeschlagen. Als die Deutsche aber darauf hinwies, dass dort auch Hunde erlaubt sein müssten, habe der Rathausmitarbeiter nur mit den Schultern gezuckt und sich nicht weiter gekümmert.

Wer übernimmt die Kosten?

Immerhin: Zu einer Anwohnerversammlung am Abend, die ohnehin angesetzt war, sei noch einmal jemand vom Rathaus vorbeigekommen. "Man hat uns aber immer nur geraten, unsere Versicherung zu kontaktieren." Genau das tat Faller auch am darauffolgenden Mittwochmorgen. Und stieß dort ebenfalls auf wenig Kooperationsbereitschaft. Trotz mehrmaligen Nachhakens weigerte sich das Versicherungsunternehmen, die Übernachtungskosten im Hotel sicher zu übernehmen. Auch ein Gutachter, der den Schaden inspizieren kann, sei trotz Drängens nicht gekommen - weder von der eigenen Versicherung, noch von der der Brandverursacher. "Wir wissen auch immer noch nicht, was überhaupt zum Brand geführt hat." Nur, dass die Eigentümerin wohl eine Britin sei und die Brandopfer ihre Mieter.

Hans und Margit Faller mit Hündin Nala am Donnerstag (30.10.) in der Lobby des Hotels, in das sie notdürftig zogen

Hans und Margit Faller mit Hündin Nala am Donnerstag (30.10.) in der Lobby des Hotels, in das sie notdürftig zogen / Sophie Mono

Auch am Freitag (31.10.), als die MZ noch einmal telefonisch bei Faller nachfragt, hat sich die Situation nicht gebessert. Die letzte Nacht hat das Paar notdürftig in einem winzigen Bett einer Bekannten verbracht, um Kosten zu sparen. "Das ist aber auf keinen Fall eine Dauerlösung, hier können wir maximal eine weitere Nacht bleiben", betont Margit Faller. Wo sie dann bis zum geplanten Rückflug am 21. November hin soll, weiß sie nicht. Den Fluchtinstinkt, einfach direkt zurück nach Deutschland zu fliegen, habe sie schnell beiseite geschoben. "Wir müssen ja in der Nähe der Wohnung bleiben, lüften und da sein, wenn doch jemand den Schaden begutachten kommt." Vom Rathaus fühlt sich Faller ebenso im Stich gelassen wie von ihrer eigenen Versicherung und der Hausverwaltung. "Wir fühlen uns hilflos, weil uns keiner helfen will", sagt Margit Faller. "Die sehen nur die zwei Wohnungen über dem Brand, uns haben die gar nicht auf dem Schirm."

Nur durch Zufall habe sie von einem Nachbarn erfahren, dass für Freitag eine Gebäudebegehung mit Anwohnern, Rathausverantwortlichen und Polizei geplant ist. Ein kleiner Hoffnungsfunke. "Mit dem Handyübersetzer werde ich versuchen, mich zu verständigen. Hoffentlich erkennt dann endlich jemand unsere Situation." Letztlich entpuppt sich auch das als Reinfall. "Uns wurde nur noch einmal gesagt, dass unsere eigene Versicherung uns eine Wohnung stellen muss. Aber die will den Gutachter erst am Montag schicken", so Faller entmutigt. "Bis dahin hängen wir in der Luft."

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