Von Karl Hofer

Verblüffend dabei: Der angebotene Käse stammt stets und beharrlich aus Menorca. Was Semilla-Werbefachfrau Marian Miró so begründet: ýDer Mahón aus Menorca ist der einzige Käse der Balearen mit dem Herkunfts- und Gütesiegel Denominación de Origen (D.O.)."

Auf Menorca - so nimmt man bei dieser Gelegenheit zur Kenntnis - spielt die Landwirtschaft und die seit dem Altertum betriebene Käseproduktion noch immer eine tragende Rolle. Und dies in doppeltem Sinn: Einmal garantiert die Käseherstellung den Fincabesitzern ein ausreichendes Einkommen, zudem helfen die nur durch Trockensteinmauern voneinander getrennten großen Wiesenflächen mit den darauf frei weidenden Kühen die Kulturlandschaft zu erhalten und das ökologische Gleichgewicht zu bewahren. Was die UNESCO honorierte und die Insel zum Biosphärenreservat erklärte. Der Mahón-Käse genießt aus diesen und einigen anderen Gründen viel behördliche Werbe-unterstützung.

Den Mallorca-Käse behandelt das balearische Landwirtschaftsministerium dagegen eher stiefmütterlich, obwohl er gemäß Fachleuten qualitativ jenem der Nachbarinsel nicht nachsteht. Was Kaiser Karl V. bereits im 16. Jahrhundert konstatierte. Er ließ 1541, als er mit der kaiserlichen Flotte Zwischenhalt vor der größten Baleareninsel machte, nicht weniger als 25 Tonnen des von ihm so geliebten Mallorca-Käses auf seine Schiffe laden.

Piris in Campos und Grimalt in Es Llombards sind die beiden großen Käsehersteller auf Mallorca, wesentlich kleiner ist Burguera an der Straße zwischen Campos und Colònia de Sant Jordi (MZ berichtete). Diese drei Unternehmen produzieren ausschließlich Käse aus Kuhmilch. Branchenleader beim Schafskäse ist der Familienbetrieb S´Atalaia außerhalb von Llucmajor. Die Milch von 1.200 eigenen Schafen und 800 Ziegen wird hier täglich zu Schafskäse verarbeitet. Absatzsorgen kennen die Käsereien Mallorcas nicht. Beispielsweise kann S´Atalaia heute aus dem einfachen Grund kaum mehr Schafskäse mit längeren Reifeprozessen herstellen, weil praktisch die ganze Produktion täglich als Schaffrischkäse weggeht. Grimalt und Piris, die ihren Käse zu kleinen Teilen auf Ibiza und in Barcelona, zur Hauptsache jedoch auf Mallorca absetzen und sich einer treuen Kundschaft erfreuen, blicken trotzdem mit leichter Sorge in die Zukunft, wie Grimalt-Geschäftsleiter Antonio Vidal eingesteht: ýDa auf Mallorca von Jahr zu Jahr weitere Bauernbetriebe mit Viehhaltung verschwinden, könnte eines Tages mangelnde Frischmilch die Käseproduktion einschränken."

Käsefreunde kommen auf Mallorca heute fast so gut wie in Frankreich auf ihre Rechnung. Die großen supermercados bieten in ihren bemerkenswerten Käseabteilungen Spezialitäten aus zahlreichen Ländern Europas und natürlich Inselkäse an. Man kann ihn auch bei Piris, Grimalt und Burguera direkt an der Quelle kaufen oder auf verschiedenen Wochenmärkten und in spezialisierten Geschäften.

Frommos im Einkaufszentrum Porto Pi in Palma war viele Jahre lang ein Wallfahrtsort der Käseliebhaber. Dieser Laden ist heute geschlossen, weil der Inhaber das Pensionsalter erreichte. Seine Schwester Inmaculada Gimeno Domenech führt jedoch die Tradition in der Ciutat weiter. In ihrem winzig kleinen Käseladen mit Restaurationsbetrieb an der Calle Los Olmos 28 unterhalb der Plaça d´Espanya sind in den Vitrinen stets 150 bis 200 Käserei-Spezialitäten aufgereiht. Darunter zahlreiche bekannte spanische Käsesorten vom Festland, auf die wir in einem speziellen Kasten etwas näher eingehen möchten.

Den Inselneulingen gelingt die Annäherung an den einheimischen Käse nicht immer auf Anhieb. Deshalb kurz zusammengefasst ein paar Einkaufshilfen: Der spanische Kuhmilchkäse (queso de vaca), der Schafskäse (queso de oveja) und der Ziegenkäse (queso de cabra) werden normalerweise in den folgenden vier Qualitäten und Reifegraden angeboten:

l tierno (weich, weiß, wenig gelagert, fast ohne Rinde).

l semi-curado (zwei bis sechs Monate gelagert, weich, mild im Geschmack).

l curado (sechs und mehr Monate gelagert, gelblich, fest, würzig).

l añejo (Reifezeit kann bis zu 24 Monate dauern, sehr würzig und sehr hart, lässt sich nur schwer schneiden und zerbröckelt dabei gerne, dunkelgelb bis graubraun).

Erhitzt man Käse beim Kochen stark, trennt sich das Eiweiß vom Fett, womit der Käse Fäden zu ziehen beginnt. Weil gut gelagerter Hartkäse etwas höhere Temperaturen erträgt, sollte man bei der Zubereitung einer Käsesauce entweder geriebenen spanischen Hartkäse oder bekannte Käsesorten wie Parmesan oder Greyerzer wählen, die Sauce nur heiß werden lassen und keinesfalls kräftig kochen. So kann man die leidigen Fäden vermeiden. Ein anderes Käseproblem erschüttert in Gourmetkreisen seit Jahren die Gemüter und hat sich zu einem Streitfall über Landesgrenzen hinaus entwickelt. Es geht darum, ob man am Ende eines mehrgängigen Menüs zuerst den Käse oder Süßes auftischt.

Die Franzosen berufen sich auf ihre Gastronomie-Leitfigur Brillat-Savarin und servieren den Käse konsequent als Schlusspunkt. Was aus medizinischer Sicht durchaus Sinn macht, weil der Käse die Produktion von Magensaft anregt und somit die Verdauung aktiviert. Trotzdem verweigert man in Deutschland, in der Schweiz, in Österreich und in zahlreichen anderen Ländern den Franzosen zunehmend die Gefolgschaft, isst den Käse an zweitletzter Stelle eines lukullischen Mahles und schließt es genüsslich mit einem süßen Dessert ab.

Was trinkt man zu Käse? Allgemein bekannt ist, dass Wein und Käse sehr gut harmonieren. Als Richtschnur gilt heutzutage, zu rezentem und gut gelagertem Käse eines Landes oder einer Region einen Rotwein dieses Landes, zu jungen und milderem Käse dagegen einen entsprechenden Weißwein oder Rosé aufzutischen. Auch ein Bier passt gut dazu.

Den vielen mitten im Berufsleben stehenden gestressten Mitteleuropäern, die ein paar Tage Ferien auf Mallorca buchen, um sich zu erholen und zu regenerieren, kann man nur raten, sich in einer kühlen Inselgartenecke oder auf einer schattigen Veranda zu einem Glas Rotwein einige Brocken gut gelagerten würzigen Inselkäse, dazu Brot, Oliven, Zwiebelringe aus weißen Inselzwiebeln, in Mehl gewendete und in Olivenöl leicht gebratene Auberginenscheiben sowie einige Radieschen mit etwas Salz auftischen zu lassen. Aus der Gourmet-Perspektive zwar ein fast beängstigend einfaches Mahl - für den einen oder anderen Gast könnte es jedoch den Weg ebnen zu innerer Gelassenheit und zu einer vorher nicht gekannten (Insel-)Glückseligkeit.