Jürgen Trittin, ehemaliger deutscher Umweltminister und derzeitiger Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, gehört zu den prominentesten deutschen Wanderern auf Mallorca.

Herr Trittin, waren Sie dieses Jahr schon auf der Insel?

Leider nein. Dieses Jahr musste das Wandern auf Mallorca krankheitsbedingt ausfallen (Trittin musste Anfang des Jahres wegen Herz-Kreislauf-Problemen in eine Klinik, Anm.d.Red.). Zuletzt war ich Ostern 2009 da. Leider hat es da viel geregnet.

Ihre Lieblingsroute?

Ich laufe, wegen der Herausforderung, am liebsten von Lluc hoch auf den Puig de Massanella. Vom Gehen her ist das sehr schön, und dann hat man oben einen großartigen Ausblick.

Wie suchen Sie denn Ihre Wanderungen aus: Wanderführer, Karten oder kennen Sie Leute hier?

Ich habe mehrere Wanderführer, inzwischen kenne ich die Insel ganz gut und arbeite auch mit englischen Routenbeschreibungen. Da findet man auch mal was anderes. Karten hab ich auch und im Zweifelsfall noch ein Handy.

Was packen Sie in Ihren Rucksack, wenn Sie wandern?

Ein zweites T-Shirt, eine Regen­jacke, hinreichend Wasser zum Trinken. Das braucht man bei den Temperaturen. Und natürlich etwas zu essen, wenn ich eine längere Tour mache.

Kein Fläschchen Wein?

Das braucht man nicht mitzunehmen. Dafür gehe ich danach in eine Bar.

Und bestellen sich eine Lammschulter? Oder sind Sie Vegetarier?

Ich finde, dass es in der mallorquinischen Küche viele wunderbare Eintöpfe mit Fisch oder auch mit Fleisch gibt, die zu entdecken es sich lohnt. Vegetarisch essen würde ich als Einschränkung der kulinarischen Vielfalt ansehen.

Wie schätzen Sie den Zustand der Wanderwege ein?

Die Markierungen sind in den vergangenen Jahren eindeutig besser geworden. Sie sind nicht perfekt, aber ich habe mich immer orientieren können.

Standen Sie denn schon mal vor verschlossenen Toren?

Aber ja. Ich konnte einmal nicht nach Sóller absteigen, bin dann oberhalb vom Tunnel gelandet und musste eine Riesenstrecke zurückgehen. Mich stört bei diesem Wanderrevier extrem, dass die Verwaltung einfach zuguckt, wie da Leute, jenseits von Recht und Gesetz, die Erschließung schöner Strecken verhindern. Bei Pollença ist es die Familie March, und auch rund um den Puig Roig gibt es absurde Beschränkungen durch diese Familie (man darf dort nur sonntags wandern, Anm.d.Red.). Öffentliche Wege müssen auch öffentlich gemacht werden. Dafür muss man sich mit den Reichen dieser Insel anlegen.

Die Besitzer der Landgüter fühlen sich von den Wanderern gestört.

Meine Erfahrung ist, dass gerade Wanderer die letzten sind, die für hooliganism und Ähnliches verantwortlich sind. Ich kenne nur Wanderer, auch auf Mallorca, die alles, was sie mit ins Gelände nehmen, auch wieder mit zurücknehmen, jedes Tor hinter sich verschließen und wenn auf einem Schild steht, „bitte die Wege nicht verlassen“, auch die Wege nicht verlassen. Da scheinen eher die Leute das Problem zu sein, die mit dem Auto zum Picknicken in die Berge fahren.

Mallorcas Inselrat bewirbt sich um den Titel des Weltnaturerbes für die Serra de Tramuntana. Was halten Sie davon?

Das ist für die Serra de Tramuntana durchaus angemessen. Das setzt aber voraus, dass man nicht nur Werbung macht, sondern dafür sorgt, dass die Wege offen sind. Hier ist government gefragt. Ein Welt­naturerbe muss zugänglich sein.

Können wir Sie zu den Unterstützern zählen?

Ich finde es schön, dass das auf den Weg gebracht wurde. Meine besten Wünsche begleiten dieses Projekt.

Woran denken Sie beim Wandern? An den Atomausstieg?

In erster Linie fährt man ja in Urlaub, um sich von dem, was einen sonst beschäftigt, ein Stück abzuwenden. Man sieht mich höchst selten E-Mails auf dem Handy lesend durch die Berge rennen. Es geht darum, Landschaft und Natur zu genießen und sich auf die körperliche Herausforderung zu konzentrieren, die das Wandern mit sich bringt. Man ist natürlich nie völlig frei von dem, was einen im Leben sonst so umtreibt.

Haben Sie Kontakt zu Umweltschützern auf der Insel?

Die Tour vom Cúber-Stausee zum Coll de l‘Ofre habe ich mit einem Mitglied von den Amics de la Terra gemacht. Das ist aber schon eine Weile her.

Die Umweltschützer vom GOB haben sich dafür entschieden, nicht in die Politik zu gehen. Können Sie das nachvollziehen?

Es gibt unterschiedliche Sphären und Arbeitsweisen. Wir haben auch in Deutschland Nichtregierungsorganisationen, ohne die Umweltpolitik in diesem Lande nicht vorstellbar wäre. Ich habe als Umweltminister sehr bewusst die Finanzierung und auch die materiellen Rechte von Umweltverbänden hochgefahren. Weil die Wächterfunktion, die solche Lobbygruppen für die Natur haben, durch nichts zu ersetzen sind. Sie sind nicht parteipolitisch, aber in vielen Fragen hochpolitisch.

Wie nachhaltig ist Mallorca?

Man würde dieser Insel sehr unrecht tun, wollte man sie auf das kurze Stück Schinkenstraße am Balneario sechs reduzieren. Wo ich kopfschüttelnd davorstehe, ist die Baupolitik. Mein ehemaliger Kollege Matas, der vormalige Umweltminister und zweifache Ministerpräsident, hat ja ziemlich viele Probleme gekriegt durch seine engen Beziehungen zur Bauwirtschaft. Ich sehe auf der Insel kein Konzept, das die unterschiedlichen Formen von Nutzung ausbalanciert und ein klares Signal setzt in Richtung Erhalt, Bewahren und Naturschutz. Man ist hin- und hergerissen zwischen Qualitätstourismus und dem großen Umsatz durch den Massentourismus.

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