Sechs Männer tanzen paarweise im Kreis, sie tragen Tüllröcke über den Hosen, die ihnen knapp über die Knie reichen. Im Mittelpunkt steht eine Frau, la dama. Es ist der Tanz der cossiers, die bei den Festen in Alaró, Algaida, Manacor und Montuïri auftreten.

Xisco Vallcaneras, der am Konservatorium in Palma Unterricht über Volkstänze in Europa gibt, beschäftigt sich seit 1974 mit dem Tanz. Als das Ende des Franco-Regimes absehbar war, begann er, wie viele andere auf der Insel, sich mit dem Brauchtum Mallorcas zu beschäftigen. Doch den Ursprung der cossiers fand er auf der Insel nicht.

„Der Tanz ist ein Relikt heidnischer Folklore", sagt Vallcaneras. 1990 erschien sein Buch „Els Cossiers d´Alaró". Im Rahmen seiner Arbeit führte er Interviews mit Männern, die in ihrer Jugend als cossiers getanzt hatten. Mit der Zeit war das Brauchtum in Vergessenheit geraten. Nur einige wenige Zeitzeugen konnten sich noch an die Kleidung und die Schrittfolgen der cossiers erinnern. Nach ihren Beschreibungen schneiderte man neue Trachten. Seit 1992 gehört der Tanz wieder zum Festprogramm Alarós. Die Choreografie ist unverändert: Noch immer tanzen sechs Männer im Kreis um die Dame, die ebenfalls von einem Mann dargestellt wird.

Xisco Vallcaneras nennt den Grund dafür: „Einerseits waren die heidnischen Fruchtbarkeitsgötter weiblich, andererseits waren die heidnischen Kulturen aber bereits vom machismo geprägt", sagt Vallcaneras. Weibliche Göttinnen waren Sinnbild für die Fruchtbarkeit. Doch die Menschen, die den Auftrag bekamen, ihnen zu huldigen, waren Männer.

Die Schrittfolge, die nach zwei Schritten einen Sprung vorsieht, sei ebenfalls ein Zeichen für heidnische Riten. „Man wollte eine Reaktion der Mutter Erde, der madre terra, herbeirufen", sagt der Volkskundler. Der Klang der Schellen, die an den Kleidern der Tänzer festgenäht waren, sollten böse Geister vertreiben. Ebenso die Kräutersträuße aus Myrtenzweigen oder Basilikumästchen, die die Tänzer in manchen Dörfern in der Hand halten. Auch die bunten Bänder an den Trachten der cossiers lassen heidnische Riten erkennen, mit denen man um eine reiche Ernte bat.

Dass sich das frühe Christentum der heidnische Festtermine bediente, ist bekannt. Die Christen übernahmen ebenfalls die Tänze. „Die heidnischen Fruchtbarkeitsrituale waren für die Bevölkerung zu attraktiv, als dass die Kirche auf sie verzichten konnte", sagt Vallcaneras.

Über Katalonien fand der Tanz seinen Weg nach Mallorca. Die christlichen Eroberer brachten ihn nach 1229 auf die Insel. Auf Mallorca traten die cossiers fortan gemeinsam mit der Marienstatue oder im Umfeld der schlafenden Madonna – Mare de Déu Morta – auf. Eine neue weibliche Gottheit war gefunden.

„In der Zeit des Barock (etwa 1575 bis 1770) erlebten die cossiers ihren Höhepunkt", sagt Vallcaneras. Im Zuge der Gegenreformation entwickelte die katholische Bevölkerung üppiges Brauchtum. Die Liturgie der katholischen Kirchen wurde prunkvoller. In den Dörfern Mallorcas kamen die Feste zu Ehren der Schutzheiligen in Mode. An den Prozessionen nahmen fortan die Handwerkerzünfte teil, die cossiers traten in 15 Inseldörfern an Fronleichnam und zusätzlich dem Fest des Schutzpatrons auf, in Palma hatten die verschiedenen Zünfte sogar eigene Tänzer.

Damals gesellte sich auch der Teufel zu den Gruppen, deren Tanz das Spiel zwischen Gut und Böse widerspiegelte. Der Teufel versucht auch heute noch, der Dame zuzusetzen, die Tänzer umkreisen ihn, halten den Dämonen mit Schellenlärm, Tanzsprüngen und Tüchern, den mocadors, davon ab. Am Ende des Tanzes pflegt der Gehörnte am Boden zu liegen. Die Dame steigt, das Gute verkörpernd, triumphierend über ihn. Im Gegensatz zu den Tänzern, die in der Kirche ihren Gabentanz l´oferta aufführen, ist dem Teufel das Gotteshaus allerdings verwehrt.

„Die cossiers treten heute nur bei wichtigen Festen auf. Im Anschluss an ihren Tanz wird eine Messe abgehalten", sagt Vallcaneras. Die Koppelung an die Messe soll den rituellen Charakter der Gruppe bewahren. Und doch gibt es ein Novum im Brauchtum: In Algaida tritt die Gruppe mit einer echten Frau in der Rolle der dama vor das Publikum.

In der Printausgabe vom 1. September (Nummer 591) lesen Sie außerdem:

- Die gute Geschichte: Alles zu Ehren von Juníper Serra

- Eisgekühlt: Espresso on the rocks

- Aktiv auf der Insel: Neue Kurse im Yogastudio Zunray

- Auszeit: Natürlich schön - Beauty-Elixiere selbst gemacht

- Kindermenü: Sprachspiele

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