In keinem Restaurant geht es ohne Teamgeist. Doch Andreu Genestra und seine Mannschaft gehen in ihrem neuen Gastronomie-Tempel, der nach dem Kreativkoch benannt und am 23. April im Landhotel Predi Son Jaumell eröffnet wurde, noch einen Schritt weiter: Sie ziehen auch ökonomisch an einem Strang. Das bedeutet konkret, dass neben Genestra auch Souschef Álvaro Salazar, die Patisserie-Chefin Sela Priego und der Maître Roberto Mosquera, die mit Genestra schon im Formentor gearbeitet hatten, in der Anfangszeit finanziell zurückstecken und sich erst bei einem Geschäftserfolg normale Gehälter auszahlen wollen.

Die Voraussetzungen dafür scheinen gut. Denn der Chef beweist sich schon seit Jahren als aufsteigender Stern am kulinarischen Himmel der Insel. Das kommt nicht von ungefähr: Als der in Inca geborene Genestra mit 16 in einem ernsten Vater-Sohn-Gespräch seine Zukunftsvorstellungen äußerte, kam der Papa sofort mit seinen Bedingungen: Adrià, Arzak – keine Geringeren als die besten Köche Spaniens sollten die Lehrmeister seines Filius sein.

Zum Reinschnuppern organisierte der resolute Vater sofort eine Stelle in einem Iberostar-Hotel. Ein Studium an der hiesigen Hotelfachschule folgte. Fünf-Sterne-Nobelhotels wie Read´s, Son Brull, Son Julia oder zuletzt Formentor waren ebenso Stationen wie zwischendurch „unbezahlte Praktika, bei denen man aber eine Unmenge lernt", wie Genestra erzählt.

Dabei arbeitete er dann auch mit den vom Vater anfangs ins Spiel gebrachten Größen wie Juan Mari Arzak, Ferran Adrià („ein irrer Koch, bei ihm war es hart und familiär zugleich") oder Jean-Louis Neichel. Er kochte zudem in London, Brasilien, Stockholm, Moskau und sogar in Kuwait bei der königlichen Familie. „Die wollten mich gleich komplett engagieren."

Doch Genestra winkte ab. Auch die Verantwortlichen des neuen Hotels Jumeirah in Port de Sóller klopften vergebens an. „Da wäre ich höchstens Chef eines Restaurants von mehreren geworden und hätte mich deren Vorstellungen anpassen müssen. Das ist nicht mein Ding, ich will jetzt mein Kochen selbst bestimmen."

Als er im Oktober 2011 im Formentor aufhörte, sah er die Zeit gekommen, den Traum vom eigenen Lokal zu verwirklichen. „In Palma fand meine kleine Truppe dazu keine Gelegenheit", antwortet er auf die Frage, warum es ausgerechnet Capdepera wurde. Die Lage in oder nahe der Inselhauptstadt mit ihrem verwöhnten Publikum gilt als wichtiges Plus.

Aber auch Capdepera hat seinen Reiz. Pedro Pascual – seines Zeichens Architekt, aber auch Chef einer kleinen und feinen Hotelgruppe mit Häusern auf Mallorca, in Mexiko und in der Dominikanischen Republik – bot dem heute 28-Jährigen mit seinem neuen ­Landhotel Predi Son ­Jaumell ­einen attraktiven Standort. Das Anwesen spiegelt architektonisch die Küche von Genestra wider: elegant, ungewöhnlich, überraschend, mit modernem Konzept, doch basierend auf mallorquinischer Tradition. Im Falle des Hotels wurde eine possessió aus dem 17. Jahrhundert gründlich renoviert und mit neuen Elementen ergänzt. Pascual ließ eine Küche nach Genestras Vorstellungen einbauen, und auch das Restaurant (stilvoll designter Innenbereich plus romantische Pergola-Terrasse) wurde gemeinsam konzipiert.

Für den Betrieb ist das Team allein verantwortlich. „Das Lokal ist unser Kind – dafür haben wir hart gekämpft", sagt Genestra, dem man die Begeisterung ansieht.Fehlendes Selbstbewusstsein kann man weder ihm noch seinen Mitstreitern unterstellen. Geboten wird mediterrane Küche auf Basis zumeist mallorquinischer Produkte (viele aus dem eigenen, 1.500 Quadratmeter großen Garten) in originellen Kombinationen. Zum Beispiel camaiot-Wurst mit Aprikosenmarmelade (6 Euro), Zwiebelsuppe mit Kinn vom Ibérico-Schwein und Mahón-Käse (9,50 Euro), Seewolf mit Fenchel und Pflaumen (18,50 Euro), Bio-Lamm mit Kräutern (17 Euro) oder konfitiertes Rindfleisch mit Gemüse und Rosinenschaum (15 Euro). Es ist ein Spiel mit Zutaten, Texturen, Aromen und Garzeiten, und alles handwerklich perfekt.

Dazu kommen ästhetisch ­faszinierend angerichtete Teller. Beispiel: ein Dessert, das übrigens die preisliche Fairness unterstreicht und den schlichten Namen dulce maceta trägt – süßer Blumentopf. Dahinter verbirgt sich, was man auch im Bild sieht: Der Schoko-Topf zerbricht auf dem Teller und enthüllt „Kuchen-Erde", Mousse und Himbeeren. Obenauf kommt ein Vanille-granizado als Schnee-look-alike. Ein einzigartiges Dessert und mit 7 Euro günstig – zumal die Portion für zwei Personen reicht.