Schätze und Drachen sollen sie bergen, die Höhlen bei Porto Cristo vor Mallorcas Ostküste. Bevor der Tourismus auf die Insel kam, und mit ihm die fragwürdige Lichter- und Musikshow im Inneren des Höhlensystems, hatten die Menschen Angst vor den Coves de Porto Cristo: unterirdische, dunkle Grotten, Gänge und Höhlen, mit bizarren Tropfsteinformationen, Süßwasserseen und absoluter Stille. Ureinwohner, Mauren, Templer und selbst Piraten wagten sich nur so tief hinein, wie ihnen das Tageslicht den Weg wies.

Es mussten im 19. Jahrhundert Wissenschaftler kommen, aus Katalonien, Deutschland oder Frankreich, um den Coves de Drach, den Drachenhöhlen wie sie damals schon hießen, ihr Geheimnis zu entreißen. Heute sind sie komplett erforscht: Keine Spur von Drachen, Templer- oder Piratenschätzen, nur noch bunte Lampen und große Menschengruppen, die im Akkord durch die Gänge geführt werden.

Forscher wie Édouard Alfred Martel machten die touristische Nutzung der Formationen möglich. Dem Franzosen, nach dem heute einer der unterirdischen Seen benannt ist, ermöglichte die Arbeit wiederum einer, von dem dieses Jahr schon viel zu hören war: der Erzherzog Ludwig Salvator, großer Mallorca-Liebhaber und -erkunder, verstorben vor 100 Jahren. Der „Arxiduc" bezahlte die Expedition ins Innere Mallorcas mit seinem Geld, der Apanage, die er als Angehöriger des Habsburger Kaiserhauses alljährlich aus Wien bezog. So gesehen also hat letztlich Kaiser Franz Josef die ganze Geschichte angekurbelt.

Sie hat am 23. Oktober eine Fortsetzung. Dann wird das Höhlen­system im Stil des 21. Jahrhunderts erforscht: Ein Maler, ein Tänzer und ein Musiker improvisieren gemeinsam vor dem 140 mal 70 Meter großen Martel-See. Die Live-Performance ist ein Beitrag des Es Baluard-Museums zum Erzherzog-Jahr und heißt „El espíritu del Archiduque en las Cuevas del Drach" (Der Geist des Erzherzogs in den Drachenhöhlen). Der Titel führt in vorwissenschaftliche Zeiten zurück, zumindest wenn man „Geist" mit „Gespenst" assoziiert.

Tatsächlich geht es bei der neuen Erforschung des Höhlensystems wieder um eine Reise ins Innere. Allerdings nicht im Sinne eines Speläologen, also eines Höhlenforschers, sondern eher eines Anthropologen. „Der Erzherzog wollte dem Wesen der Insel auf die Spur kommen", sagt Tänzer Tomeu Gomila (Gründer der Kompagnie Au Ments). Er ist neben dem Maler Rafel Joan, dem Musiker José Miguel „Púter" Puigserver (Bassist der Indie-Rockgruppe Satellites) und dem Techniker und Fotografen Jaume Caldentey Teil des Projekts.

Ein Druck des Erzherzogs von einer Landschaft des Pla, der flachen Inselmitte, ein Besuch in der Höhle und eigene Erlebnisse in der Gegend reichten den Künstlern als Inspiration. „Wir leben alle im Pla", sagt Tomeu Gomila, „deshalb deuten wir unsere Arbeit als Hommage an diesen

Naturraum, der sozusagen über den Höhlen liegt."

Maler Rafel Joan, mit Abstand der Älteste von allen, bringt mit Tinte auf Glas und Papier die Gedanken in Bewegung. Die Linien und Formen werden per Projektor auf die „ziemlich schwierige, sehr kontrastreiche" Höhlenwand geworfen, so Tomeu Gomila. Sein Schatten wird sich dann live über diese zweifach gestaltete Wand bewegen, zwischen Tintenklecksen und Felsvorsprüngen, zur Musik von Puigserver. Der will analog und elektronisch den Raum vertonen, mit Synthesizern, Harfen, Vibraphon oder Bass. „Wir sehen die Höhle als einen heiligen Ort", so Gomila. Ob ihn die touristische Nutzung entweihe, darauf will der Künstler nicht antworten. Jeder Besucher solle sich nach dem Event selbst sein Urteil bilden über passende oder unpassende Nutzung der Drachenhöhlen.

Wer am 23. Oktober bei dem einmaligen Event dabei sein will, kann sich per E-Mail kostenlosen Eintritt sichern (difusio03@esbaluard.org). Beginn ist um 19.30 Uhr. Dieselbe E-Mail-Adresse dient auch der Zusendung von Privatfotos aus den Drachenhöhlen, zu der das Museum alle auffordert. Im Rahmen der Programmreihe „Tourismus und Kreation" will Es Baluard eine Sammlung mit alten, romantischen Fotomotiven aus der Höhle anlegen. Der unterirdische Ort ist und war für viele Paare ein Klassiker während der Flitterwochen.

www.esbaluard.org (unter Actividades culturales 2015)