Man nehme: Ein in Vergessenheit geratenes, eigentlich geschmacksneutrales Weißmehlbrötchen, gebe einen Schuss Lokalpatriotismus hinzu - diese llonguets gibt es nur hier - und verbreite das alles in den sozialen Netzwerken. Schon hat man eine erfolgreiche Kampagne. So geschehen bei der ruta del llonguet, die nach vier Monaten jetzt zu Ende ging. 52 Bäckereien in Palma verkauften jeden Mittwoch ihre belegten Weißbrötchen samt einem Getränk für 2,50 Euro.

Bemerkenswert viele Kunden sprangen darauf an, wie Pep Magraner (54), der Geschäfts­führer der Bäcker- und Konditor­innung, weiß. „Allein im Fornet de la Soca von Tomeu Arbona wurden bis zu 700 Brötchen an einem Tag verkauft." Und auch in weniger bekannten, aber dennoch guten Bäckereien wie dem Forn de la Missió gingen mittwochs bis zu 500 llonguets, belegt mit frittierten Kalmar-Ringen, Huhn in Sherry-Sauce mit Pilzen oder Sobrassada-Honig über die Theke.

Ein Volltreffer. „Viele Besucher kannten diese Bäckereien vorher nicht und haben dann natürlich neben llonguets auch andere Backwaren gekauft", sagt Pep Magraner. Zudem habe sich der Umsatz der Weißbrötchen verdreifacht, was viele Bäckereien dazu ermuntert habe, sie wieder herzustellen.

Es war in der über 40 Jahre langen Geschichte der Innung das erste solche Projekt. Sein Erfolg motiviert nun dazu, weitere Aktionen ins Leben zu rufen, um das traditionelle Handwerk zu stärken. „Die Billigprodukte der Industrie, die es an jeder Tankstelle oder im Supermarkt gibt, sind geschmacklich eine Katastrophe, aber leider schauen die meisten Kunden vermehrt auf den Preis und nicht auf die Qualität", sagt Magraner.

Wobei die kommenden zwei Monate traditionell gute Monate für Bäckereien und Konditoreien sind. Da wären zunächst die Saison-Produkte wie

bunyols (Schmalzgebäck), panellets (Pinien-Mandelkugeln) oder rosarios (süße Rosenkränze), die rund um Allerheiligen stark nachgefragt werden. Und dann kommen natürlich die weihnachtlichen Spezialitäten turrones, mantecados, polvorones und wie sie alle heißen.

Danach aber soll das Geschäft wieder belebt werden - diesmal mit dem Fokus auf die Konditoren. „Wir wollen Ende Januar einen Wettbewerb ausrichten, um ein neues Backwerk zu erfinden, das zum 1. März, dem Balearen­tag, kredenzt beziehungsweise verkauft werden kann," sagt Magraner. Dafür müssen die teilnehmenden Bäcker ein oder mehrere typische Inselprodukte verwenden wie Mandeln, Ensaimada, Sobrassada oder Olivenöl. Die Kreationen werden von einer Jury auf Geschmack, aber auch auf Optik, Handlichkeit sowie Verkaufsmöglichkeiten geprüft. Das prämierte süße oder herzhafte Teilchen soll dann passend zum 1. März in den Handel kommen.

„Außerdem haben wir eine Kampagne rund um den klassischen Mandelkuchen, den gató, im Sinn, wobei wir die Form ein wenig verändern wollen: Wir stellen uns portionierte rechteckige Stücke vor." Damit könne man vielleicht ein zweites kulinarisches Backwerk (neben der Ensaimada) als Souvenir einführen und gleichzeitig die stark zurückgegangene Mandelproduktion der Insel ein wenig unterstützen. Und schließlich sei auch ein Coca-Wettbewerb angedacht. Auch bei diesen mallorquinischen Pizzen soll die Form handlich klein und rund werden - so die aktuelle Idee. Beim Belag könnten die Bäcker ihrer Phantasie freien Lauf lassen.

Neben der Stärkung der lokalen Handwerksbetriebe hat man bei der Innung auch Sendungsbewusstsein, denn „die industriell hergestellten Backwaren sind ungesünder als unsere - dies nimmt uns sozusagen in die Verantwortung, gerade in Bezug auf den Nachwuchs", meint Magraner. Deshalb kooperiere man auch mit dem Landwirtschaftsministerium und anderen Verbänden wie dem mallorquinischen Olivenöl-Verband und ginge verstärkt in die Schulen, um dort den Kindern zu demonstrieren, was ein gesundes und leckeres Frühstück enthalten kann und sollte - mit dem typischen mallorquinischen Brot, dem pan moreno, als Basis. „Wir hoffen, dass die Kinder dann ihren Eltern davon erzählen und sie bitten, ihnen das Gleiche zu bieten."

Brot hat in Spanien und speziell auf den Balearen bislang keinen so hohen Stellenwert. „Wir verzehren gerade mal 28 bis 30 Kilo pro Jahr und liegen damit gemeinsam mit den Kanarischen Inseln und Madrid spanienweit an letzter Stelle." Zum Vergleich: Regionen wie Navarra oder Galicien essen etwa 45 Kilo Brot pro Kopf und Jahr - und Deutschland liegt mit circa 70 Kilo nochmals weit darüber. Das wäre übrigens die Menge, die auch die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen als gesund einstuft.

„Es hat sich aber viel getan. Auch wenn insgesamt der Verbrauch gering ist, so legen doch mehr und mehr Verbraucher Wert auf das ´andere´, handwerklich gemachte Brot", so Magraner, „sie wollen mehr Cerealien, mehr Vollkorn, und vor allem sind auch die einheimischen Mehlsorten gefragt." So hat die Zahl der Betriebe zugenommen, die etwa xeixa (alte Weizenmehl-Sorte) verarbeiten, die Nachfrage übersteigt hier sogar das Angebot. Fakten, die auch Magraner positiv in die Zukunft schauen lassen.